Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft, ob der Freistaat Bayern wegen einer öffentlichen Warnung vor Wurst- und Schinkenprodukten der Großmetzgerei Sieber Schadenersatz zahlen muss. Das Unternehmen hatte auf Anordnung des Freistaats 2016 seine Produktion wegen möglicher Listerien eingestellt und ging kurz darauf insolvent. Der Insolvenzverwalter forderte vom Freistaat anschließend Schadenersatz in Höhe von rund elf Millionen Euro.
Wurden Amtspflichten verletzt?
Es ginge unter anderem darum, ob es zur Amtspflicht der Behörde gehört, auch ohne Hinweis der Metzgerei zu ermitteln, ob es nachpasteurisierte Produkte gäbe, von denen keine gesundheitlichen Gefahren ausginge, sagte der Vorsitzende Richter, Ulrich Herrmann, bei der Verhandlung in Karlsruhe. Angesichts der Dringlichkeit sei für eine solche Nachforschung nicht viel Zeit gewesen, argumentierte der BGH-Anwalt aufseiten des Freistaats. Eine Frage an das Unternehmen hätte schon genügt, entgegnete sein Gegenüber.
Nach dem Verzehr von mit Listerien belasteten Produkten waren von 2012 an knapp 80 Menschen im Süden Deutschlands erkrankt, 8 starben. Das Robert Koch-Institut und das Bundesinstitut für Risikobewertung sahen die Fälle später mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit Sieber-Produkten.
Eine differenziertere Warnung sei schwer umsetzbar gewesen, so der Anwalt des Freistaats. Auf der Produktverpackung sei für Verbraucher oft nicht zu erkennen, ob die Ware nachpasteurisiert ist oder nicht. Die bleibenden Zweifel müssten zulasten des Herstellers gehen. Der Anwalt des Insolvenzverwalters entgegnete: Dass die Warnung schwer umzusetzen sei, dürfe mit Blick auf ihre vernichtende Wirkung kein Argument sein.
Klage in München zunächst abgewiesen
Das Landgericht München hatte die Klage zunächst abgewiesen. Auf die Berufung des Insolvenzverwalters gab das Oberlandesgericht München ihr aber teilweise statt. Die Stilllegung der Produktion, der Rückruf und die Warnung von Kunden vor dem Verzehr seien für Produkte gerechtfertigt gewesen, in denen Listerien vorkommen konnten. Für verpackte und pasteurisierte Waren gelte das aber nicht. Hier stellten die Anordnungen eine Amtspflichtverletzung dar. Die Schadenersatzforderung für diese Produkte sei zu zwei Dritteln gerechtfertigt.
Das Münchner Gericht ließ zunächst keine Revision gegen das Urteil zu. Nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde des Freistaats landete der Fall aber schließlich doch am BGH. Ein Urteil will der Senat in einigen Wochen verkünden. (Az. III ZR 24/23)
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