Die Fußball-Europameisterschaft sorgt bei Deutschlands Brauereien für lange Gesichter. Denn die Firmen hatten mit einem kräftigen Nachfrageschub gerechnet, wenn Fans gemeinsam feiern und dabei tief ins Glas gucken. Doch es kam anders: «Der Fußball-EM-Effekt ist für die Brauereien gefloppt», sagt der Veltins-Generalbevollmächtigte Michael Huber.
Nach Schätzung seiner Firma, die als Anteilseigners eines für Supermärkte tätigen Logistikers einen guten Marktüberblick hat, wurden im Juni in Deutschland nur acht Millionen Hektoliter verkauft und damit etwas weniger als im Mai.
Der Rückgang ist überraschend, da im Juni üblicherweise mehr Bier getrunken wird als im Mai. Hier gilt grob gesagt die Regel: Je wärmer und sonniger das Wetter ist, desto mehr Bier wird getrunken. Doch das verregnete Wetter dämpfte die Trinkfreude.
Allein daheim statt draußen im «Rudel»
Die Menschen hätten sich im bisherigen Turnierverlauf nicht im großen Stil zum «Rudelgucken» getroffen, sondern stattdessen allein zu Hause Fußball geguckt und währenddessen vergleichsweise wenig Bier getrunken, sagt Huber. «Das ist etwas anderes als wenn man den Nachbarn zum Grillen einlädt und dabei Bier trinkt.» Es gebe eine Konsumzurückhaltung und Sparneigung. Ihr Übriges täten die omnipräsenten düsteren Themen der Weltpolitik, die bisweilen keine ausgelassene Partystimmung aufkommen ließen. «Das haben wir zu spüren bekommen.»
Beim «Sommermärchen» - also der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 - sei das anders gewesen, sagt Huber. Damals lag der Bierabsatz im Juni den Angaben zufolge bei circa 11 Millionen Hektolitern und damit drei Millionen höher als im Juni dieses Jahres.
In den Gaststätten einiger Städte sei zwar zeitweise mehr Bier getrunken worden, dies seien aber lokale Effekte geblieben, sagt Huber. Die Brauereien verkaufen in Deutschland nur circa ein Sechstel des Biers an die Gastronomie, den Löwenanteil ihres Geschäfts machen sie mit dem Handel - und da verlief der Absatz nach Einschätzung von Veltins mau.
Positive Halbjahreszahlen von Veltins
Veltins legte zudem Zahlen vor, denen zufolge das Familienunternehmen im ersten Halbjahr 2024 gut vier Prozent mehr Bier verkaufen konnte als im Vorjahreszeitraum. Der Gesamtausstoß lag den Angaben zufolge bei rund 1,7 Millionen Hektolitern. Im Juni verbuchte aber auch Veltins ein Minus. Für die zweite Jahreshälfte rechnet Manager Huber nur mit einem leichten Wachstum.
Was die anderen Brauer sagen
Auch der Deutsche Brauer-Bund äußerte sich verhalten über die Folgen der Fußball-EM für die Branche. «Das Wetter hat leider nicht immer so mitgespielt, wie wir es uns gewünscht hätten», sagt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. «Die Achterbahnfahrt der Temperaturen und die häufigen Unwetter haben vielen Wirten das Geschäft verhagelt, so manche Gartenparty fiel ins Wasser.» Außerdem spüre auch die Bierbranche die Konsumzurückhaltung, die Verbraucherstimmung habe sich eingetrübt.
Andere Brauereien meldeten sich ebenfalls zu Wort. «Der deutsche Biermarkt bleibt auch 2024 unter Druck», sagte eine Radeberger-Sprecherin. «Auch, wenn es für eine abschließende Bilanz zu früh ist, konnte die Fußball-EM in der Fläche wohl nicht die von der Branche erhofften größeren Absatzimpulse bringen.» Das Statistische Bundesamt will die Absatzzahlen für Juni und somit für das komplette erste Halbjahr in zwei Wochen publizieren, diese Angaben dürften präziser sein als die Veltins-Schätzung.
Die Radeberger-Sprecherin sagte mit Blick auf den Gesamtmarkt, dass die Brauer auf einen doch noch irgendwann einsetzenden Sommer hofften, der wichtige Absatzimpulse bringen könne. Ein Krombacher-Sprecher zeigte sich mit Blick den Geschäftsverlauf seiner Firma im ersten Halbjahr «recht zufrieden». Warsteiner wollte sich auf Anfrage nicht äußern.
Generationswechsel bei Veltins
Die Brauerei Veltins hat 721 Beschäftigte, das Stammwerk ist in Meschede-Grevenstein im Hochsauerlandkreis (NRW). Bei dem Familienunternehmen kommt es zum Jahreswechsel zum Stühlerücken in der Chefetage. Der Firmenlenker Huber (75) scheidet nach fast drei Jahrzehnten am Ruder altersbedingt aus, der bisherige Vertriebsgeschäftsführer Volker Kuhl (61) wird dann Sprecher der Geschäftsführung. Die Firmeninhaberin Susanne Veltins (64) verlässt dann ebenfalls die Geschäftsführung und wechselt in den Beirat von Veltins.
Ihr Neffe Fabian Veltins (34) ist bereits in der Firma tätig, er könnte in einigen Jahren Unternehmenschef werden. «Es ist mein Lebenstraum, die Brauerei Veltins eines Tages zu übernehmen», sagt der Braumeister, der vor seinem Start bei Veltins in Spanien bei einer anderen Brauerei Erfahrungen gesammelt hat. Seine Tante Susanne Veltins sagt: «Ich möchte ihm Zeit geben, sich in Ruhe in alle Bereiche einzuarbeiten.»
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