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Zuwanderung: Taugt Dänemarks Migrationspolitik als Vorbild?

Migration

Harte Hand und klare Regeln: Taugt Dänemarks Migrationspolitik als Vorbild?

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    Wer in Dänemark politisches Asyl beantragen will, wird zunächst in das  einzige Aufnahmezentrum des Landes für Flüchtlinge gebracht. Sandholm liegt etwa 25 Kilometer außerhalb von Kopenhagen auf einem Truppenübungsgelände.
    Wer in Dänemark politisches Asyl beantragen will, wird zunächst in das einzige Aufnahmezentrum des Landes für Flüchtlinge gebracht. Sandholm liegt etwa 25 Kilometer außerhalb von Kopenhagen auf einem Truppenübungsgelände. Foto: Martin Roy, dpa

    „Ich kann sehr, sehr laut sprechen“, sagt Yannich Bisp auf die Frage, wie er Streit und Konflikte unter den Asylbewerbern verschiedener Ethnien und Religionen schlichtet und sich Gehör verschafft. Und zwar ohne, dass der eine die Sprache des anderen versteht. Yannich, der sich nach dänischer Art mit dem Vornamen vorstellt, ist ein freundlicher Riese mit gutmütigem Gesichtsausdruck und beeindruckender Statur. Das mit der Lautstärke glaubt man ihm aufs Wort. Die dicke rote Jacke weist ihn als Mitarbeiter des Dänischen Roten Kreuzes aus. „Körpersprache sind 40 Prozent der Kommunikation. Und der Rest ist Chat GPT und Google Übersetzer“, sagt er und lächelt breit.

    An dem Sozialarbeiter und seinen 90 Kolleginnen und Kollegen vom Dänischen Roten Kreuz, die im Auftrag des Staates und des Dänischen Immigrations Service (DIS) das zentrale Asylbewerberaufnahmezentrum Sandholm betreiben, muss jede Person vorbei, die in Dänemark einen Asylantrag stellt. Maximal 888 Plätze stehen in den flachen, gelb gestrichenen Gebäuden auf dem weitläufigen Areal der ehemaligen Kaserne zur Verfügung. „Das ist genug Platz für alle, die kommen“, sagt Bisp. An diesem Mittwoch Anfang Februar liegt Stille über dem Areal. Der Himmel ist blau, der Wind schneidend kalt, es ist kaum jemand von den rund 700 Bewohnern zu sehen, die derzeit hier untergebracht sein sollen.

    Massiver Rückgang der Asylanträge in Dänemark

    Dänemark, knapp sechs Millionen Einwohner, steht mit seinem radikalen Schwenk in der Asylpolitik, mit harter Hand unter sozialdemokratischer Regierung vollzogen seit 2016 und verschärft seit 2019, bei den europäischen Nachbarn immer wieder im Fokus, wenn nach Lösungen bei den Problemen mit Massenzustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern und der Migrationskrise die Rede ist. Die Zugangszahlen nach Dänemark, die 2015 wie in vielen EU-Staaten einen Höchststand erreichten, sind mittlerweile massiv gesunken. Die dänische Politik beruht dabei im Wesentlichen auf drei Faktoren in einem klar geregelten Verfahren: Abschreckung, konsequente Ermutigung der abgelehnten Asylbewerber zur Rückkehr sowie die schnellstmögliche Arbeitsmarktintegration derer, die im Land bleiben dürfen. Die Akzeptanz für diesen Kurs im Land ist hoch, die Außenwirkung durchschlagend: Flüchtlinge suchen sich andere Zielländer. Nur noch 2333 Asylanträge wurden im Jahr 2024 in ganz Dänemark gestellt – nach 20.935 im Jahr 2015, dazu kamen etwas über 11.000 ukrainische Flüchtlinge, die einen etwas anderen Status genießen.

    Zum Vergleich: Allein in Bayern mit seinen rund 13 Millionen Einwohnern wurden im Jahr 2024 über 35.953 Asylanträge gestellt. 57 Prozent der Anträge in Dänemark wurden anerkannt, die durchschnittliche Verfahrensdauer, während der alle Asylbewerber im Ankunftszentrum verbleiben, beträgt vier bis fünf Monate. Nach persönlichen Interviews, Identitäts- und Fallprüfungen steht fest, ob ein Antragssteller bleiben darf oder nicht. Sonderkontingente gibt es für bestimmte verfolgte Gruppen. Wer angenommen wird, wird aus Sandholm in eine andere Unterkunft verlegt oder in einer Kommune untergebracht. Dabei achten die dänischen Behörden darauf, dass keine Parallelgesellschaften entstehen, dass sich gleiche Ethnien und Religionen der Zuwanderer nicht an bestimmten Orten ballen. Und beträgt der Migrantenanteil an einer Wohnbevölkerung mehr als 30 Prozent, kann es sogar zu Zwangsumsiedlungen kommen. 

    Asylpolitik in Dänemark: Wer kooperiert, bekommt Geld oder andere Vorteile

    Gegen eine Ablehnung kann vor einem speziell eingerichteten juristischen Gremium, das außerhalb der üblichen staatlichen Justizwege in Dänemark steht und in dem auch ein Vertreter des Flüchtlingsrats sitzt, einmalig Einspruch eingelegt werden – oder gegen eine Geldsumme darauf verzichtet werden. Erfolgt der Einspruch, wird binnen kürzester Zeit darüber befunden, in über 90 Prozent der Fälle entspricht die Entscheidung der Ablehnung der ersten Instanz. Damit ist der Rechtsweg ausgeschöpft – und der abgelehnte Bewerber wird in ein Rückführungszentrum verlegt, in dem es nur noch eine Option gibt: die – freiwillige – Rückkehr.

    In den Rückführungszentren herrschen strenge Bedingungen, die schon mehrfach Anlass zu internationaler Kritik waren. „Schlimmer als in russischen Gefängnissen“ nannte ein EU-Menschenrechts-Bericht die Zustände. Gefängnisse sind es nicht, versichern die Dänen. Aber es gibt kein Geld mehr, nur noch Sachleistungen und Mahlzeiten und notwendigste medizinische Versorgung, die Unterkünfte sind spartanisch, der Ausgang ist reglementiert, der Kontrolldruck ist hoch. Wer kooperiert, erhält bessere Bedingungen, auch finanzielle Unterstützung, die allerdings erst vor Ort voll ausgezahlt wird. Zwangsrückgeführt werden lediglich Straftäter. Allerdings arbeitet auch Dänemark intensiv daran, dass die Herkunftsländer ihre Staatsbürger überhaupt zurücknehmen.

    Respekt vor Asylbewerbern nicht verlieren

    Für Sozialarbeiter Yannich Bisp und seine Kollegen, stellvertretend für die rund 700 Beschäftigten im DIS, darf neben der klaren Rechtslage und der ganzen Effizienz im Prozess aber auch noch ein ganz anderer Faktor nicht fehlen: Respekt, Verständnis und Zuwendung – auch im Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern. „Das sind ganz normale Menschen, die in einer sehr unnormalen Situation gelandet sind“, sagt Yannich.

    Auch Claes Nilus von der dänischen Rückkehragentur nennt Respekt als Prinzip im Umgang mit den abgelehnten Asylbewerbern. „Wenn jemand sagt, er geht nicht zurück, versuchen wir, es auf die sanfte Art zu machen. Wir hören zu. Aber es wird immer wieder klar kommuniziert, dass die Rückkehr die einzige Option ist. Wir überzeugen sie, dass es besser für sie ist, zurückzukehren.“ Viel gehe es dabei um Gesichtswahrung, denn junge Männer würden oft als Hoffnungsträger für ihre Familien nach Europa geschickt. Natürlich komme es in den Rückkehrzentren auch zu Aggression oder Ärger. „Aber wenn wir Geduld haben und respektvoll bleiben, sind das sehr wenige Fälle“, sagt Nilus. „Wir sagen immer: Bei uns hast du keine Perspektive. Du hast ein besseres Leben in deinem Heimatland verdient, als monatelang hier im Rückführungszentrum mitten im Wald zuzubringen.“

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    15 Kommentare
    Franz Xanter

    Ich denke, jede anderweitige Maßnahmen als die derzeitig in DEU praktizierten sind zielführender! Was gelinde gesagt als bodenlose Frechheit bezeichnet werden muss, sind solche Aussagen wie "...„Schlimmer als in russischen Gefängnissen“ nannte ein EU-Menschenrechts-Bericht die Zustände." Aber dies passt doch prima ins Bild, analog der Feststellung, dass gerichtlich festgestellt wurde, dass nach Griechenland nicht abgeschoben werden dürfte, da die dortige Menschenrechtslage für diesen Personenkreis nicht gegeben wäre. Lächerlich für mich. Zeigt doch nur, dass das derzeitige gesamte System vollkommen überladen und überzogen ist.

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    Maria Reichenauer

    Lächerlich für Sie? Das Lachen würde Ihnen ganz sicher vergehen, wenn Sie in einer bulgarischen Unterkunft landen würden. Was sicherer Drittstaat in diesem Fall heißt, können Sie sich hier anschauen: https://www.nds-fluerat.org/61568/aktuelles/bericht-zu-bulgarien-erschienen-kein-bett-kein-brot-keine-seife/ In Griechenland hat sich die Situation zwar verbessert, aber sobald die neuen Lager an ihre Grenzen stoßen, dürfte auch dort wieder die Not groß sein. Hätten Sie nur einen Funken Anstand und ein wenig Empathie, dann würden Sie so etwas nicht "lächerlich" finden. Sie müssen keine Ausländer mögen, aber ein wenig Respekt vor den Menschen dürfte es schon sein. Das ist übrigens ein wichtiger Punkt in Dänemark – trotz aller Strenge im Umgang mit Asylbewerbern: Respekt vor den Menschen.

    Jochen Hoeflein

    Sie verwechseln da was. Es geht um Abschiebung nach Griechenland und nicht Bulgarien. Wenn man damit anfängt Abschiebungen in andere EU Länder abzulehnen, weil dort die Versorgung ärmlicher ist und die Unterkünfte primitiver , können wir uns EU Pläne zur Reduzierung der illegalen Zuwanderung sparen. Im Gegenteil ist in DEU die Fürsorge zu üppig und der mögliche Rechtsweg zu lang ist illegale Migranten, die durch kriminelle Handlungen auffällig sind und mangelnde Integrationswillen zeigen, des Landes zu verweisen.

    Maria Reichenauer

    Ich verwechsle gar nichts, Herr Hoeflein. Bulgarien war ein Beispiel und Griechenland habe ich angesprochen. Schließlich haben die Zustände im früheren Moria auch niemand gestört. Es geht auch nicht um eine ärmlichere Unterkunft, es geht um Misshandlungen, Schläge und um absolut miese Versorgung z.B. in Bulgarien. Da lasse ich das "lächerlich" von Herrn Xanter nicht unkommentiert stehen. Auch wenn die Gesetze in Dänemark anders und strenger sind, dann steht hier der "Respekt als Prinzip im Umgang mit den abgelehnten Asylbewerbern" zu Buche. So wie in diesem Forum von Geflüchteten und Asylbewerbern oft gesprochen wird, ist Respekt vor einem Menschenleben eher Mangelware, zumindest wenn es kein deutsches ist. Immerhin geht es nicht um Menschen, deren Anliegen ernst zu nehmen sind und nicht um Schmeißfliegen. Ach ja – die üppige Fürsorge können Sie sich gerne mal in einer Flüchtlingsunterkunft anschauen. Der Eintritt ist frei.

    Gerd Reim

    Dänemark hat, wie auch geschrieben wurde, 6 Millionen Einwohner. Wie können Sie, Herr Xanter, das mit Deutschland und knapp 85 Millionen Einwohnern vergleichen?

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    Franz Xanter

    Ein System aufgrund seiner jeweiligen Einwohnerzahl miteinander zu vergleichen dürfte wohl das Falscheste des Falschen sein; höflich ausgedrückt.

    Gerhard Denk

    Wie kann es sein, dass jeder EU-Staat die Asylbewerberzahlen im Griff hat, nur Deutschland nicht? Alle hier geschilderten Maßnahmen in Dänemark sind sinnvoll, nachvollziehbar und in keiner Weise menschenverachtend. Die schauen, dass alle mit Bleiberecht möglichst sofort in Arbeit kommen. Die Anträge werden schneller bearbeitet, allen, die abgelehnt sind wird die Heimreise nahegelegt. Es gibt keine Anreize, und vor allem keine rechtlichen Möglichkeiten wie bei uns, die Verfahren unendlich in die Länge zu ziehen. Wer gehen muss und dies nicht freiwillig tut, muss mit den Gegebenheiten der Rückführungszentren klarkommen. Ist alles nicht unmenschlich. Nur in D wird ständig erklärt, was nicht mit dem Grundgesetz oder Europarecht vereinbar ist. Und warum machen es die anderen Länder so? Um die eigene Bevölkerung zu schützen. Bei uns könnte man bei manchen Politikern meinen, dass ihr Eid „auf Schutz aller Völker, mit Ausnahme des deutschen“ lautet. Fragen Sie mal unsere Geringverdiener, unse

    Gerhard Denk

    2. Teil Fragen Sie mal unsere Geringverdiener, unsere Rentner. Noch ist alles einigermaßen händelbar. Aber lasst uns noch ein paar Jahre in dem Stil weiter machen, dann können sich nur noch Zugezogene das Krankwerden leisten. Bald sind viele die lebenslang eingezahlt haben, im Alter kaum besser gestellt als Einwanderer, die nichts dazu beigetragen haben. All diese Probleme werden unsere Nachbarstaaten nicht haben. Btw.: Warum sollte man Dänemark nicht mit uns vergleichen können? Nach den genannten Zahlen hatte Bayern 2024 auf Einwohnerzahlen umgerechnet 7 mal so viele Asylbewerber wie Dänemark.

    Friedrich Eckert

    Frau Reichenauer, was erwarten Sie bitte von einem der ärmsten Länder in Europa? Der normalen Bevölkerung in Bulgarien geht es nicht viel besser – 20,6 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Nicht jedes Land kann die Bedürfnisse von Flüchtlingen über die seiner eigenen Bevölkerung stellen. Ich erinnere übrigens an den Amtseid des Bundeskanzlers: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, …“

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    Martin Mederle

    Der Amtseid wird überbewertet, siehe https://grundrechteforum.de/954/ Hier steht: << Der Amtseid hat jedoch laut herrschender Rechtsmeinung keinerlei rechtliche Bedeutung, gegen Verletzungen des Amtseides kann demnach nicht juristisch vorgegangen werden >>

    Friedrich Eckert

    Und trotzdem wird er abgelegt.

    Maria Reichenauer

    Herr Eckert, und wie passen dann Misshandlungen und Schläge in dieses Bild? Wollen wir da auch wegschauen, weil es ja NUR ein paar Asylbewerber trifft? Dass es in Bulgarien und auch anderen Ländern auf dem Balkan zahlreiche Übergriffe gegen Geflüchtete gibt, ist bekannt. Auch wenn die Lebensverhältnisse in Bulgarien nicht rosig sind – Misshandlungen müssen nicht sein. Und es sind keine Einzelfälle. Hier z.B. https://www.srf.ch/news/international/pushbacks-in-bulgarien-eingesperrt-und-misshandelt-an-der-eu-aussengrenze Schauen Sie sich ruhig an, was in unser aller Namen da passiert. Und das ist nicht erst jetzt so, es gab von Pro Asyl 2015 bereits ähnliche Berichte. So geht man nicht mit Menschen um, gganz gleich, wo sie herkommen oder wer sie sind. Das hat mit dem Amtseid des Bundeskanzlers überhaupt nichts zu tun. Das ist Menschenrecht.

    Friedrich Eckert

    Beruht anscheinend auf Gegenseitigkeit: "Die bulgarischen Behörden erwidern auf die verschiedenen Vorwürfe: Sie würden keine Schusswaffen einsetzen und hielten sich an das geltende Recht. Auch würden die Migranten und Migrantinnen selber oft sehr gewalttätig vorgehen, etwa Steine nach den Beamten und Beamtinnen werfen. In den letzten Wochen sei ein Polizist bei seiner Tätigkeit für den Grenzschutz ums Leben gekommen." Es gibt halt Länder, in denen sich Staatsbedienstete zur Wehr setzen dürfen, wenn sie angegriffen werden.

    Maria Reichenauer

    "Es gibt halt Länder, in denen sich Staatsbedienstete zur Wehr setzen dürfen, wenn sie angegriffen werden." Würden Sie auch so urteilen, wenn es z.B. um deutsche bzw. europäische Staatsangehörige ginge, die man irgendwo festgenommen hat? Da wäre das Gejaule groß und der Ruf nach den Menschenrechten laut. Aber wenn es um Migranten geht – na ja, die sind ja selbst schuld. Da machen Sie es sich sehr einfach. Die Recherche des Schweizer Fernsehens ist übrigens nicht der einzige Bericht, ich könnte mehrere Fenster füllen mit entsprechenden Recherchen. Was Sie hier von sich geben, ist menschenverachtend. Und sie merken es nicht einmal in Ihrer Selbstgerechtigkeit. Auch hier im Land hat die Polizei im übrigen Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen, wenn sie angegriffen wird. Aber es gilt Regeln und Grenzen einzuhalten, das gehört sich so für ein zivilisiertes Land.

    Friedrich Eckert

    "Würden Sie auch so urteilen, wenn es z.B. um deutsche bzw. europäische Staatsangehörige ginge, die man irgendwo festgenommen hat?" Natürlich, Respektlosigkeit gegenüber Staatsbediensteten hat nichts mit der Nationalität zu tun. Wenn ich in Amerika einem Polizisten mit der Waffe drohe, muss ich damit rechnen, schneller zu sterben, als mir lieb ist; in Deutschland, wenn ein Polizist die Waffe benutzt, gibt es Diskussionen, ob es wirklich nötig war. Und wenn ich Asyl möchte, ist Gewaltanwendung vielleicht der falsche Weg.

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