Es ist der Traum eines jeden Journalisten - live dabei zu sein, wenn ein Stück Geschichte geschrieben wird. Der Reporter der Bild am Sonntag (BamS) hatte dieses Glück. Er saß am Freitagabend im Dienstwagen von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, als dieser den Kapitän der "Gorch Fock" von seinem Kommando entband und die sofortige Rückkehr des Segelschulschiffes der Marine befahl.
Für seine Leser hielt der Reporter den Moment der Entscheidung in dramatischen Worten fest: "Der gepanzerte Audi A 8 schießt mit knapp 200 Kilometern pro Stunde durch die Freitagnacht zwischen dem osthessischen Fulda und dem unterfränkischen Esselbach, als Karl-Theodor zu Guttenberg der Kragen platzt: 'Es reicht!'"
Wieder einmal hatte das perfekte Zusammenspiel zwischen dem Verteidigungsminister und der auflagenstärksten Zeitung Deutschlands perfekt geklappt. Bild war live dabei, vor den Augen des Reporters demonstrierte Guttenberg seine Entschlossenheit und sein Durchsetzungsvermögen, wofür ihn die Zeitung in einem hymnischen Kommentar lobte: "Das Einhorn gilt als das edelste aller Fabeltiere. Ihm werden seit Jahrhunderten Wunderkräfte zugeschrieben wie die Erweckung von Toten. So gesehen, ist Karl-Theodor zu Guttenberg das Einhorn der deutschen Politik." Und: "Nun spricht man wieder über das Einhorn und weniger über seine Jäger."
Schon der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte einst erklärt, zum Regieren brauche er nur drei Dinge: "Bild, BamS, Glotze." Doch im Vergleich zum 38-jährigen zu Guttenberg wirkte der Altkanzler wie ein Anfänger, der smarte Baron aus Oberfranken hat diese Devise geradezu perfektioniert, zum Wohle und Nutzen beider Seiten. Zu Bild und BamS pflegt er engste Kontakte, hinzu kommen regelmäßige Auftritte bei den als soft geltenden TV-Talkern Reinhold Beckmann oder Johannes B. Kerner, während er um den eher hart nachfragenden Frank Plasberg ("Hart aber fair") einen großen Bogen macht, erst recht um die Berliner Hintergrundkreise, in denen es "unter drei" oft ziemlich direkt zur Sache geht. Immer wieder nutzt Guttenberg das Boulevardblatt aus dem Hause Springer, um wichtige Entscheidungen oder Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, im Gegenzug stärkt ihm das Blatt demonstrativ den Rücken. So kanzelte der Kommentator der Bild, als Ende vergangenen Jahres Kritik an der gemeinsamen Afghanistan-Reise von Guttenberg und seiner Frau Stephanie laut wurde, die Kritiker mit den Worten ab: "Schnauze halten!"
Längst spielt die Gattin des Ministers, die Ururenkelin des "Eisernen Kanzlers" Otto von Bismarck, einen wichtigen Part in der medialen Inszenierung des Paares. Bild veröffentlichte im Herbst vergangenen Jahres vorab Passagen aus ihrem Buch "Schaut nicht weg! Was wir gegen sexuellen Missbrauch tun müssen", in dem sie unter anderem Pornografie im Internet anprangerte, und begleitete auch mit großen Berichten ihre Auftritte in der umstrittenen RTL-2-Sendung "Tatort Internet - Schützt endlich unsere Kinder". Zudem sammelte die Mutter zweier Töchter für die gemeinnützige Stiftung "Ein Herz für Kinder" der Bild-Zeitung Spenden, wofür sie von der Zeitung mit großen Bildern als "Kinderverteidigungsministerin" gefeiert wurde - ein gutes Geschäft auf Gegenseitigkeit, von dem wiederum auch der Minister-Ehegatte profitierte.
Guttenbergs inniges Verhältnis zur Boulevardpresse sorgt im Bundestag zunehmend für Unmut. "Ich erwarte die Informationen vom Minister und nicht von der Bild-Zeitung", bemängelte die Sozialdemokratin Karin Evers-Meyer in der "Aktuellen Stunde" des Bundestages. Zumal Bild seit wenigen Tagen offensichtlich wenig Rücksicht auf den unter Druck geratenen Verteidigungsminister nimmt, sondern unter der Schlagzeile "Tollhaus Gorch Fock" ständig neue Vorwürfe gegen die Stammbesatzung des Segelschulschiffes erhebt. Gestern veröffentlichte sie Bilder, die den früheren Kapitän Michael Brühn, der jetzt als Nachfolger des suspendierten Kapitäns Norbert Schatz das Schiff nach Deutschland überführen soll, beim Wasserskifahren hinter dem Beiboot zeigen. Für den früheren Bild am Sonntag-Chefredakteur Michael Spreng, einst Medienberater von CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber, kommt dies nicht überraschend. Er weiß: "Wer sich in Bild begibt, kommt darin um." Martin Ferber