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Xinjiang Police Files: China-Umgang mit Uiguren, UN reagiert

Uiguren

Nach Xinjiang Police Files: UN sieht mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit

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    Bewaffnete Beamte und Polizisten führen einen Inhaftierten ab. Derartige Szenen enthüllen die Xinjiang Police Files.
    Bewaffnete Beamte und Polizisten führen einen Inhaftierten ab. Derartige Szenen enthüllen die Xinjiang Police Files. Foto: Xinjiang Police Files

    Im Mai kamen erschütternde Bilder ans Tageslicht, die erstmals schonungslos den Umgang Chinas mit den Uiguren offenlegen. Nun kommt das UN-Menschenrechtsbüro zu dem Schluss, dass in der chinesischen Region Xinjiang womöglich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden. Das geht aus einem Bericht von Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, hervor, der mit Spannung erwartet wurde. Dieser wurde zehn Minuten vor dem Ende ihrer Amtszeit veröffentlicht, Mittwoch um 23.50 Uhr.

    "Das Ausmaß der willkürlichen und diskriminierenden Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen könnte internationale Verbrechen, insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darstellen", ist in dem Bericht zu lesen. Die Geschehnisse und die mutmaßlichen Verstöße erfordern demnach eine "dringende Aufmerksamkeit".

    China und Uiguren: Leak von Bildern zeigt Lage in Xinjiang

    Ein Leak von Bildern und Daten führte im Mai in das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang, welches sich im Westen Chinas befindet. Dieses ist rund viereinhalb Mal so groß wie Deutschland, fast 26 Millionen Menschen Leben in Xinjiang. Der Bevölkerungsanteil der muslimischen Uiguren beträgt etwa 45 Prozent, nach dem Bürgerkrieg waren es 1949 noch 80 Prozent gewesen.

    Seit Jahren wird China beschuldigt, die Uiguren in Xinjiang zu unterdrücken. Hundertausende, oder womöglich sogar über eine Million, Uiguren wurden in Umerziehungs- und Internierungslager eingesperrt. Das legten beispielsweise Daten nahe, die im Jahr 2019 der New York Times zugespielt wurden. Nun gibt ein neues Leak, welches ein deutlich größeres Ausmaß hat – und welches teils schlimmste Befürchtungen zu bestätigen scheint.

    Was sind die Xinjiang Police Files?

    Der deutsche Anthropologe Adrian Zenz ist seit Jahren maßgeblich daran beteiligt, das Lagersystem in Xinjiang nach und nach aufzudecken. Nun wurden dem China-Experten von einer anonymen Quelle Dateien zusgespielt, die Xinjiang Police Files. Dabei handelt es sich um Daten und Fotos, die von Computersystemen aus Büros für Öffentliche Sicherheit aus der Region Xinjiang stammen. Genauer gesagt aus den Regierungsbezirken Kashgar und Ili.

    Die Quelle will aus Sicherheitsgründen die eigene Identität nicht preisgeben. An die Dateien ist sie offenbar dadurch gekommen, dass sie sich in System gehackt habe, hatte Zenz verraten. Er stellte außerdem klar, dass kein Geld für die Daten geflossen ist und ihm diese ohne Bedingungen zur Verfügung gestellt wurden. Laut Zenz sind die Xinjiang Police Files eine "neue Dimension". Er forscht an der "Victims of Communism Memorial Foundation" in Washington.

    Die Bedeutung der Xinjiang Police Files

    Zenz erklärt, dass er die Dateien für "einzigartig" hält und diese ganz klar die "chinesische Staatspropaganda" widerlegen. China behauptet, dass es sich um normale Schulen und Bildungseinrichtungen handelt, welche von den Uiguren freiwillig besucht werden können.

    Die Xinjiang Police Files ermöglichen der Weltöffentlichkeit nun zum ersten Mal einen Blick hinter die Mauern der chinesischen Internierungslager, welche sich im Westen Chinas befinden. Es handelt sich um Beweise, welche die Darstellung Chinas belegen. Diese könnten daher weitreichende politische und diplomatische Folgen haben.

    Was zeigen die Xinjiang Police Files?

    Die Xinjiang Police Files setzen sich vor allem aus einer großen Anzahl an Fotos zusammen, welche in den Internierungslagern gemacht wurden. Diese zeigen beispielsweise Sicherheitskräfte, die mit Sturmgewehren ausgestattet sind. Auch sieht man auf einigen der Fotos klar und deutlich, dass die Lager gut gesichert sind. Die Behauptung aus Peking, dass die Uiguren freiwillig dort sind, wirkt dadurch schnell unglaubwürdig.

    Diese Darstellung wird noch deutlich absurder, wenn man die Bilder von inhaftierten Uiguren sieht, die einen Sack über dem Kopf haben und an Händen und Füßen gefesselt sind. Auf Bildern ist auch zu sehen, wie Inhaftierte auf einem speziellen Stuhl fixiert werden, welcher den Namen "Tiger Chair" trägt. Die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" behauptet, dass diese Stühle in chinesischen Gefängnissen zur Folter genutzt werden.

    In dem Leak sind auch die Namenslisten und tausende Porträtfotos von Inhaftierten enthalten. Auch Angaben zum Grund für die jeweilige Inhaftierungen sind vorhanden, genau wie Geheimdokumente, Transkripte, Schulungsunterlagen und Reden von hohen Parteifunktionären, welche sich mit dem Umgang der Uiguren beschäftigen. Insgesamt beträgt die Größe des Datensatzes über zehn Gigabyte.

    Ein Inhaftierter sitzt auf einem "Tiger Chair"
    Ein Inhaftierter sitzt auf einem "Tiger Chair" Foto: Xinjiang Police Files

    Daten der Xinjiang Police Files wurden auf Echtheit geprüft

    Eine Gruppe an Journalistinnen und Journalisten hat die Echtheit der Daten geprüft. Unter anderem waren der BR und der Spiegel beteiligt. Die Prüfung lief in fünf Schritten ab, damit die Echtheit auch wirklich mit Sicherheit nachgewiesen, oder widerlegt werden kann. Der wichtige erste Schritt hat mit den Identitäten der Personen zu tun. Die Dokumente enthalten tausende Namen, Identifikationsnummern, Adressen und Geburtsdaten von Menschen, die in einem Lager in Tekes inhaftiert sind. In Städten wie Istanbul und Amsterdam, in denen viele geflohene Uiguren leben, suchten die Journalistinnen und Journalisten dann nach Angehörigen. Sie konnten mehrere Personen finden, welche Daten von vermissten Verwandten bestätigen konnten. Auch Telefonnummern von Beamten, die in den Xinjiang Police Files auftauchen, wurden geprüft. Reporterinnen und Reporter von BBC News riefen über 150 der Nummern an und hatten Beamte und Polizisten am Hörer, die ihren Dienstgrad und Namen bestätigten.

    Schritt zwei ist etwas schwerer zu verstehen: Im Hintergrund einiger Bilder ist ein Plakat einer Frau im grünen Kleid zu sehen. Es handelt sich dabei um ein Bild, welches in einem Malwettbewerb der Kommunistischen Partei für Bauern in Xinjiang ausgezeichnet wurde. Ein starkes Indiz dafür, dass die Porträts in Xinjiang aufgenommen wurden.

    Im Hintergrund ist zu erkennen, dass das Lager gut gesichert ist.
    Im Hintergrund ist zu erkennen, dass das Lager gut gesichert ist. Foto: Xinjiang Police Files

    In einem dritten Schritt glichen die Journalistinnen und Journalisten Satellitenbilder mit den Bildern aus den Lagern ab. Merkmale wie Mauern, Gebäude oder Bäume lassen sich zu Teilen gut abgleichen. Die Auslesung von Metadaten und eine forensische Überprüfung wurden ebenfalls durchgeführt. An der Echtheit des Leaks bestehen also kaum Zweifel.

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