Im Dezember 2022 erlebte die EU-Kommissionspräsidentin höchstselbst, was ein Wolf anrichten kann. „GW 950m“, Mitglied eines landesweit bekannten Wolfsrudels aus dem Burgdorfer Holz nordöstlich von Hannover, tötete Dolly, das 30 Jahre alte Pony von Ursula von der Leyen. Unter dem Eindruck dieses Vorfalls, der ihre Familie „fürchterlich mitgenommen“ habe, wie die CDU-Politikerin damals erklärte, kündigte sie an, den Schutzstatus von Wölfen durch das Europäische Parlament überprüfen zu lassen. Das Ergebnis liegt inzwischen vor: Der Status soll herabgestuft werden, grundsätzlich wird damit der Abschuss des Raubtieres erleichtert. Die Bundesregierung allerdings zögert noch, sich diesem Schritt anzuschließen. Die Union im Bundestag macht deshalb Druck und wird kommende Woche einen entsprechenden Antrag ins Parlament einbringen, wie unsere Redaktion erfuhr.
„Der Wolf ist nicht vom Aussterben bedroht, unsere Weidetierhaltung aber schon“, begründet die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Anja Weisgerber, diesen Schritt. „Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie dem Vorschlag der EU-Kommission zur Herabstufung des Schutzstatus in der Berner Konvention zustimmt“, sagte die CSU-Politikerin, denn es brauche in Deutschland „ein Wolfsmanagement, das die Zahl der Wölfe durch gezielte Bejagung begrenzt“.
Der Schnellabschuss des Wolfs ist schon erlaubt
Auf mehr als 20.000 Wölfe schätzt die Kommission den Wolfsbestand in der Europäischen Union. Die EU geht außerdem von mindestens 65.500 Tieren aus, die von Wölfen gerissen wurden. Für von der Leyen ist die Rückkehr des Wolfs deshalb einerseits „eine gute Nachricht für die Artenvielfalt in Europa“. Doch andererseits fürchtet sie, dass „die Dichte der Wolfsrudel in einigen europäischen Regionen“ inzwischen insbesondere für die Nutztierhaltung „zu einer echten Gefahr geworden“ ist. In Deutschland wurden mit Stand Oktober letzten Jahres um die 1300 Wölfe gezählt.
Die Umweltministerien von Bund und Ländern
mit dem Segen der EU-Kommission eine Regelung, die sogenannte Schnellabschüsse von Wölfen erlaubt. „Zukünftig ist in Gebieten mit erhöhtem Rissaufkommen bereits nach erstmaligem Überwinden des zumutbaren Herdenschutzes und dem Riss von Weidetieren durch einen Wolf eine Abschussgenehmigung möglich“, heißt es in bestem Amtsdeutsch.Umweltministerin Steffi Lemke hat noch Fragen
Der Union reicht das aber nicht. „Die aktuelle Regelung im Umgang mit dem Wolf ist ein reines Placebo und lässt die Weidetierhalter im Regen stehen“, sagte Weisgerber unserer Redaktion. „Es reicht nicht, sich nur auf Problemwölfe zu fokussieren, wenn der Schaden schon passiert ist“, ergänzte sie. Die Union erwarte von der Bundesregierung deshalb, dass sie der Herabstufung des Schutzstatus zustimme.
Das bezieht sich auf die „Berner Konvention“ zum Schutz wild lebender Pflanzen und Tiere, die wiederum drei Anhänge enthält. Anhang I umfasst streng geschützte Pflanzen. Der Wolf (Canis lupus) ist in Anhang II gelistet und fällt damit unter die „streng geschützten Tierarten“. Sie dürfen nicht gefangen, getötet, gestört oder gehandelt werden. Für CDU und CSU gehört der Wolf aber in Anhang III, der die „geschützten Tierarten“ enthält. Auf sie darf Jagd gemacht werden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) setzt sich für eine pragmatische Lösung ein, damit den Weidetierhaltern schnell und unbürokratisch geholfen wird. Von der Leyens Vorschlag zur Absenkung des Schutzstatus für Wölfe wird in ihrem Haus geprüft. Es gebe dazu viele offene rechtliche und fachliche Fragen, erklärte eine Sprecherin am Freitag auf Anfrage.