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Wirtschaft: Zukunft der deutschen Autoindustrie: Habeck steht unter Hochspannung

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Zukunft der deutschen Autoindustrie: Habeck steht unter Hochspannung

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    Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) mit Northvolt-Chef Peter Carlsson in Vasteras in Schweden.
    Wirtschaftsminister Robert Habeck (rechts) mit Northvolt-Chef Peter Carlsson in Vasteras in Schweden. Foto: Britta Pedersen, dpa

    In Schweden kann Robert Habeck etwas für seine Heimat tun. Sicher auch für Deutschland insgesamt, aber vor allem für das Städtchen Heide in Schleswig-Holstein. Heide und Habecks Wahlkreis Flensburg sind etwa 100 Kilometer voneinander entfernt. Dort, wo sich auf dem platten Land so etwas wie Hügel andeuten, will das schwedische Unternehmen Northvolt eine riesige Fabrik für Batteriezellen in Elektroautos bauen. Präziser muss es heißen: wollte oder will vielleicht noch. 

    Denn die Schweden haben ein Fragezeichen hinter ihre rund vier Milliarden Euro schwere Investition gesetzt. Damit sie es wieder wegradieren, ist der deutsche Wirtschaftsminister in die Provinz eine Stunde nördlich von Stockholm gefahren. Es ist der Höhe- und Schlusspunkt seiner zweitägigen Schweden-Reise. „Es ist ein Prozess“, sagt Habeck in der grauen Produktionshalle, während im Hintergrund Maschinen einen fiependen Ton abgeben. Neben ihm steht Northvolt-Chef Peter Carlsson, Ex-Manager beim Elektroauto-Pionier Tesla. Carlsson und Habeck haben noch keinen Deal.

    Habeck warnt vor Handelskrieg mit den USA

    Der Grund für Carlssons Fragezeichen liegt beim großen Verbündeten Amerika. US-Präsident Joe Biden hat ein 360 Milliarden Dollar schweres Förderprogramm für den Umbau der Wirtschaft durchgesetzt. Grün soll sie werden, und es ist dies eine Kampfansage an die Europäer. Denn der sogenannte Inflation Reduction Act bestimmt, dass E-Autos sowie ihre Batterien in Amerika gebaut sein müssen, um in den Genuss der Förderung zu kommen. In den USA kauft da kaum noch jemand europäische E-Autos mit Batterien aus Heide, die im Vergleich viel zu teuer sind. „Es ist ziemlich unmöglich geworden, in Nordamerika in den Wettbewerb zu treten, ohne in Nordamerika zu produzieren“, erklärt Peter Carlsson. 

    „Wir sind von einem Handelskrieg bedroht, in dem die höchsten Subventionen gewinnen“, warnt Minister Habeck. Er hält die Lage für ernst. Aus seiner Sicht kommt es darauf an, dass sich die Europäer gegenseitig stärken, um nicht gegen Amerika und China abzufallen. In dieser Denkart muss die Batteriefabrik also nach Heide und nicht in die USA. Doch wie soll das gelingen? 

    Die Super-Ausschreibung als Ausweg

    Eine Frau, die ihm dabei helfen könnte, ist Ebba Busch. Habeck hat die schwedische Wirtschaftsministerin tags zuvor in der Altstadt Stockholms getroffen. Die Vorsitzende der Christdemokraten trägt einen knallroten Hosenanzug. Die oberen Ränder ihrer Fingernägel hat sie in hauchdünnen Strichen dunkel lackiert, als wären es Krallen. Die 35-Jährige vertritt in der Wirtschaftspolitik den traditionellen Ansatz ihres Landes: solides Haushalten, sparsam verteilte Subventionen an die Unternehmen. „Es ist noch viel zu tun“, sagt Busch. Anstatt das Füllhorn auszuschütten, schwebt ihr vor, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Schnellere Genehmigungen der Behörden zum Beispiel, mehr Geld für Forschung und Entwicklung oder gut ausgestattete Schulen. 

    Ihr Gast aus Flensburg will das im Prinzip auch, aber er hält hohe staatliche Zuschüsse nicht für Teufelszeug. So hat die Bundesregierung zum Beispiel eine Bürgschaft von 440 Millionen Euro für die Northvolt-Fabrik im Heimatmarkt Schweden gewährt. BMW und Volkswagen sind in dem Unternehmen mit vielen hundert Millionen Euro involviert. Busch schuldet Habeck also in gewisser Weise etwas. Natürlich kann selbst die Vize-Regierungschefin Northvolt nicht zwingen, in Deutschland zu investieren. Doch sie kann über ihre Kanäle den Vorstand sanft ins Gebet nehmen, in Europa zu bleiben. Und es gibt eine Brücke über die Kluft in der Wirtschaftsphilosophie. Sie heißt Super-Abschreibung. 

    Die Idee: Um für Unternehmensansiedlungen attraktiver zu werden, können Investitionen in wenigen Jahren in der Steuererklärung der Unternehmen abgeschrieben werden. Damit sinkt der Gewinn, und sie müssen weniger an den Fiskus zahlen. Das Umfeld für Unternehmen würde einerseits attraktiver, was Schweden anstrebt, während die Firmen einen indirekten Zuschuss bekämen, was Habeck anstrebt. Die wegfallenden Einnahmen könnten durch die Gelder aus den prall gefüllten EU-Fonds ausgeglichen werden. Es wäre die europäische Kopie des amerikanischen Vorstoßes, der ebenfalls über Steuererleichterungen funktioniert. Doch ob es Ebba Busch gelingt, alle 27 EU-Länder während der Ratspräsidentschaft davon zu überzeugen, ist offen.

    Tesla hat schon zurückgezogen

    Habeck will sich nicht darauf verlassen. Anfang nächster Woche fliegt er in die USA, trifft dort auf den französischen Finanzminister Bruno Le Maire. Gemeinsam wollen sie die US-Regierung dazu bringen, Ausnahmen im Inflation Reduction Act einzuweben. Bestehende oder angekündigte Projekte sollen nicht durch Amerika abgesaugt werden, der Westen dürfe sich nicht selbst schwächen. „Europa muss sein eigenes industrielles Gewicht behalten“, sagt Habeck. Über die Fabrik in Heide wird in Washington entschieden. Kommt sie nicht, wäre das für das Autoland Deutschland die zweite Niederlage. Der US-Autobauer Tesla hat die Erweiterung seiner Fabrik im Süden Berlins auf Eis gelegt. Auch dort sollten Batterien produziert werden. 

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