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Wirtschaft: Wie Unternehmen der Region an gerissenen Lieferketten leiden

Wirtschaft

Wie Unternehmen der Region an gerissenen Lieferketten leiden

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    Nichts geht mehr: Im größten Frachthafen der Welt in Shanghai stauen sich derzeit etwa 300 Containerschiffe.
    Nichts geht mehr: Im größten Frachthafen der Welt in Shanghai stauen sich derzeit etwa 300 Containerschiffe. Foto: Ding Ting, dpa

    Deutsche Unternehmen befinden sich im Dauerkrisenbekämpfungsmodus. Am Freitag legte das Münchner Ifo-Institut neueste Zahlen vor, nach denen 75 Prozent der befragten Industriefirmen im April über Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Materialien klagten. Das sind zwar etwas weniger als im März, aber „von einer durchgreifenden Entspannung kann nicht gesprochen werden“, sagt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

    Dass die Lieferketten immer wieder einreißen, hatte zuletzt verschiedene Gründe: Erst havarierte im März 2021 das Frachtschiff Ever Given und blockierte den Suez-Kanal. Dann kam es in den chinesischen Häfen von Ningbo und Shenzen wegen coronakranker Hafenarbeiter zu Teilschließungen. Schließlich marschierte Putin in der Ukraine ein. Und nun steht in Shanghai der größte Frachthafen der Welt quasi still. „Die Lage hat sich noch weiter verschärft“, sagt Jana Lovell, Leiterin des Geschäftsfelds International bei der IHK Schwaben.

    Auf Online-Karten ist der Schiffstau gut zu sehen.
    Auf Online-Karten ist der Schiffstau gut zu sehen. Foto: Screenshot vesselfinder.org

    In Chinas 26-Millionen-Metropole zeigt sich aktuell, wie leicht die Weltwirtschaft ins Wanken gerät, wenn irgendwo auf diesem Planeten etwas Unvorhergesehenes passiert: Seit Ende März befindet sich Shanghai in einem strikten Lockdown. Das betrifft ausdrücklich nicht den Hafen. Dort müssen die Arbeiter in Notunterkünften übernachten und weiterschuften.

    Nur: Sie haben kaum etwas zu be- oder entladen, weil es an Lkw-Fahrern fehlt, die die Ware weitertransportieren und auch, weil viele Fabriken lockdown-bedingt schließen mussten. So stapelt sich die Ware – und etwa 300 Schiffe stauen sich im Wasser. Schätzungen des Datenanbieters Fout-Kites zufolge ging der Export am Hafen schon um 40 Prozent zurück. „Von Firmen vor Ort hören wir, dass es kaum noch möglich ist, Ware im vom Lockdown betroffenen Gebiet rein- oder rauszubekommen“, sagt Lovell.

    Gut 2000 deutsche Firmen haben einen Sitz im Großraum Shanghai. Wer nicht, bezieht zumindest Güter von dort. Vom Traktorenhersteller Fendt aus Marktoberdorf etwa heißt es aus Vertriebskreisen, die Produktion in Deutschland könnte angesichts der Lieferengpässe – etwa von Kabelbäumen – bald stillstehen. Ein Händler berichtet von Fahrzeugen, die nun halbfertig ab Werk geliefert würden. Dazu äußern möchte sich das Unternehmen nicht.

    Schon nach dem Ukraine-Krieg stellte Audi seine Logistik um

    Der Großküchenhersteller Rational aus Landsberg schreibt auf seiner Website von „deutlichen Verzögerungen“ und „massiven Lieferengpässen“. Und selbst die Augsburger Kosmetikfirma Dr. Grandel ist betroffen, obwohl sie keine Fertigware aus China bezieht: „Wir entwerfen gerade unseren Adventskalender, wissen aber nicht, ob wir alle unsere Produkte dort hineinbekommen. Nach dem Einbruch in China kämpfen unsere europäischen Lieferanten mit der enorm gestiegenen Nachfrage. Was früher in drei Wochen kam, kommt jetzt in acht bis zehn Wochen. Oder gar nicht“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

    Der Autobauer Audi ist derzeit dabei, seine gesamte Logistikkette umzustrukturieren. Schon nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte der Konzern seine Fahrzeug- und Materialtransporte von und nach China über die Transsibirische Eisenbahn ausgesetzt – und dafür neben Lkw auf der sogenannten Südroute (über Kasachstan, Georgien und der Türkei nach Europa) ausgerechnet auf Containerschiffe gesetzt. „Wir prüfen aktuell, ob Transporte in naher Zukunft auch per Eisenbahn über die Südroute möglich sind“, sagt ein Unternehmenssprecher unserer Redaktion. Immerhin: Die zwischenzeitlich geschlossenen Werke in Foshan, Changchun und Anting bei Shanghai produzieren wieder – wenn auch in reduziertem Umfang.

    Ein Ende der Probleme ist nicht in Sicht

    Der Containerstau könnte die Verbraucher auch direkt treffen: Außenhandelsexpertin Lovell sagt: „Wir wissen aus Umfragen, dass ein Großteil der Firmen durchaus plant, Preissteigerungen weiterzugeben.“ Zumal sich die Lage wohl weiter verschärfen wird: Inzwischen stauen sich erste Schiffe schon vor dem Hamburger Hafen. Sechs Wochen braucht ein Frachter von Shanghai nach Europa.

    Die volle Wucht der stockenden Lieferketten wird Deutschland also erst noch treffen. Auch, weil ein Ende der No-Covid-Politik in China nicht in Sicht ist.

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