Der Tankrabatt ist des Finanzministers Kind. Ab Mittwoch soll der Liter Benzin um 35 Cent günstiger werden, Diesel um knapp 17 Cent. Doch Christian Lindner hat selbst Zweifel, ob die Auto- und Lkw-Fahrer dann tatsächlich weniger an den Tankstellen bezahlen. "Es wird einen Moment dauern, bis die gesenkte Energiesteuer an der Zapfsäule ankommt", sagt Lindner. Der Verzug hat technische Gründe. Die Tankstellen verkaufen jetzt den Kraftstoff, den sie zuvor zum bislang geltenden Steuersatz eingekauft haben. Weil die dreimonatige Ermäßigung erst zum 1. Juni greift, wird sie verzögert mit den neuen Lieferungen wirksam.
Wenn allerdings einige Faktoren zusammenkommen, könnte Lindners Tankrabatt vollständig verpuffen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat jüngst darauf hingewiesen. Werden am Mittwoch auf einen Schlag viel mehr Autos und Lkw betankt, dann steigt die Nachfrage sprunghaft. "Und das Benzin wird auf einmal ein noch kostbareres Gut, und dann haben wir den Preis gesenkt, aber in Wahrheit geht er nach oben", sagte der Grünen-Politiker den Fernsehsendern RTL und N-TV. Auch dieser Effekt, so er denn eintritt, wäre kurzfristig.
Vor dem Start des Tankrabatts zeigt der Ölpreis nach oben
Zwei weitere Faktoren könnten die geplante Entlastung zunichtemachen. Sie hängen mit dem Weltmarkt für Rohöl und dem Verhalten der Ölkonzerne zusammen. Die chinesische Führung hat allen Unternehmen nach dem harten Corona-Lockdown im Wirtschaftszentrum Shanghai gestattet, ab Mittwoch die Produktion wieder anzufahren. Wenn China mehr Öl verbraucht, lässt das den Preis steigen. Zudem ist der Markt von der Sorge bestimmt, dass die EU Russland doch noch mit einem Ölembargo überzieht. Das freie Angebot an Öl ginge dann wohl erst einmal zurück.
Doch selbst wenn der Ölpreis auf dem jetzigen Niveau verbleibt, ist der Tankrabatt nicht automatisch ein Erfolg. Die Ölkonzerne müssen den Abschlag nämlich an die Kunden weiterreichen. Wie Lindner selbst einräumt, sind sie aber nicht gezwungen, Einkaufs- und Verkaufspreise offenzulegen. Das lässt den Unternehmen einigen Spielraum und setzt sie dem Verdacht aus, einen Teil des Rabatts einzubehalten und die zuletzt üppigen Gewinne noch weiter nach oben zu treiben.
Das Kartellamt soll ihnen deshalb auf die Finger schauen und dafür mehr Rechte bekommen. Doch das dazu nötige Gesetz steckt noch in der Gesetzgebung fest. "Dass der Tankrabatt bei den Menschen ankommt, das ist nun Aufgabe von Kartellamt und Co", erklärt der Finanzminister.
"Kein grünes Herzensprojekt": Grüne halten wenig von Tankrabatt
Habecks Grüne halten wegen der vielen Unwägbarkeiten nichts von Lindners Projekt und haben ihm nur aus Koalitionsdisziplin zugestimmt. Sie stört auch, dass dadurch der Anreiz für das Umsteigen auf Bus und Bahn vermindert wird. "Die Senkung der Energiesteuer ist wenig überraschend kein grünes Herzensprojekt, als sozialpolitische Maßnahme sind die Kosten für den Bundeshaushalt aber noch vertretbar", sagte Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar unserer Redaktion. Wer wirklich sparen wolle, "der nimmt in den kommenden drei Monaten den ÖPNV". Denn ab Mittwoch ist Bus- und Bahnfahren dank des Neun-Euro-Tickets stark verbilligt.
Ablehnung erfährt der Tankrabatt aber nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei den Spediteuren. "Wir haben von Anfang an gesagt, das geht an unserer Branche vorbei", sagte der Chef des Bundesverbands Güterverkehr und Logistik (BGL), Dirk Engelhardt, unserer Redaktion. "Die 17 Cent bringen uns gar nichts". Angesichts von Preissteigerungen von einem Drittel binnen eines Jahres im Transportgewerbe verlangte Engelhardt gezielte Zuschüsse für die Fuhrunternehmer, wie sie der Staat während der Corona-Pandemie gewährte.
Keine Freude macht sich die wirtschaftsnahe Partei FDP mit dem Preisnachlass bei den Ökonomen. In der Frage herrscht Einigkeit unter den Experten. "Ein Trankrabatt ist weder verteilungspolitisch effektiv, da er unabhängig von der Bedürftigkeit entlastet, noch ist er unternehmens- beziehungsweise branchenpolitisch treffsicher und führt nur zu zusätzlichen Bürokratiekosten", sagte der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, unserer Redaktion. Gießkanneneffekte seien grundsätzlich schlecht. Für viel besser geeignet hält der Kölner Wirtschaftsprofessor gezielte Hilfen wie den Heizkostenzuschuss.