Das Verhältnis von Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Belarus-Machthaber Alexander Lukaschenko wirkt oft wie das alter Schulfreunde. In letzter Zeit zeigte sich Lukaschenko aber auch immer wieder aufmüpfig gegenüber seines Freundes. Beispielsweise am vergangenen Freitag in Moskau. Putin hatte sich für Lukaschenkos Besuch bedankt, der mit einem Grinsen antwortete: "Als hätte ich nicht zustimmen können."
Die Bemerkung des belarusischen Machthabers warf einmal mehr die Frage auf, wie groß seine Abhängigkeit von Putin und Russland ist und inwiefern ihm Moskau bereits konkrete Anweisungen gibt. In diesem Zuge sorgen nun geheime Dokumente aus dem Kreml für Aufsehen, welche einigen Medien vorliegen. Sie zeichnen ein klares Bild.
Russland will wohl Annexion von Belarus: Übernahme-Pläne aufgetaucht
Bei den Dokumenten soll es sich um ein 17-seitiges Strategiepapier aus dem russischen Präsidialamt handeln. Der Titel: "Strategische Ziele der Russischen Föderation in Belarus". Das Papier stammt offenbar aus dem Sommer 2021 und konnte von einer internationalen Recherchekooperation ausgewertet werden. Zu dieser gehören NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung, Yahoo News, Kyiv Independent, Delfi Estonia, Frontstory.pl, Expressen, VSQuare, Dossier Center und Belarusian Investigative Center.
Auf den 17 Seiten wird Russlands Plan einer schleichenden Annexion von Belarus deutlich. Dieser soll mit militärischen, wirtschaftlichen und politischen Mitteln verfolgt werden. In dem Papier ist detailliert zu lesen, wie Russland schrittweise Kontrolle über Belarus erlangen will.
Belarus als Unionsstaat: Russland hat bis 2030 ein klares Ziel
Das Endziel wird in dem Dokument auf das Jahr 2030 fesgelegt. Dann soll die Schaffung eines Unionsstaates gelungen sein. Die Annexion wäre perfekt. Das Vorhaben eines Unionsstaates existiert bereits seit dem Jahr 1999. Dieses war aber bislang immer als ein Zusammenschluss in beidseitigem Interesse kommuniziert worden. In dem Papier sind nun ganz klar die russischen Interessen dargelegt.
Belarus kann Russland dabei helfen, ein Bollwerk gegen die Nato aufzubauen. Die "Sicherstellung des vorherrschenden Einflusses der Russischen Föderation in den Bereichen Gesellschaft, Politik, Handel, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Kultur und Information" hat laut dem Strategiepapier einen hohen Stellenwert. Der Einfluss des Westens soll in der Region immer weiter zurückgedrängt werden. In Belarus sollen prorussische Eliten installiert werden, die Wirtschaft, Forschung und den Umgang mit der Zivilgesellschaft lenken.
Aus dem Dokument ist auch zu entnehmen, dass Russland die Militärpräsenz in Belarus ausbauen will. Ziel ist ein gemeinsames Kommandosystem über die Streitkräfte. Weitere Ziele Moskaus sind es, dass Frachtschiffe mit Waren aus oder für Belarus nur noch russische Häfen anfahren. Keine baltischen und polnischen mehr. Die belarusischen Kernkraftwerke sollen zudem in ein neues Stromnetz des Unionsstaates integriert werden. Es sollen russische Schulen und Universitäten gebaut werden und belarusische Kinder sollen in patriotische Zentren in Russland geschickt werden.