Während am Dienstag noch ein Meer von Plakaten zu sehen war, hielten Assanges Unterstützer am Mittwochmorgen wegen des anhaltenden Regens in London vor allem Regenschirme in den Händen. Die Forderungen der Demonstranten blieben jedoch dieselben: "Lasst Julian Assange frei" und "Keine Auslieferung" riefen sie vor dem historischen Gerichtsgebäude im Zentrum der britischen Metropole. Im Innern fand eine Anhörung von elementarer Bedeutung statt. Aktivisten, die sich für den Wikileaks-Gründer einsetzen, sprachen vom "Tag X" und vom "Anfang vom Ende" des Falls Julian Assange.
Ob die Richter den Rufen draußen Gehör schenken, ist weiter unklar. Am Ende der Anhörung am Mittwoch verkündeten diese, dass sie ihre Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt fällen würden. Das Gericht soll darüber befinden, ob der Wikileaks-Gründer in Großbritannien weitere Rechtsmittel gegen eine Auslieferung an die USA einlegen kann. Dabei kamen sowohl Assanges Anwälte als auch die US-Staatsanwälte zu Wort. Beide Seiten hätten nun Zeit, bis zum 4. März schriftliche Ergänzungen einzureichen, hieß es am Mittwoch. Assange war nicht bei Gericht vor Ort und blieb stattdessen in dem Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh – aus gesundheitlichen Gründen, wie es hieß.
Julian Assange drohen in den USA 175 Jahre Haft
Sollte es seinem Team nicht gelingen, die Richter zu überzeugen, könnte der 52-Jährige innerhalb von 28 Tagen an die USA ausgeliefert werden, wo ihm wegen Spionage und Computermissbrauch bis zu 175 Jahre Haft drohen. Der frühere Leiter der für Auslieferung zuständigen Abteilung des Crown Prosecution Service, Nick Vamos, sagte, US-Marshals könnten innerhalb weniger Tage in London eintreffen, wenn der Oberste Gerichtshof den Fall abweist.
Dann bliebe Assange nur der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dort werde sein Team sofort eine einstweilige Verfügung beantragen, versicherte seine Frau Stella Assange. Allerdings sei zu befürchten, dass die britische Regierung dies ignoriere. Dazu müsste Großbritannien jedoch gegen internationales Recht und seine Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. "Julian braucht seine Freiheit, und wir alle brauchen die Wahrheit", sagte Stella Assange.
Wikileaks-Gründer Assange verschaffte sich Informationen über den Krieg im Irak
Assange habe gegen Gesetze verstoßen, indem er sich gemeinsam mit der amerikanischen Whistleblowerin Chelsea Manning durch Computer-Hacking Zugang zu geheimen Informationen über Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan verschafft und diese dann veröffentlicht habe, legte die US-Staatsanwältin Clair Dobbin dar. Überdies habe er durch den Leak "wahllos und wissentlich die Namen von Personen veröffentlicht, die als Informanten für die USA fungierten" und diese damit in große Gefahr gebracht. Somit unterscheide er sich von Journalisten, und das sei die Grundlage für die Strafverfolgung. Zudem habe Assange durch die Leaks die Arbeit der Geheimdienste beeinträchtigt.
Dessen Verteidiger Ed Fitzgerald hatte am Dienstag seine Argumente gegen eine Strafverfolgung von Assange dargelegt. Demnach habe der 52-Jährige schwere Verbrechen aufgedeckt und werde wegen der üblichen journalistischen Praxis angeklagt, geheime Informationen zu beschaffen und zu veröffentlichen, "die sowohl wahr als auch von offensichtlichem und erheblichem öffentlichem Interesse sind". Unter den vor 14 Jahren veröffentlichten Informationen befand sich auch ein Video mit dem Titel "Collateral Murder". Es zeigt, wie amerikanische Soldaten bei einem Einsatz in Bagdad aus einem Kampfhubschrauber heraus Zivilisten töten, und warf ein kritisches Licht auf die US-Mission im Irak.
Assange sitzt seit fünf Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis
Um einer Auslieferung an die USA zu entgehen, hält sich Assange seit 2012 in Großbritannien auf. Seit fast fünf Jahren sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der Hauptstadt. Zuvor war er in der ecuadorianischen Botschaft in London untergekommen, bis er nach einem Machtwechsel in dem südamerikanischen Land aus dieser verwiesen wurde. Die Bilder von britischen Polizisten, die ihn damals festnahmen und aus der Botschaft trugen, gingen im Frühjahr 2019 um die Welt.
Neben einem Erfolg im juristischen Tauziehen erhofft sich Assange eine politische Lösung. Die australische Regierung setzt sich inzwischen für eine Freilassung ihres Staatsbürgers ein. Erst in der vergangenen Woche verabschiedete das australische Parlament einen Beschluss, in dem die USA und Großbritannien aufgerufen wurden, die Strafverfolgung Assanges zu beenden.