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Wie Hubertus Heil VW aus der Krise helfen will

Interview

Arbeitsminister Heil: „Die Union hat kein Konzept“

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    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will den strauchelnden Autobauer Volkswagen in der Bewährung nicht allein lassen. Kurzarbeit soll dem Unternehmen helfen.
    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will den strauchelnden Autobauer Volkswagen in der Bewährung nicht allein lassen. Kurzarbeit soll dem Unternehmen helfen. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Herr Heil, Sie waren zuletzt bei der Betriebsversammlung von Volkswagen, die Stimmung war aufgeheizt. Können alle VW-Jobs in Deutschland gerettet werden?

    Hubertus Heil: Volkswagen kann Autos produzieren, die auf den Märkten der Welt erfolgreich sind, daran habe ich keinen Zweifel. Worauf es jetzt ankommt, sind sozialpartnerschaftliche Lösungen zwischen Management und Gewerkschaft. Es geht darum, die VW-Standorte zu erhalten, betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern und die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu schultern. Unsere Aufgabe als Staat ist es, diese Lösung mit einer aktiven Wirtschafts- und Industriepolitik zu begleiten.

    Was können Sie als Minderheitsregierung dem Konzern und den Hunderttausenden Mitarbeitern überhaupt in Aussicht stellen? Wie wollen Sie helfen?

    Heil: Wir werden am nächsten Mittwoch im Kabinett per Verordnung beschließen, die Kurzarbeitsregeln zu verlängern. Es geht darum, Brücken zu bauen und Beschäftigung zu sichern. Und wir kämpfen gegen Zollschranken und für offene Märkte – nicht nur in Brüssel, sondern auch in Washington und Peking. Wir öffnen neue Märkte, wie es jetzt mit dem Handelsabkommen Mercosur gelungen ist. Dann müssen die Energiepreise runter. Wir wollen den Unternehmen daher einen Teil der Netzentgelte abnehmen, das haben wir im Kabinett beschlossen. Union und FDP betonen immer, dass sie die Wirtschaft stärken wollen. Hier bietet sich die Gelegenheit, mit uns im Bundestag eine konkrete Entlastung zu beschließen. Und zwar jetzt, unverzüglich. Ich sage es mal deutlich: Es wäre bescheuert, wenn wir in dieser Welt, in der Washington und Peking aktive Industriepolitik machen, in Deutschland und Europa tatenlos zugucken.

    Sie waren Arbeitsminister in mehreren Regierungen – war die Ampel die schlimmste?

    Heil: Die Bundesregierung hat Deutschland nach dem russischen Angriffskrieg sicher durch schwierige Zeiten geführt. Ich muss aber auch feststellen, dass die letzte Phase der Ampel-Koalition nicht gut war. Die Veröffentlichungen der letzten Tage haben ja deutlich gemacht, dass die FDP spätestens seit dem Sommer versucht hat, die Regierungsarbeit so zu sabotieren, dass sie an ein Ende kommt. Das finde ich unverantwortlich und deshalb ist es auch konsequent, dass es jetzt zu Neuwahlen kommt.

    Sind die Tage Deutschlands als Industriemacht mit gut bezahlten Arbeitsplätzen vorbei?

    Heil: Deutschland muss ein starkes Industrieland mit guten Arbeitsplätzen bleiben. Derzeit bläst uns als exportstarkes Land der Wind ins Gesicht. Deshalb setzen wir auf eine aktive Wirtschaftspolitik. Wir brauchen mehr Investitionen, und zwar nicht nur in Straßen, Schienen und Schulen, also staatliche Ausgaben, sondern auch Anreize für privatwirtschaftliche Investitionen. Der Kanzler hat vorgeschlagen, dass wir Investitionen in Anlagen und Maschinen steuerlich besserstellen. Das ist intelligenter, als allgemein für wohlhabende Menschen die Steuern zu senken. Da weiß man ja überhaupt nicht, wo das Geld dann am Ende landet. Wir wollen, dass es in Deutschland landet. Die Aufgabe von Arbeitsmarktpolitik ist, mitzuhelfen, für die Unternehmen in Zukunft die Arbeits- und Fachkräftebasis zu sichern.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck will Unternehmen mit hohen Summen für klimafreundliche Fabriken beglücken. Beim Batteriehersteller Northvolt hat er Millionen an Steuergeld versenkt. Ist der freie Markt vielleicht doch der bessere Investitionsratgeber?

    Heil: Anreize für die gezielte Ansiedlung von Zukunftsindustrien zu setzen, ist wichtig für unser Land. Wir haben damit auch große Erfolge, denken Sie zum Beispiel an die Chipproduktion in Dresden. Wenn andere Länder Anreize für Investitionen geben, dann wären wir schön doof, ihnen das Feld zu überlassen. Das gilt auch für die Batteriezellproduktion für E-Autos. Wenn wir die Autos der Zukunft bei uns mit Wertschöpfung haben wollen, dann können wir uns nicht einseitig abhängig machen von Batteriezellen allein aus China und Halbleitern aus Taiwan. Wer jetzt wie Friedrich Merz sagt, der Markt regelt das alleine, handelt furchtbar naiv. Der gefährdet den Wohlstand und die Arbeitsplätze in Deutschland auf lange Zeit. Deshalb ist es richtig, dass wir die industrielle Basis nicht nur bewahren, sondern vor allem auch erneuern.

    Wir merken, Sie sind im Wahlkampfmodus. Die SPD steht derzeit in den Umfragen zwischen 15 und 18 Prozent. Olaf Scholz sagt, er möchte Kanzler bleiben. Unsere Vorstellungen übersteigt das ein bisschen. Ihre auch?

    Heil: Es kann sein, dass einige Journalisten die Vorstellung, dass die SPD die Wahl gewinnt, schon bei der letzten Wahl überstiegen hat.

    Das sagt Herr Scholz auch immer…

    Heil: Ja, da hat er auch vollkommen recht. Natürlich kenne ich die Umfragen, aber am Ende entscheiden nicht Umfragen, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Es geht um ganz handfeste Richtungsentscheidungen für das Land. Wir haben gerade über Wirtschaftspolitik gesprochen. Das ist nicht Wahlkampf, sondern es ist die ganz entscheidende Frage: Auf welche Form von Wirtschaftspolitik setzt man in Zukunft? Auf eine aktive oder auf eine, die nur zuguckt? Die zweite wichtige Frage betrifft meinen Bereich, da geht es darum, was sind denn das für Arbeitsplätze, über die wir reden? Wie ist das mit Lohn- und Gehaltsentwicklung? Wie geht es mit dem Mindestlohn weiter? Setzt man sich für anständige Tariflöhne ein oder tut man das nicht?

    Wir ahnen, jetzt kommt das Thema Rente

    Heil: Richtig. Es geht bei dieser Wahl Ende Februar auch um soziale Sicherheit und stabile Renten. Beim Thema Alterssicherung und Rente gibt es fundamental unterschiedliche Ansätze zwischen SPD und CDU. Herr Merz sagt, er wird für ein sicheres Rentenniveau nicht garantieren. Das sollten die Wählerinnen und Wähler einmal wirken lassen, denn diese Frage wird schon ab 2026 relevant. Denn nur bis dahin ist das Rentenniveau festgeschrieben. Geschieht nichts, würden die, die in Rente gehen oder in Rente sind, an Kaufkraft gegenüber der arbeitenden Bevölkerung verlieren. Merz will auch höhere Abschläge für Menschen, die nach 45 Versicherungsjahren bisher abschlagsfrei in Rente gehen. Das nenne ich eine Rentenkürzung. Die Bürgerinnen und Bürger können bei dieser Wahl sehr, sehr klar unterscheiden, wem sie das Land anvertrauen. Jemanden, der Erfahrung hat und auch starke Nerven wie Olaf Scholz. Oder Friedrich Merz, der in seinem langen Leben noch keinen Tag, auf keiner Ebene, politische Regierungserfahrung getragen hat. 

    Der Wahlsieg ist ihr Ziel, schön und gut – aber wäre Boris Pistorius nicht der bessere Kandidat für die SPD gewesen?

    Heil: Wir haben uns klar entschieden. Und wir machen nicht die Fehler, die Herr Laschet und Herr Söder letztes Mal gemacht haben, wo in der Union bis zum Schluss nicht ganz klar war, wer der eigentliche Kanzlerkandidat ist. Zum Teil lässt sich das ja heute wieder beobachten. Die Erfahrung zeigt, dass die Frage, wie verlässlich Markus Söder ist, keine feste Größe ist.

    Ein Thema, bei dem Söder und Merz die SPD vor sich hertreiben wollen, ist das Bürgergeld. Eigentlich wollte die SPD damit ihr Hartz-IV-Trauma überwinden. Das hat nicht so recht geklappt. Friedrich Merz will es wieder abschaffen. Was antworten Sie ihm?

    Heil: Zunächst mal bin ich extrem verwundert. Denn Friedrich Merz persönlich hat, genau wie CDU und CSU, das Bürgergeld im Bundestag mitbeschlossen. Wir dürfen da keinen Popanz aufbauen. Wir sind uns alle einig, dass es wichtig ist, dass es eine Grundsicherung gibt für Menschen, die in Not geraten sind. Und es ist richtig, wo immer es geht, Menschen aus der Bedürftigkeit in Arbeit zu führen. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Das, was die Union da erzählt, ist dagegen viel Stimmung, wenig Ahnung und viel Meinung. Das ersetzt aber kein Konzept.

    CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will zum ursprünglichen Hartz-IV-Gesetz von Gerhard Schröder zurück. Er hält auch die Steigerung des Satzes um 25 Prozent binnen zwei Jahren für übertrieben. 

    Heil: Da sehen Sie genau, was ich sage. Die Union hat kein Konzept, sondern im Wesentlichen nur die Vorstellung, dass man das Ding umbenennt. Wir haben mit dem alten System erlebt, dass wir Langzeitarbeitslose nicht zureichend in Arbeit bringen konnten, weil zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Hier liegt der wesentliche Fortschritt des Bürgergelds. Wir fördern stärker, dass Menschen sich qualifizieren oder den Berufsabschluss nachholen, um sie dauerhaft in Arbeit zu bringen. Die Höhe des Bürgergelds entspricht einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Staat ein Existenzminimum garantieren muss. Nicht mehr und nicht weniger. Klar ist: Arbeit muss sich stärker lohnen, als nicht zu arbeiten – das ist auch so. Als SPD wollen wir aber, dass sich Arbeit mehr lohnt. Deshalb setzen wir auf die Senkung von Steuern von Menschen mit mittleren und unteren Einkommen, auf die Erhöhung des Mindestlohns und mehr ordentliche Tariflöhne.

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