Es ist ein scheinbar ewiger Konflikt, der auf deutschen Straßen ausgetragen wird. Alle Verkehrsteilnehmer, egal ob auf zwei oder vier Rädern, haben das Gefühl, vernachlässigt zu werden: weniger Parkplätze, engere Straßen und mehr Einschränkungen für Autos. Ähnliche Beschwerden kommen aus der Ecke der Fahrradfahrer und auch von denen, die beruflich mit ihrem Auto in die Innenstädte müssen. Erst kürzlich bezeichnete der Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl die Stadt München und die dortige Verkehrslage als „nicht mehr kalkulierbar“. Viele Kollegen trauen sich wegen der Staus und der hohen Kosten nicht mehr, in die Innenstadt zu fahren, sagte Peteranderl in einem Interview. Das müsste nicht so sein, sagt ein Mobilitätsexperte. In der „Innenstadt der Zukunft“ finde jeder Handwerker problemlos einen Parkplatz.
Neu angefeuert wurde die Debatte rund um den Verkehr in der Innenstadt von der FDP und dem kürzlich vorgestellten „Fahrplan Zukunft“. Nach Ansicht der Liberalen würden mehr grüne Ampeln und freie Parkplätze eine Innenstadt attraktiver machen. Konkret schlägt die FDP vor, dass Parken wieder kostenlos werden soll. Auch eine bundesweite Park-Flatrate nach dem Vorbild des Deutschland-Tickets sei denkbar. Außerdem plädiert sie für weniger Fahrradstraßen und Fußgängerzonen, um es mehr Leuten zu ermöglichen, mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Das belebe den Handel.
Die FDP will mit dem „Fahrplan Zukunft“ Innenstädte autofreundlicher machen
Mit dem von der FDP angesprochen Thema beschäftigt sich Harald Kipke schon länger. Kipke ist Mobilitätsforscher an der Technischen Hochschule in Nürnberg. Der wahre Grund für die Debatte sei, „dass der Online-Handel das Einkaufserlebnis, so wie es in den Innenstädten jahrzehntelang mal war, umkrempelt“. Das führe dazu, dass viele Produkte aus den Städten verschwinden. Kipke prognostiziert, dass sich Einkaufsmöglichkeiten in der Zukunft wohl eher über die Stadt verteilen werden – wenn überhaupt: „Wenn man sich alles liefern lässt, ist es eigentlich egal, ob das vom Zentrum, vom Stadtrand oder von ganz woanders kommt“.
Und damit zum nächsten Punkt: „Lieferdienste werden in der Zukunft eine viel größere Rolle spielen, als bisher“. Viele Städterinnen und Städter, so sagt es der Mobilitätsforscher voraus, werden sich ihre täglichen Einkäufe liefern lassen. „Für Gelegenheitseinkäufe wird es die Menschen weiterhin in die Fußgängerzonen ziehen. Aber die Funktion der Innenstadt als Bereich, in dem man gezielt einkaufen geht, ist bereits jetzt rückläufig und wird mit den Online-Angeboten zunehmend schwächer.“ Tendenz sinkend: „Ich glaube, wir werden in den Innenstädten weniger einkaufen und dafür wieder mehr wohnen und uns dort einfach nur treffen wollen, weil es eben schöner als im Rest der Stadt ist“, sagt Kipke.
Der Mobilitätsforscher prognostiziert weniger Einkaufsmöglichkeiten in Innenstädten
Was schon zum nächsten Problem führt. Denn mehr wohnen heißt auch mehr Menschen, ergo mehr Autos, oder? „Nicht ganz“, sagt Kipke. In der Stadt der Zukunft seien die Wege kurz- „Gerade deshalb müssen Anreize geschaffen werden, das Auto stehenzulassen und auf das Fahrrad umzusteigen oder zu Fuß zu gehen“, erklärt der Forscher. Um Lösungen für die Parkplatz-Not in deutschen Großstädten zu finden, blickt Kipke gerne in die Nachbarländer.
In Wien gebe es beispielsweise keine Probleme, weil das Parken Geld koste. „Die gezielte Parkraumbewirtschaftung sorgt dort dafür, dass immer mindestens 15 Prozent der Parkplätze frei bleiben. Dann findet jeder, der das Auto benötigt, auch einen Parkplatz in der Nähe seines Ziels und es entsteht kein Parksuchverkehr“, sagt Kipke. Mit Parkraumbewirtschaftung ist gemeint, dass die Stadt Wien die Preise fürs Parken erhöht habe. „Gerade in deutschen Klein- und Mittelstädten kostet das Parken am Straßenrand nur selten etwas“, schildert der Mobilitätsforscher. Das sei auch ein Grund für die Unbeliebtheit von Parkhäusern in den Innenstädten: „Solange das Parken im Parkhaus teurer ist, als am Straßenrand, werden die Leute es nicht nutzen.“
Die gezielte Parkraumbewirtschaftung würde auch bedeuten, dass diese 15 Prozent freien Parkplätze unter anderem Handwerkern oder den Leuten zur Verfügung stehen, deren Job es voraussetzt, mit dem Auto in die Innenstadt bis vor die Haustür zu fahren. Die würden, wie es in Wien bereits der Fall ist, eigene Parkberechtigungen für die Innenstadt bekommen – für einen Bruchteil des normalen Preises. „Eine für potenzielle Kunden attraktive Innenstadt entsteht nur, wenn in der Stadt das Parken teurer wird“, sagt Kipke. Ob das sich so schnell durchsetzen wird, stellt der Mobilitätsexperte infrage: „Weil deutsche Innenstädte jahrzehntelang autogerecht gestaltetet wurden, wird es lange dauern, bis die Autofahrer Parkgebühren überhaupt akzeptieren werden.“
Leider hat Herr Kipke den entscheidenden Punkt in seiner Betrachtung vergessen: die Inflexibilität der kommunalen Behörden und ihrer Vertreter. Wenn solch entsprechende Maßnahmen analog Wien umgesetzt werden sollten, so dürfte es hierzu erst einen jahrzehntelangen Disput geben. Von nicht getroffenen Maßnahmen ganz abgesehen. Und vor allen Dingen wird für Augsburg nicht berücksichtigt, dass es in Wien eine hervorragende öffentliche innerstädtische Verkehrsanbindung mit extremer Zuverlässigkeit gibt.
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