Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Wie die EU internationale Katastrophen mit Notfallteams bekämpft

Krisenzentrum

Wie die EU-Feuerwehr gegen Brandkatastrophen kämpft

    • |
    • |
    Waldbrände richteten vergangenes Jahr in Griechenland verheerende Schäden an.
    Waldbrände richteten vergangenes Jahr in Griechenland verheerende Schäden an. Foto: Marios Lolos/XinHua, dpa

    Allein der Name „Situation Room“ klingt nach Katastrophen à la Hollywood. Und ein bisschen sieht es in dem Raum auch aus wie in den einschlägigen Actionfilmen. Unter vier Fernsehbildschirmen, auf denen die großen Nachrichtensender aus aller Welt laufen, hängen vier riesige digitale Karten mit aktuellen Satellitenbildern und Frühwarnsystemen an der Wand. Sie verraten die Wasserstandspegel von Flüssen in Europa, die Temperatur oder Trockenheit von bestimmten Landstrichen, starke Erschütterungen im Boden.

    Mitten im Brüsseler Europaviertel ist das Waldbrand-Krisenzentrum

    Auf der Satellitenkarte vom Mittelmeer sind an diesem Mittag Kroatien und Teile Italiens rot eingefärbt, Bulgarien leuchtet ebenfalls in Alarm-Farbe. In den Regionen hat es lange nicht geregnet, es ist extrem heiß, trocken – und gefährlich. In Bulgarien breiteten sich gerade erst bei 40 Grad Wald- und Flächenbrände so dramatisch aus, dass im „Situation Room“ das Telefon klingelte. Der Balkanstaat löste den EU-Zivilschutzmechanismus aus. 

    Hier im ERCC, dem Zentrum zur Koordination für Notfallmaßnahmen, inmitten des Brüsseler Europaviertels, laufen die Fäden zusammen, wenn es irgendwo brennt – buchstäblich. Analysten, Wissenschaftler und Experten überwachen rund um die Uhr die Wetter- und Katastrophenlage weltweit, werten Daten aus und organisieren Hilfe, falls ein Staat darum bittet. Was braucht Bulgarien? Und welcher EU-Partner kann in welcher Form Unterstützung leisten? In diesem Fall schickte Tschechien Löschhubschrauber und Feuerwehrleute, mittlerweile sind die Brände unter Kontrolle. „Doch die Saison hat gerade erst begonnen“, sagt Balazs Ujvari, Sprecher in der EU-Kommission.

    Die Klimakrise führt zu immer mehr verheerenden Waldbränden

    2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, weltweit lag die Messung erstmals fast 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt – der Grenze in der Klimakrise, die die Staaten dieser Erde einst versprochen hatten, nicht überschreiten zu wollen. Die Folgen werden immer spürbarer.

    Flammen lodern im vergangenen Jahr auf einem Hügel auf Rhodos.
    Flammen lodern im vergangenen Jahr auf einem Hügel auf Rhodos. Foto: Petros Giannakouris/AP, dpa

    So verheerende Waldbrände wie nie wüteten 2023 beispielsweise in Griechenland, unter anderem auf der Ferieninsel Rhodos, wo auch die Löschflugzeuge der europäischen Flotte „RescEU“ im Dauereinsatz waren. In diesem Jahr besteht sie aus 28 Fliegern und vier Hubschraubern aus Deutschland und neun weiteren Mitgliedstaaten zur Brandbekämpfungsreserve. 556 Feuerwehrleute sind zudem in Regionen mit hohem Risiko in Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien auf Standby, um die lokalen Einsatzkräfte im Notfall schnell unterstützen zu können. 

    Löschflugzeuge der Flotte „RescEU“ helfen in ganz Europa

    Die Brüsseler Behörde plant, die Flotte dauerhaft einzurichten. Demnach will sie bis 2030 zwölf Flugzeuge in sechs Mitgliedstaaten zur Verfügung haben, direkt der EU unterstellt. Die Kosten belaufen sich auf 600 Millionen Euro. Doch der geschätzte wirtschaftliche Schaden der Brände fällt mit rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr deutlich höher aus.

    Seit 2019 sei in Mittel- und Nordeuropa „ein deutlicher Anstieg sowohl der jährlich verbrannten Fläche als auch der Zahl der Brände zu verzeichnen“, sagt Ujvari. 2023 zerstörten die Flammen in Europa rund eine halbe Million Hektar Land, das entspricht zwei Mal der Größe des Saarlands. Der Klimawandel habe die Bedingungen, die zu extremer Hitze, Dürre, Waldbränden und heftigen Wetterereignissen führen, verstärkt, so der EU-Beamte. Durch die globale Erderwärmung werden sich die Verhältnisse noch verschlechtern. Deutschland wurde 2022 bei der Bekämpfung des Waldbrands im Harz von zwei italienischen Löschflugzeugen unterstützt. Aber im ERCC geht es nicht nur um Feuerkatastrophen. Auch beim Flutdesaster im Ahrtal 2021 koordinierte das Krisenzentrum zusätzliche Hilfen, organisierte etwa Rettungsteams, Boote und Wasserpumpen von EU-Partnern. Der 2001 geschaffene Mechanismus kann von jedem Land, auch außerhalb der Gemeinschaft, aktiviert werden, sollten die nationalen Kapazitäten nicht ausreichen. 

    Auch in Kanada war die EU-Feuerwehr schon im Einsatz

    So schickte die EU Hilfe in den Libanon nach der Explosion im Hafen von Beirut 2020, sorgte während der Corona-Pandemie für die Verteilung von Masken, organisierte Notstromaggregate für Flüchtlinge aus der Ukraine und sandte vergangenes Jahr Feuerwehrleute nach Kanada zur Bekämpfung von Waldbränden. Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien Anfang 2023 wurden im Krisenzentrum Zelte, Betten und Notunterkünfte von Mitgliedstaaten mobilisiert. Als damals in Brüssel mitten in der Nacht die Alarmsysteme losgingen, die das Erdbeben registrierten, dauerte es drei Stunden, bis der Hilferuf einging. Wenig später waren schon die ersten Einsatzkräfte unterwegs.

    Man habe immer mehrere Katastrophen gleichzeitig im Blick, sagt eine Mitarbeiterin und deutet auf die sechs Uhren, die zwischen den Riesenbildschirmen an der Wand hängen und die Zeit in einigen der größten Krisenherden dieser Welt anzeigen. Kiew: 15.17 Uhr. Gaza: 15.17 Uhr. Kingston: 8.17 Uhr... Einmal, so erinnert sich die EU-Beamtin, seien an einem Tag gleich von zwei EU-Ländern Hilfe angefordert worden: Zypern kämpfte mit Bränden, Slowenien mit einer Flut. Sinnbild für die Folgen der Klimakrise. Gleichwohl, so betont Kommissionssprecher Ujvari, hätten die Flammen 2023 weniger Land zerstört als die Jahre zuvor – aus einem für ihn simplen Grund: „Wir sind besser vorbereitet.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden