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Kommentar: So ruiniert die verpatzte Energiewende Deutschland

Kommentar

Teure Fehler, unsichere Zukunft – die Energiewende muss nach der Wahl korrigiert werden

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    Sieht so die Zukunft der Energieversorgung aus? Bei der Energiewende leistet sich Deutschland grobe Patzer, die mittlerweile Wirtschaft und Versorgungssicherheit bedrohen.
    Sieht so die Zukunft der Energieversorgung aus? Bei der Energiewende leistet sich Deutschland grobe Patzer, die mittlerweile Wirtschaft und Versorgungssicherheit bedrohen. Foto: Jan Woitas, dpa

    Dass die deutsche Industrie in die Knie geht, hat nicht nur, aber doch auch mit der Energiepolitik Made in Germany zu tun. Stand das Label einst für Verlässlichkeit, Langlebigkeit und Qualität, steht die Energiewende für das Gegenteil: Sprunghaftigkeit, Pfusch und Widersprüchlichkeit.

    Weil Russland keine günstige Energie mehr liefert oder Deutschland auf den Import verzichtet, schlagen jetzt die Fehler der Energiepolitik voll auf die Wirtschaft durch. Einige Beispiele: Deutschland steigt gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohle als Energieträger aus. Das schnelle Ende der Kernkraftwerke folgte nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima einer Angstreaktion der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel, die bei vielen Gelegenheiten als die nüchterne Physikerin gelobt wurde. Nur ein Jahr davor hatte die CDU-Politikerin den Kernkraftwerken noch eine Laufzeitverlängerung spendiert. Nun liegt Deutschland weder in einer Erdbebenzone noch in einem vulkanischen Feuergürtel wie das Land der aufgehenden Sonne. Dennoch zog Merkel unter dem Beifall der Schwesterpartei CSU den Ausstieg durch, schließlich standen Landtagswahlen vor der Tür.

    Die energiepolitische Geisterfahrt der CSU

    Einer der seinerzeit am lautesten nach dem Ende der Meiler rief, war der heutige CSU-Vorsitzende Markus Söder, der heute die nun abgeschalteten Reaktoren wieder anwerfen will. Gleichzeitig sorgten die Christsozialen aus Furcht vor bayerischen Bürgerinitiativen dafür, dass die Stromautobahnen von Norddeutschland in den Süden unter der Erde verlegt werden. Die Folge: Verzögerungen um viele Jahre und exorbitant steigende Kosten. 

    Die Entscheidung steht symptomatisch für die Energiewende, die an wechselnden Parteiinteressen ausgerichtet wurde und nicht verlässlich auf die lange Sicht plant. Dann wäre in Berlin auch kein Kohleausstieg im Jahr 2030 beschlossen worden, ohne für Ersatz an entsprechenden Gaskraftwerken zu sorgen. Wirtschaftsminister Robert Habecks (Grüne) Kraftwerkstrategie ist in der Energiebranche durchgefallen und hat wegen der weggebrochenen Ampel-Mehrheit ohnehin keine Chance mehr, durch den Bundestag zu kommen. Deutschland droht dann in fünf, sechs Jahren der nächste energiepolitische Offenbarungseid.

    Weil Ersatzkraftwerke fehlen, werden die Behörden die Energiekonzerne zwingen, alte, klimaschädliche Kohlekraftwerke am Netz zu lassen. In der Zwischenzeit erfreut man sich hierzulande an Kinkerlitzchen wie Balkonkraftwerken und hofft damit, Verbrauchern das Gefühl zu geben, an der Rettung des Planeten beteiligt zu sein. Dieselben Verbraucher zahlen an anderer Stelle die Zeche über die rapide kletternden Netzentgelte. Denn für die Energiewende zum Selberbasteln mit Solaranlage auf dem Dach und Ladestation in der Garage müssen die Netze schwer verstärkt werden. Die Investitionskosten legen die Unternehmen auf die Stromrechnung um.

    Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

    Die Netze müssten für die Aufgabe des stetigen Wechsels zwischen Verbrauch und Einspeisung intelligent werden, doch der Einbau der smarten Stromzähler geht noch langsamer voran als die Verlegung der Erdkabel. Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten.

    Die nächste Bundesregierung hat drei dringende Aufgaben. Die Wirtschaft muss von den Netzgebühren befreit werden. Das dafür nötige Geld sollte aus dem Haushalt bereitgestellt werden, notfalls auf Kredit. Habecks Kraftwerksstrategie muss noch einmal angefasst und in der Gesetzgebung praktikabel gemacht werden. Der Zubau der erneuerbaren Energien muss auf Windkraft an Land, auf See und größeren Photovoltaik-Kraftwerken konzentriert werden.

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    13 Kommentare
    Klara Rasper

    Ihre Traenen ueber das "schnelle Ende" der AKWs sind Unsinn. Erstens war das ein Prozess ueber 10 Jahre. Zweitens steht die Wirtschaft in Frankreich mit seinen AKWs nicht besser da. Bezahlbarer Strom wird dort durch massive Subvention erreicht. Das Maerchen vom billigen Atomstrom verdreht die Tatsachen. Strom aus AKWs ist naemlich der teuerste. Wenn Atomstrom bilig verkauft wird, dann bezahlt jemand anders, nicht der Verbraucher.

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    Lothar Bock

    Das ist so nicht richtig. Am günstigsten sind die Gestehungskosten bei im Betrieb befindlichen AKWs (also kein Neubau). Auch wenn Wind und Sonne keine Rechnung schicken, sorgt deren Ausbau für immer höhere Systemkosten, wegen Ausbau des Netzes, Vorhalten von Reservekraftwerken und den - im großen Stil - noch nicht vorhandene Speicherkapazität. Ja, der Atomzug ist in Deutschland abgefahren, aber auch so ist die Energiewende in Deutschland gescheitert. Will nur keiner in entsprechenden Positionen äußern.

    Klemens Hain

    Dieser Kommentar ist sehr gut, eine tolle Antwort!! Frau Rasper sehr gut erkannt auch Frankreichs AKWs gegenüber. Die Geisterfahrt der CDU/CSU war dem Atomkraftwerke ein großer Fehler man hätte damals schon auf Erneuerbaren Energien setzen müssen nach dem Einstig und wieder Ausstieg. Soviel noch zu Frau Merkel als Kanzlerin und Physikerin. Ich finde eine Zukunft und Erneuerung kostet für alle leider viel Geld, aber die Unabhängigkeit sollte es wert sein, zumal der Vorgängerregierung viel billig Geld zur Verfügung gestanden hat und nichts daraus gemacht für die Zukunft Deutschland.

    Wolfgang Steger

    Stimmt mal wieder nicht, Herr Bock. Schauen Sie sich auf Statista die Rangliste der Gesstehungskosten Energie an. Windkraft ist um die Hälfte billiger. Bei Atomkraft ist außerdem unklar , wie teuer die Abwicklung eines Kraftwerks ist und was die Lagerung des Atomabfalls kostet.

    Maria Reichenauer

    Herr Bock, rechnen Sie mal alles zusammen, was zum reibungslosen Betrieb eines AKW gehört: Instandhaltung, Sicherheit, Brennstäbe, Transport der Brennstäbe, Abhängigkeiten durch Uranimport, Lagerung des Mülls, Endlagersuche, Rückbau nach Ende der Betriebserlaubnis – da kann einem schon schwindlig werden. Da nehme ich die Rechnug für Wind, Sonne und neue Netze gerne in Kauf. Wenn man nur zurückschaut und nicht die Zukunft sieht, dann passiert in Sachen Energiewende nie etwas. Aber die Entwicklung in Sachen Erneuerbare schreitet voran, nur die Verlierer schauen zurück.

    Maria Reichenauer

    Ich gebe Ihnen vollkommen recht, Herr Hain! Dass Lindner sich quergestellt hat bei der Finanzierung der industriellen Transformation, war ein großer Fehler. Die Industrie braucht JETZT eine Anschubfinanzierung für die nächsten Jahre, kein Zurück zur Kernkraft und kein Ausstieg aus der Energiewende. Sonst wird das nie was. Und - Herr Grimm – eine Solaranlage auf dem Dach ist kein Kinkerlitzchen, sondern ein Gewinn für die Umwelt und den eigenen Geldbeutel. Und es ist ein erster Schritt, mit dem man bekanntlich anfangen muss.

    Wolfgang Leonhard

    Herr Bock, natürlich ist Atomstrom billig, wenn nur der Brennstoff und die sonstigen operativen Kosten eingerechnet werden. Leider fallen diese Kraftwerke aber nicht vom Himmel und sie verschwinden auch samt des produzierten Atommülls nicht wieder dorthin. Die hohen Staatsschulden Frankreichs haben nicht zuletzt mit den dortigen hoch subventionierten Strompreisen zu tun, denn auch Milchmädchenrechnungen wie die Ihrige müssen am Ende bezahlt werden.

    Lothar Bock

    Deshalb schrieb ich von im Betrieb befindlichen Anlagen und keine Neuanlage, bei der die Gestehungskosten deutlich höher liegen würden. Die Internationale Energieagentur www.iae.org hat die (Voll-)Kosten der Stromproduktion in einem Bericht von 2020 so angegeben: ca. 3 Cent pro kWh bei einer AKW Verlängerung ca. 5 Cent pro kWh bei einem AKW Neubau ca. 6 bis 7 Cent pro kWh onshore Windkraft und Photovoltaik ca. 13 bis 17 Cent pro kWh bei Erdgas und Kohle

    Wolfgang Steger

    Herr Lothar Bock, abgesehen davon, dass die Studie 4 Jahre alt ist, dürfte auch Ihnen bekannt sein, dass die Agentur nicht unabhängig ist, sondern atomfreundlich. Wie zu Corona Zeiten zaubern Sie wieder eine nicht unabhängige Studie aus dem Hut, die Ihre falschen Behauptungen belegen soll.

    Maria Reichenauer

    Nicht die Energiewende muss korrigiert werden, sondern die Industrie muss sich auf neue Technologien einstellen und die Politik muss dies durch Förderun möglich machen. Alles andere ist Rückschritt. Nicht die Energiewende ist das Problem, sondern diejenigen, die nur der Atomkraft nachweinen und jedes Windrad madig machen, das neu gebaut wird. Dass die deutsche Industrie unter den Energiekosten leidet, ist EIN Faktor, aber sicher nicht der einzige. Die Weltwirtschaft, fehlende Leistungsbereitschaft, fehlende Fachkräften und die Bürokratie bremsen. Jetzt wieder den Stiefel mit Fukushima auszupacken ist Unsinn. Der Atomausstieg war perfekt ausverhandelt. Industrie und Politik konnten sich darauf einstellen. Leider hat Merkel einigen Lobbyisten nachgegeben und zu spät realisiert, dass selbst eine Hochtechnologie-Nation machtlos gegen Radioaktivität ist. Mit Habeck wurde mehr erreicht als die Jahre vorher. Daran muss man anknüpfen, nicht wieder die Rolle rückwärts machen.

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    Lothar Bock

    "Mit Habeck wurde mehr erreicht, als die Jahre vorher." Ja, mit einem Wirtschaftsminister Habeck rutschte Deutschland auf ein Nullwachstum bzw. wir schrammen an einer Rezession - während in anderen Ländern doch ein mehr oder weniger deutliches Wachstum vorhanden ist. Vielleicht hat aber ein Herr Habeck seinen Job nicht verstanden. Das ist natürlich nicht alles Habecks Schuld und hat z. T. mit Entwicklungen zu tun, die auch die Vorgängerregierungen mit zu verantworten haben (insbesondere die GroKo war dahingehend nicht förderlich - verstehe gar nicht, dass einige sich diese Konstellation wieder zurückwünschen).

    Maria Reichenauer

    Andere Länder haben auch ordentlich Geld in die Hand genommen, um die Wirtschaft zu subventionieren bzw. um notwendige Infrastruktur zu finanzieren. Lindner hat sich stets quergestellt, obwohl Deutschland sich eine höhere Verschuldung gut leisten könnte. Und obwohl mehr Investitionen notwendig gewesen wären, um die Energiegewinnung auf bessere und sicherere Beine zustellen.

    Dirk Thum

    Warten wir mal ab, wie der energiepolitische Offenbarungseid den wirklich aussieht. Die Dynamik beim Ausbau der Erneuerbaren ist dank der Entbürokratisierung unter Habeck so richtig in Fahrt gekommen. Vieles, was beschlossen wurde, entfaltet seine Wirkung erst noch. Dazu kommen unerwartete Effekte wie der Batterie-Tsunami: 161GWh Großspeicher wurden bei der Netzagentur angemeldet. Das ist Faktor 100 zu den heute installierten Speichern. Der weltweite Zubau von Stromerzeugung ist erneuerbar, die Großspeicher wachsen gerade exponentiell während der Anteil der Kernkraft seit Jahren stetig sinkt. Insofern ist Deutschland auf dem richtigen Weg. Gibts Verbesserungsbedarf? Sicherlich. Wir sind aber weit davon weg, dass die Energiewende gescheitert ist oder scheitern wird. So eine Transformation verläuft selten linear und reibungsfrei. Lt. EnBW-Chef ist der Strompreis heute so hoch wie vor 5 Jahren. Wenn Firmen damals Gewinn machten und heute nicht, dann liegt es wohl kaum am Strompreis.

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