Im Hubschrauber schwebt der ukrainische Präsident im Kanzleramt ein. Mild bescheint die Herbstsonne den Garten, Olaf Scholz empfängt den „lieben Wolodymyr“ herzlich. Selenskyj trägt wie immer den olivgrünen Pullover des Kriegspräsidenten. Ginge es nicht um Kämpfe und tausendfachen Tod, könnte der Eindruck eines herzlichen Freundschaftsbesuchs entstehen.
Selenskyj ist ein Ersatzgast, eigentlich wollte Scholz an diesem Tag mit US-Präsident Joe Biden die großen Linien der Weltpolitik bereden, Staatsbankett und Gang durch das Brandenburger Tor inklusive. Es wären gute Bilder für den Kanzler gewesen. Scholz der Staatsmann an der Seite des mächtigsten Politikers der Welt. Die beiden Männer – Joe und Olaf – mögen sich. Es wäre dabei natürlich auch um die Ukraine gegangen, um den Fortgang des Krieges, Waffenlieferungen und Finanzhilfe.
Direkt nach der Landung sagt Scholz der Ukraine dann zusätzliches Kriegsgerät zu
All das bespricht der Kanzler stattdessen mit dem ukrainischen Präsidenten, der natürlich der eigentlich Betroffene von Putins Eroberungsstreben ist, aber eben nicht über die Machtfülle Bidens verfügt. Ob die Ukraine den russischen Truppen weiter standhalten kann, wird vor allen Dingen in Washington entschieden. Doch Deutschlands Rolle ist nicht klein, die Bundesrepublik ist Kiews Unterstützer Nummer 2. Direkt nach der Landung sagt Scholz der Ukraine dann zusätzliches Kriegsgerät zu.
Bis zum Jahresende will eine Gruppe westlicher Partner Panzer, geschützte Fahrzeuge, Radartechnik, Fliegerabwehr und Artilleriegranaten zur Verfügung stellen. Scholz beziffert den Wert der Waffen auf 1,4 Milliarden Euro. „Erstens, die Ukraine kann sich auf uns verlassen. Zweitens ist es eine klare Botschaft an Putin: Ein Spiel auf Zeit wird nicht funktionieren“, sagt der SPD-Mann. Im ersten Kriegsjahr war das Verhältnis zwischen ihm und Selenskyj noch angespannt, weil Deutschland in seinen Augen zu sehr nach Moskau geschaut hat. Mittlerweile verbindet beide ein großes Vertrauen, obwohl Scholz trotz russischer Erfolge an der Front nach wie vor keine schlagkräftigen und vor allem weitreichenden Raketen des Typs Taurus liefern will. Und dabei bleibt es. In seiner kurzen, öffentlichen Begrüßung verliert Scholz dazu kein Wort, Nachfragen der Presse sind nicht vorgesehen.
Die USA, Großbritannien und Frankreich haben dagegen Raketen mit einer Reichweite bis 300 Kilometern geliefert. Ihr Einsatz gegen Ziele in Russland wird noch diskutiert. „Die Taurus-Raketen sind kein Thema“, sagte ein hoher Regierungsvertreter, der in die Außenpolitik eng eingebunden ist, vor wenigen Tagen. Scholz bleibt in dieser Frage eng bei Biden. Beide teilen die Sorge, dass sich der Ukraine-Krieg zu einem dritten Weltkrieg ausweiten könnte, wenn Russland durch die westliche Waffenhilfe zu stark unter Druck geraten sollte und Putin den Einsatz seiner Atombomben womöglich als letzte Option sieht. Deshalb erhält die Ukraine weiter Kriegsgerät aus den Nato-Ländern, aber nicht in dem Umfang, den Militärexperten für erforderlich halten, um die Truppen des Kremls zurückzudrängen. An der Front geraten die Verteidiger deshalb immer stärker in die Defensive und die Frage stellt sich lauter, wie lange sie der Invasion noch standhalten können.
Russland rennt an
Die Situation an der Ostgrenze hat sich in den vergangenen Wochen für die ukrainische Armee merklich zugespitzt. Russische Truppen setzen nach Kiewer Militärangaben ihre Offensive mit großer Wucht fort. Bis Freitagnachmittag zählte der ukrainische Generalstab fast 80 Sturmangriffe des Gegners. Der Schwerpunkt der Angriffe richte sich weiter gegen die Städte Pokrowsk und Kurachiwe. Die Zahlen des Militärs sind nicht im Detail überprüfbar, lassen aber einen Rückschluss auf die Intensität der Gefechte zu.
Nicht nur militärisch, auch diplomatisch verschieben sich die Gewichte. In den zurückliegenden Tagen hat sich die Tonalität merklich geändert. Es wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand von Waffenstillstand und Frieden gesprochen, sondern öffentlich. Den Anfang machte vor einer Woche Ex-Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der Norweger ist noch gut im Stoff, hat sein Amt erst am 1. Oktober an seinen Nachfolger abgegeben. In einem Interview mit der Financial Times sprach er ausführlich über den Ukrainekrieg. Auf die Frage nach einem möglichen Kriegsende griff er zu einem historischen Vergleich. „Finnland hat 1939 einen mutigen Krieg gegen die Sowjetunion geführt. Sie haben der Roten Armee viel größere Kosten aufgebürdet als erwartet. Der Krieg endete damit, dass sie 10 Prozent des Territoriums aufgaben. Aber sie bekamen eine sichere Grenze“, meinte Stoltenberg.
Selenskyj in Berlin: „Das verlangen wir: Einen gerechten Frieden für die Ukraine, einen Sieg für uns“
Die Formel, die derzeit diskutiert wird, lautet also Land gegen Frieden. Die Ukraine würde heute von Russland besetzte Gebiete im Donbas aufgeben, im Gegenzug schwiegen die Waffen. Zentral für diesen Ansatz ist die ungelöste Gleichung der Sicherheitsgarantien. Die Ukraine benötigt robuste Beistandszusagen des Westens, um einerseits das hohe Opfer der aufgegebenen Territorien begründen zu können und andererseits sicher zu sein, in wenigen Jahren nicht wieder ein Opfer Putins zu werden. Als ein Vorbild gelten die Sicherheitsgarantien Amerikas für Japan.
Die italienische Zeitung Corriere della Sera hatte berichtet, dass Selenskyj zu einem Waffenstillstand an der aktuellen Frontlinie bereit sei. Der Bericht wurde von einem Berater des Präsidenten dementiert. Auch Selenskyj persönlich hört sich in Berlin anders an: „Das verlangen wir: Einen gerechten Frieden für die Ukraine, einen Sieg für uns.“ Er hat einen eigenen Friedensplan im Gepäck, der aber eine Niederlage Russlands zur Bedingung hat. Das Frontgeschehen, der bevorstehende Winter, die von Russland zerstörten Kraftwerke sprechen derzeit eher für die Finnland-Variante.
Den Druck auf die Ukraine kann der Westen erhöhen - bleibt der Blick nach Russland. Dort stellte Außenminister Sergej Lawrow erneut unmissverständlich klar. „Die Ukraine muss wieder zu ihrem neutralen, block- und kernwaffenfreien Status zurückkehren“, so der Minister. Anders ausgedrückt: Westliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine oder gar deren Beitritt zur Nato würde der Kreml nicht akzeptieren.
Die deutsche Politik macht es sich zu einfach! Mit Absicht zu wenig liefern kann man das mittlerweile wohl nennen! Das gefährdet unser aller Sicherheit! Aber die Leute scheinen immer noch nicht zu begreifen was für einen BRUTALEN KRIEG der russische Diktator und seine ekelhafen Buddys aus Iran, Nordkorea und China vom Zaun gebrochen haben..... und das dieser, wenn Sie nicht bald aufwachen auch bei uns vor der Haustüre stattfinden wird. Noch nicht heute, noch nicht morgen aber in 1 oder 2 Jahren wenn wir so weiter machen mit ignorieren und Kopf in den Sand stecken.....
Es hilft nicht weiter, wenn sich der Westen insb die eurp. Staaten ständig auf das Völkerrecht, Menschenrechte usw im Krieg um die UA bezieht und einen Sieg der UA im Sinne Kiews herbeireden will. Letztlich werden Entscheidungen auf der Ebene Washington- Moskau getroffen werden. Mehr als kleine Achtungserfolge der UA kann man angesichts der Frontlage nicht mehr erwarten. Es fehlt der UA neben Materialeinschränkungen zunehmend an Personal . Das große Ziel Ru eine vernichtende Niederlage zuzufügen ist zu risikobehaftet. Und schliesslich ist unsere Sicherheit durch Moskau nicht gefährdet trotz allem Kriegsgeschrei. In Kursk zieht man derzeit wie die Bewegungsfreiheit der UA Armee wird zunehmend eingeschränkt trotz gegenteiliger Meldungen aus Kiew ( Bezug ISW Frontmap mit täglichen Updates).
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