„Die Deutsche Bahn befindet sich in der größten Krise seit 30 Jahren.“ Das ist ein Satz, der aufhorchen lässt. Er stammt nicht von einem Kritiker des geplagten Schienenkonzerns, sondern von dessen Chef höchstselbst. Richard Lutz hat ihn am Donnerstag bei der Vorlage der Bilanz für 2024 ausgesprochen. Er steht seit 2017 an der Spitze des Unternehmens, trägt als Vorstandsvorsitzender Verantwortung. Lutz will trotzdem weitermachen, daran ließ er an diesem Tag keinen Zweifel. „Ich bin angetreten, diese Krise zu überwinden“, betonte der 60-Jährige. Der Job mache ihm nach wie vor Spaß. Mit zwei Millionen Euro verdiente er nahezu doppelt so viel wie im Vorjahr.
Die Fachpolitiker von Union und SPD haben ihn während der Koalitionsverhandlungen angezählt, fordern „personelle Maßnahmen“. Unterstützung hat der Manager vom ehemaligen Chef der Österreichischen Bundesbahnen, Christian Kern, erhalten. „Lutz ist ein exzellenter Mann. Kenntnisreich, er verdient Vertrauen“, sagte Kern der Wochenzeitung Die Zeit. Wie also will der Vorstandsvorsitzende der Bahn seinen Laden zurück ins Gleis bringen? Ein Überblick.
Das Sanierungsprogramm S3: Investitionen und Stellenabbau bei der Deutschen Bahn
Lutz hat schon im vergangenen Jahr das Sanierungsprogramm S3 beschlossen. Es ist eine Kombination aus massiven Investitionen in Netz und Bahnhöfe, gepaart mit einem Abbau von 10.000 Stellen binnen drei Jahren. Das Ziel: Bis Ende 2027 soll die Bahn wieder profitabel werden. Die Arbeitskräfte sollen vor allem in Verwaltung und Management abgebaut werden, laut Zahlen der Bahn sind bereits 1000 Posten gestrichen. Das Unternehmen setzt niemanden vor die Tür, der Personalabbau läuft über den Renteneintritt oder den freiwilligen Weggang. Das Einsparziel hat der Bahn-Vorstand gelockert, vergangenes Jahr war sogar von 30.000 Stellen weniger die Rede gewesen.
Begleitet wird die Verschlankung durch eine bundesweite Sanierung der maroden Gleise, Bahnhöfe und Signalanlagen. Bis Ende 2027 ist die Generalüberholung von 17 Engpassverbindungen geplant, wofür acht Milliarden Euro bereitgestellt sind. Den Auftakt bildete vergangenes Jahr die Modernisierung der Strecke Frankfurt–Mannheim, die dafür ein halbes Jahr gesperrt wurde. Wider Erwarten blieb die Bahn im Plan — sie profitierte dabei allerdings von einer langen Vorlaufzeit. Derzeit wird der Korridor zwischen Emmerich und Oberhausen ertüchtigt, gefolgt von der Strecke zwischen Berlin und Hamburg. „In den kommenden drei Jahren liegt unser voller Fokus auf der Sanierung von Infrastruktur, Betrieb und Wirtschaftlichkeit“, versprach Richard Lutz.
Die schwere Krise der Deutschen Bahn in Zahlen
Die schwere Krise des Unternehmens lässt sich in einigen Zahlen zusammenfassen. Unter dem Strich stand 2024 ein Verlust von 1,8 Milliarden Euro. Das Unternehmen drücken zudem Schulden von 32,5 Milliarden Euro. Fernverkehr und Gütersparte arbeiten nicht kostendeckend. Von den Fern- und Güterzügen rollte jeder Dritte verspätet im Bahnhof ein. Wegen der Unpünktlichkeit musste die Bahn vergangenes Jahr die Rekordsumme von 200 Millionen Euro für Entschädigungen an Passagiere zahlen. Darauf haben die Kunden ab einer Stunde Verspätung Anspruch. „Die Geduld unserer Fahrgäste ist endlich“, gab Lutz zu. Im Fernverkehr stiegen sieben Millionen Passagiere weniger zu. Einziger Lichtblick: Der Regionalverkehr hat sich aus den roten Zahlen herausgekämpft. In diesem Segment verkehren 90 Prozent der Züge pünktlich.

Die Zukunft: So soll es bei der Deutschen Bahn weitergehen
Der Bahnvorstand kann darauf setzen, dass ihm das Geld nicht ausgeht. Bis 2027 ist die Finanzierung für die milliardenschwere Sanierung bereits in trockenen Tüchern. Union und SPD haben zudem das Sondervermögen Infrastruktur geschaffen, aus dem viel Kapital für das Staatsunternehmen fließen wird. Der Verkauf der großen Tochterfirmen Arriva und Schenker brachte der Bahn Einnahmen von 15,5 Milliarden Euro. Der Großteil des Geldes wird in den Abbau der Schulden fließen. Durch die Trennung von den beiden Geschäftsbereichen hat die Bahn über 300 Tochterfirmen weniger im Verbund, wovon sich das Management mehr Effektivität verspricht. Die Bahn konzentriert sich auf ihr Kerngeschäft. „Eisenbahn in Deutschland und Europa“, wie es Finanzvorstand Levin Holle zusammenfasste.
Der Wermutstropfen des Schenker-Verkaufes ist der Verlust der Ertragsperle des Konzerns. Ausgerechnet die Spedition mit ihren Lkw hat der Bahn vergangenes Jahr noch einen Betriebsgewinn von einer Milliarde Euro erbracht. Wegen des Verkaufs ist der Betrag schon aus der Bilanz herausgerechnet.
Bescheiden bleibt das Pünktlichkeitsziel der Bahn: Statt 62,5 Prozent der Fernzüge im Jahr 2024 sollen im laufenden zwischen 65 und 70 Prozent laut Fahrplan rollen. Statt eines Verlustes strebt der Konzern eine Schwarze Null als Jahresergebnis an.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden