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Welche Wirkung ein TV-Duell haben kann

Interview

Medienforscher zu TV-Duell: „Mehr als nur ein Medienspektakel“

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    Das erste TV-Duell am Sonntag, 9.2., in ARD und ZDF verspricht Konfrontation. Zumindest wurde der Ton zwischen SPD-Kanzler Olaf Scholz (links) und CDU-Chef Friedrich Merz zuletzt immer schärfer.
    Das erste TV-Duell am Sonntag, 9.2., in ARD und ZDF verspricht Konfrontation. Zumindest wurde der Ton zwischen SPD-Kanzler Olaf Scholz (links) und CDU-Chef Friedrich Merz zuletzt immer schärfer. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Herr Maurer, am Sonntag wird das erste TV-Duell der Kanzlerkandidaten zur besten Sendezeit bei ARD und ZDF ausgetragen – zwischen SPD-Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz. Was erwarten Sie?
    Marcus Maurer: Die meisten Experten wissen natürlich, welche Positionen die Kandidaten vertreten. Insofern dürfte das TV-Duell für sie wenig Überraschendes bringen.

    Es ist ein Medienspektakel mit wenig Erkenntnisgewinn?
    Maurer: Ganz im Gegenteil. Gerade Menschen, die sich vielleicht nicht täglich über Politik informieren oder noch nicht wissen, wen sie wählen wollen, werden bei so einem TV-Duell eine Hilfe für ihre Wahlentscheidung bekommen. Man darf ja eines nicht übersehen: Diese TV-Duelle haben sehr, sehr hohe Einschaltquoten. Es schalten viele ein, die nicht die „Tagesschau“ sehen oder eine Zeitung lesen. Im Publikum sind viele, die ein echtes Interesse daran haben, wie sich die Kandidaten präsentieren und welche Positionen sie vertreten. Ein TV-Duell ist mehr als nur ein Medienspektakel.

    Professor Marcus Maurer befasst sich seit gut 20 Jahren mit Fernsehduellen. Er sagt: Die Körpersprache der Kanzlerkandidaten während der Sendungen werde in ihrer Wirkung überschätzt.
    Professor Marcus Maurer befasst sich seit gut 20 Jahren mit Fernsehduellen. Er sagt: Die Körpersprache der Kanzlerkandidaten während der Sendungen werde in ihrer Wirkung überschätzt. Foto: Petra A. Killick

    Ursprünglich war ein zweites TV-Duell bei ARD und ZDF geplant: Robert Habeck (Grüne) gegen Alice Weidel (AfD). Es gab darüber Diskussionen, Habeck sagte ab.
    Maurer: Ich befasse mich jetzt seit gut 20 Jahren mit Fernsehduellen, und seitdem vertrete ich dieselbe Position: Wir brauchen eine Regelung, die grundsätzlich festlegt, wer an diesen Sendungen teilnimmt, wie viele es davon vor einer Bundestagswahl geben und in welchem Format sowie über welche Themen debattiert werden soll. Wir bräuchten das, weil diese Duelle, Trielle oder nun auch ein „Quadrell“ mehr sind als herkömmliche Fernsehsendungen, nämlich wichtige Beiträge für unsere Demokratie – dennoch werden sie wie Fernsehsendungen behandelt. Die Sender entscheiden im Prinzip darüber, wen sie einladen und bestimmen die Spielregeln – die Kandidaten und Parteien sagen zu oder eben ab. Das kann zu Problemen führen, wie im Falle des Duells Habeck-Weidel.

    Es gibt keine klaren Regeln?
    Maurer: Es gibt Regeln, aber sie sind eben nicht immer vorab klar. Vor allem werden sie vor jeder Bundestagswahl neu formuliert. Die Sender argumentieren zum Beispiel mit aktuellen Umfragewerten. Dennoch kommt es regelmäßig zu Diskussionen über die Zusammensetzung der Formate. Ich halte das Vorgehen für problematisch: Es schafft Misstrauen. Würde man einmal ein Verfahren festlegen und sich daran halten, ließen sich viele der angesprochenen Dinge vermeiden.

    Mit Blick auf die Umfragen ist ein Duell Scholz-Merz nicht so leicht begründbar. Die Scholz-SPD liegt stabil bei um die 15 Prozent, die Merz-CDU dagegen bei um die 30.
    Maurer: Dennoch ist ein Duell Scholz-Merz sinnvoll, weil sich hier der Amtsinhaber, der die Politik der vergangenen drei Jahre verantwortet, dem Herausforderer der größten Oppositionspartei stellt.

    Andererseits kommt die AfD in Umfragen auf 20 Prozent und mehr – und die Grünen sind gleichauf mit der SPD.
    Maurer: Deshalb hätte es für eine Vierer-Konstellation bei ARD und ZDF gute Argumente gegeben. Man kann allerdings für diverse Varianten Argumente finden: Für ein Duell spricht, dass es für das Publikum überschaubarer ist – zumal aufgrund der möglichen besseren Zuspitzung. Man kann aber auch sagen: Das passt alles nicht zu unserem Wahlsystem.

    Passt nicht zum Wahlsystem?
    Maurer: Wir haben in Deutschland ein Mehrparteiensystem, zu dem ein Duell im Grunde nicht passt. Man kann sich daher fragen: Müssten nicht alle im Bundestag vertretenen Parteien in einer TV-Runde vorkommen, damit es fair zugeht? Aus Sicht der Zuschauer betrachtet, wäre das Ergebnis jedoch wenig überzeugend – schließlich käme kaum ein Kandidat ausreichend zu Wort.

    Was wäre ein gerechter Maßstab für derartige Runden?
    Maurer: Müsste ich mich entscheiden, wäre ich für ein echtes Duell, wie nun das von Scholz und Merz, und eine weitere Runde mit allen Kanzlerkandidatinnen und -kandidaten. Aber: Es gibt inzwischen zahlreiche solcher Runden, auch in den Privatsendern oder bei anderen Medien.

    Und das ist gut?
    Maurer: Das muss nicht gut sein: Durch die Vielzahl sehr ähnlicher Formate büßen die großen TV-Duelle möglicherweise an Relevanz ein – insbesondere, wenn den Kandidaten überall ähnliche Fragen gestellt werden. Ich finde, das müsste nicht sein – vor allem dürfte es nicht derart unkoordiniert zugehen.

    Die beiden ersten echten TV-Duelle von Kanzlerkandidaten in Deutschland gab es vor der Bundestagswahl 2002. Damals traten SPD-Kanzler Gerhard Schröder (rechts) und der bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber gegeneinander an. Und es gab einen klaren Gewinner.
    Die beiden ersten echten TV-Duelle von Kanzlerkandidaten in Deutschland gab es vor der Bundestagswahl 2002. Damals traten SPD-Kanzler Gerhard Schröder (rechts) und der bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber gegeneinander an. Und es gab einen klaren Gewinner. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Die ersten beiden richtigen TV-Duelle von Kanzlerkandidaten in Deutschland gab es vor der Bundestagswahl 2002. Damals traten SPD-Kanzler Gerhard Schröder und der bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber gegeneinander an. Welche Wirkung hatten diese und folgende Duelle?
    Maurer: Die Wirkung hängt maßgeblich davon ab, wie deutlich sich die Kontrahenten unterscheiden – und wie klar einer als „besser“ wahrgenommen wird. Damals war das eindeutig Schröder. Seine Auftritte haben ihm ein paar Prozentpunkte gebracht. In späteren Duellen oder Triellen konnte man das nicht mehr so deutlich feststellen. Dabei kann nicht allein das Duell einen Effekt haben, sondern auch die Nachberichterstattung. In der Regel wird zwei, drei Tage lang aufgearbeitet, wer sympathischer war oder insgesamt besser abgeschnitten hat. In dieser Phase versuchen die Parteien und ihre Berater, den eigenen Kandidaten als den Sieger darzustellen und etwas zu seinen Gunsten in der öffentlichen Wahrnehmung zu bewegen. Das kann nochmals den einen oder anderen Prozentpunkt bringen.

    Wie bereiten sich die Kanzlerkandidaten auf so ein Format vor?
    Maurer: Sie sind ja bereits medienerfahren, dennoch werden sie darauf intensiv vorbereitet und spielen mögliche Situationen durch. Das kann über Wochen gehen. Sinnvoll ist es für einen Kandidaten, auch mal anders zu argumentieren, als man das von ihm gewohnt ist. Außerdem muss man daran denken, dass ein besonders großes Publikum angesprochen werden muss – und nicht nur eigene Anhänger wie zum Beispiel bei Wahlkampfveranstaltungen auf Marktplätzen. Und dann geht es noch um die Körpersprache: dass man nicht zu wild mit den Armen herumfuchtelt; dass man nicht vergisst, hin und wieder zu lächeln. Wobei die Körpersprache in ihrer Wirkung allerdings überschätzt wird.

    Was ist der größte Fehler, den ein Kandidat oder eine Kandidatin machen kann?
    Maurer: Sich zu verhaspeln, macht keinen guten Eindruck. Sich selbst zu widersprechen oder etwas Falsches zu behaupten, kann vor allem in der Nachberichterstattung problematisch werden. Beleidigend oder ausfallend zu werden, ist natürlich auch nicht ratsam.

    Gilt das auch für Alice Weidel von der AfD, die oft harsch oder entnervt, meist jedenfalls angriffslustig wirkt?
    Maurer: Es kommt darauf an, wen ich als Politiker ansprechen will: Möchte ich in der politischen Mitte Gehör finden, muss ich mich eher vorsichtig äußern und darauf achten, niemanden zu verärgern. Die AfD hat eine andere Kommunikationsstrategie: Sie spricht insbesondere Menschen am rechten, vielleicht auch am linken Rand an. Diese Menschen reagieren auf andere Botschaften. Und sie reagieren stark auf eine emotionale Ansprache, eher auf Negatives als auf Konstruktives.

    Würde Alice Weidel ein TV-Duell gewinnen oder verlieren?
    Maurer: Würde sie an einem teilnehmen und es gäbe danach eine Umfrage, würde sie es in der Gesamtwahrnehmung wohl verlieren. Aber darauf käme es ihr sicher nicht an. Ihr wäre es wichtig, ihr AfD-Publikum, ihre potenziellen Wähler zufriedenzustellen. Und ihr wäre die riesige Aufmerksamkeit wichtig.

    Wie sollten Moderatorinnen und Moderatoren damit umgehen?
    Maurer: Ich will zunächst einmal infrage stellen, ob sie eine AfD-Politikerin wie Weidel „stellen“ müssen – wie es immer heißt. In einer Debatte der Kanzlerkandidaten vor der Wahl muss es darum gehen, die jeweiligen Wahlprogramme herauszuarbeiten. Die AfD profitiert sehr stark beim Thema Migration. Wie sie zu anderen Themen steht, wissen viele aber gar nicht. Wie ist denn ihr Rentenkonzept? Welche Wirtschaftspolitik will sie? Grundsätzlich sollte die AfD in diesen Formaten behandelt werden wie alle anderen Parteien.

    Wie umgehen mit Politikerinnen und Politikern der in Teilen rechtsextremen AfD (hier Alice Weidel kürzlich im Talk von Caren Miosga)? Medienexperte Maurer sagt: „Man muss auch diesen Leuten zuhören und mit ihnen diskutieren.“
    Wie umgehen mit Politikerinnen und Politikern der in Teilen rechtsextremen AfD (hier Alice Weidel kürzlich im Talk von Caren Miosga)? Medienexperte Maurer sagt: „Man muss auch diesen Leuten zuhören und mit ihnen diskutieren.“ Foto: Uwe Koch/HMB Media, dpa

    Die neue WDR-Intendantin Katrin Vernau sagte: Ein Politiker, der potenziell erhebliche Wählerstimmen auf sich vereinige, müsse im Programm vorkommen. Sie hätte auch nichts gegen ein TV-Duell, an dem der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke teilnehmen würde.
    Maurer: Ich denke, man muss auch diesen Leuten zuhören und mit ihnen diskutieren. Und zwar nicht mit der Absicht, sie entzaubern oder blamieren zu wollen. Sondern mit der Absicht, sie dazu zu bringen, dass sie konkret über ihre Politik reden – jenseits der Felder, auf denen sie sich sicher fühlen. Das bringt Zuschauer oder Nutzer möglicherweise zum Nachdenken. Wir haben jetzt zehn Jahre der Empörung und medialen Ausgrenzung der AfD hinter uns – und die AfD steht so gut da wie nie. Offensichtlich war das also nicht das richtige Rezept. Ob es anders besser funktioniert, weiß ich nicht. Man muss es aber versuchen.

    Kurz vor der Wahl, am 19. Februar, werden Scholz und Merz in einem letzten TV-Duell bei Welt TV aufeinandertreffen. Kommt dem eine besondere Bedeutung zu?
    Maurer: Nur, wenn einer der beiden einen großen Fehler machen sollte. Das glaube ich aber nicht.

    Zur Person

    Marcus Maurer, 55, ist Professor für Kommunikationswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Politische Kommunikation, Medienwirkungsforschung und Nonverbale Kommunikation.

    Eine Auswahl von TV-Sendungen mit den Kanzlerkandidaten:
    Das erste TV-Duell dieses Bundestagswahlkampfes ist am Sonntag, 9.2.2025, zeitgleich um 20.15 Uhr in ARD und ZDF zu sehen: „Das Duell – Scholz gegen Merz“. (Moderation: Sandra Maischberger, ARD, und Maybrit Illner, ZDF)

    Am Donnerstag, 13.2.2025, stellen sich im ZDF ab 19.25 Uhr die Kanzlerkandidaten von SPD, CDU, Grünen und AfD den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern: „Klartext!“ (Moderation: ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten und „heute journal“-Moderator Christian Sievers)

    Am Sonntag, 16. Februar, stellt sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ab 20.15 Uhr zeitgleich auf RTL und ntv Friedrich Merz (CDU/CSU), Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen): „Das Quadrell – Kampf ums Kanzleramt“ von RTL, ntv und stern (Moderation: Pinar Atalay und Günther Jauch)

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    2 Kommentare
    Viktoria Reissler

    Den Zirkus kann man sich heute komplett sparen. Merz schimpft über Scholz, Scholz lästert über Merz und nach der Wahl machen sie dann eine große Koalition, in der die SPD alle relevanten Entscheidungen verwässert oder blockiert...........................

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    Klemens Hain

    So ist es Frau Reissler, ich werde mit Sicherheit keine der Duelle anschauen.

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