Heftige Explosionen und Brände erschüttern seit Tagen die Region Kursk, mehrere Menschen starben. Das russische Grenzgebiet ist erstmals zum Ziel ukrainischer Truppen geworden, die Armee von Präsident Wolodymyr Selenskyj konnte sogar Geländegewinne erzielen. Mindestens zwei Brigaden und damit mehrere tausend Soldaten sollen sich auf russischem Territorium aufhalten. Dem Kreml ist es bislang nicht gelungen, die Lage unter seine Kontrolle zu bekommen.
Die Botschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist eindeutig. „Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat“, sagte er in seiner Videoansprache. Ziel ist die Ausweitung des Krieges. Doch die Operation ist militärisch durchaus mit Risiken behaftet. Die ukrainische Armee kämpft seit Monaten mit einem massiven Mangel an Soldaten. „Die dort eingesetzten Kräfte fehlen an der Front im Donbass“, sagt der Sicherheitsexperte Joachim Krause. Dort steht die ukrainische Armee derzeit unter großem Druck, die Verluste sind groß. „Den Russen gelingen zwar nur geringe Geländegewinne, aber auch diese können ausreichen, um die Ukrainer zur Aufgabe ganzer Landstriche zu veranlassen“, sagt Krause. Eine weitere Strategie Selenskyjs könnte daher sein, Russland dazu zu zwingen, Truppen aus dem Donbass abzuziehen. „Es könnte auch sein, dass die Ukrainer dieses Territorium als Faustpfand für den Fall von Verhandlungen nutzen wollen“, sagt der Sicherheitsexperte unserer Redaktion.
Ministerpräsident Kretschmer will Ukraine Militärhilfe kürzen
Nicht weniger heikel ist die politische Dimension der Attacke. Beim Angriff auf Kursk scheinen auch deutsche Schützenpanzer und andere westliche Waffen zum Einsatz gekommen zu sein, eine offizielle Bestätigung gibt es hierfür nicht. Erst vor wenigen Monaten hatte Bundeskanzler Olaf Scholz der Ukraine erlaubt, deutsche Waffen auch auf russische Stellungen und militärische Einrichtungen abzufeuern. Allerdings galt das Zugeständnis für die Region Charkiw. Doch öffentliche Kritik am Selenskyj wurde bislang weder aus Berlin noch aus Washington laut. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marcus Faber (FDP), bezeichnet den Entlastungsangriff der Ukraine gegenüber der Bild-Zeitung als „völlig legitim“. „Ich kann aber mir vorstellen, dass dieses Vorgehen in der Biden-Administration zu erheblichen Irritationen geführt hat und dass hinter den Kulissen Kritik an der Ukraine geübt wird“, sagt Krause. Putin hatte die Nato-Staaten immer wieder gewarnt, dass mit westlichen Waffen russisches Gebiet attackiert werde.
Völkerrechtlich hingegen gilt der Angriff auf Kursk als zulässig. „Wir sind der Meinung, dass die Ukraine einen rechtmäßigen Verteidigungskrieg gegen eine illegale Aggression führt“, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Das Recht auf Selbstverteidigung schließe auch das Recht ein, den Feind auf dessen Territorium anzugreifen.
Gleichwohl ist die Ukraine auch auf den Rückhalt ihrer Verbündeten angewiesen. Für Aufregung sorgte am Freitag ein Vorstoß des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Der CDU-Politiker schlägt eine Kürzung der Waffenhilfe angesichts der angespannten Haushaltslage vor. „Wir können nicht länger Mittel für Waffen an die Ukraine in die Hand nehmen, damit diese Waffen aufgebraucht werden und nichts bringen. Es muss alles im Verhältnis stehen“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Allerdings kam umgehend Widerspruch auch aus der CDU.
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