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Washington: Vom Paria zum Partner: Bidens Reise nach Saudi-Arabien sorgt für Kritik

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Vom Paria zum Partner: Bidens Reise nach Saudi-Arabien sorgt für Kritik

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    Der faktische Herrscher Saudi-Arabiens Mohammed bin Salman gehört zu jenen Würdenträgern, die Joe Biden bei seiner ersten Nahost-Reise als US-Präsident treffen wird.
    Der faktische Herrscher Saudi-Arabiens Mohammed bin Salman gehört zu jenen Würdenträgern, die Joe Biden bei seiner ersten Nahost-Reise als US-Präsident treffen wird. Foto: Hasan Bratic, picture alliance/dpa

    Der Kandidat ließ keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit. "Wir werden sie dazu bringen, einen Preis zu zahlen und sie zu dem Paria machen, der sie sind", prangerte Joe Biden im Vorwahlkampf der US-Demokraten im November 2019 die saudische Herrscherfamilie an. Anderthalb Jahre später bestätigten die US-Geheimdienste offiziell, was Biden damals unterstellt hatte: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman persönlich war verantwortlich für die bestialische Ermordung des Journalisten und Regimekritikers Jamal Kaschoggi.

    Doch wenn der US-Präsident an diesem Mittwoch zu einer dreitägigen Nahost-Reise aufbricht, möchte er an sein früheres Verdikt am liebsten nicht erinnert werden. Nach Gesprächen in Israel und im Westjordanland wird Biden nämlich zum Gipfel des Golf-Kooperationsrats reisen und dort auch mit dem König Salman sowie seinem Sohn, dem De-facto-Herrscher des Landes, zusammenkommen.

    New York Times zieht Vergleiche zu Präsident Carters Reise nach Teheran

    Vom Paria zum Partner – es ist eine erstaunliche Entwicklung, die der "MbS" genannte Prinz in kurzer Zeit genommen hat. Die New York Times vergleicht Bidens Trip nach Saudi-Arabien mit der historischen Reise von Ex-Präsident Jimmy Carter nach Teheran, wo er am Silvesterabend 1977 einen Trinkspruch auf "die großartige Führungsstärke" des Schahs ausbrachte: Wie damals, werde auch heute dem niedrigen Ölpreis die Priorität vor Menschenrechten eingeräumt.

    Biden befindet sich in einer schwierigen Lage: Innenpolitisch pulverisiert die Wut der amerikanischen Bevölkerung über die Explosion der Benzinpreise gerade seine Umfragewerte. Außenpolitisch erzwingt die wachsende Bedrohung durch das iranische Atomprogramm eine verstärkte Zusammenarbeit mit Israel und den arabischen Verbündeten. Vor diesem Hintergrund dringen Wissenschaftler der renommierten Denkfabrik Council on Foreign Relations in einem Bericht auf eine strategische Vertiefung der amerikanisch-saudischen Beziehungen.

    Verlobte des ermordeten Journalisten Kaschoggi ist schockiert

    Doch der schockierende Kaschoggi-Mord ist in den USA nicht vergessen. Der Journalist, der unweit der amerikanischen Hauptstadt lebte und für die Washington Post schrieb, war im Herbst 2018 mit dem Versprechen in das saudische Konsulat in Istanbul gelockt worden, dort seine Hochzeitspapiere zu erhalten. Tatsächlich wurde er in der Vertretung ermordet. Anschließend wurde seine Leiche zersägt und beiseitegeschafft.

    Kaschoggis Verlobte Hatice Cengiz, die damals nichts ahnend vor dem Gebäude wartete, erhebt schwere Vorwürfe gegen Biden: Jahrelang habe sie voller Horror erlebt, wie der für den Mord verantwortliche MbS frei herumlaufe und von Ex-Präsident Donald Trump hofiert worden sei. Allein Bidens Versprechen, den Kronprinz zur Rechenschaft zu ziehen, habe ihr Hoffnung gegeben. Die Nachricht von der Reise schockiere und enttäusche sie nicht nur persönlich: "Zu einer Zeit, da Angriffe auf die Pressefreiheit ein Rekordhoch erreichen, wird Ihr Besuch Ihr Ansehen beflecken und an Autokraten in der ganzen Welt die Nachricht aussenden, dass sie Journalisten inhaftieren, foltern und sogar ermorden können, ohne dass dies irgendwelche Folgen hätte."

    Menschenrechte stünden stets auf seiner Agenda, betont US-Präsident Biden

    Dass der Besuch in Saudi-Arabien heikel sein würde, war Biden schon vorher bewusst. Bei einer Pressekonferenz nach dem Nato-Gipfel flüchtete er sich in Wortklaubereien: "Ich treffe mich nicht mit Mohammed bin Salman. Ich fahre zu einem internationalen Treffen, an dem er teilnehmen wird." Doch diese Verteidigungslinie war nicht zu halten. Am Wochenende dann ging der Präsident in die Offensive. Unter der Überschrift "Warum ich nach Saudi-Arabien fahre", meldete er sich in der Washington Post zu Wort. "Ich weiß, dass viele mit meiner Entscheidung nicht einverstanden sind", räumt Biden ein. Er betont, dass die Menschenrechte stets auf seiner Agenda stünden. Aber als Präsident müsse er Russlands Aggression kontern, China zurückdrängen und größere Stabilität im Mittleren Osten schaffen. "Um das zu erreichen, müssen wir uns direkt mit Staaten beschäftigen, die diese Ziele beeinflussen können."

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