Beyoncé, Jimmy Carter und Bruce Springsteen – sie alle gaben bereits ihre Wahlempfehlung für Kamala Harris ab. Auf der anderen Seite machten sich Hulk Hogan, Elon Musk und Roseanne Barr für Donald Trump stark. Was in Deutschland als undenkbar gilt, hat in den USA Tradition. Schauspielerinnen, Musiker und auch Medien geben ihre Wahlempfehlung für die demokratischen oder republikanischen Kandidaten ab. Die Washington Post bricht nun mit dieser fast vier Jahrzehnte währenden Praxis. Die Entscheidung hat Folgen.
Leserinnen und Leser sowie die Redaktion selbst reagierten empört über die Entscheidung von Amazon-Gründer und Post-Inhaber Jeff Bezos, keine Wahlentscheidung abzugeben. Traditionsgemäß unterstützte die Zeitung immer den Kandidaten oder die Kandidatin der Demokraten. Als Reaktion kündigten bislang mehr als 250.000 Leser ihr Abo, berichtet der US-amerikanische Radiosender NPR. Das entspricht in etwa jedem zehnten Abonnenten der bezahlten Auflage der Zeitung.
NPR-Redakteur David Folkenflick erklärte in einer Radiosendung, warum die Entscheidung der Washington Post kurz vor der Wahl zu so heftigen Reaktionen geführt hatte: „Jetzt, kurz vor der Wahl, in einem Rennen auf Messers Schneide, in dem die Washington Post auf ihrer eigenen redaktionellen Seite, die von ihrem Verleger und ihren Eigentümern gebilligt wurde, den ehemaligen Präsidenten Trump im Wesentlichen als gefährliche Bedrohung für das amerikanische demokratische Experiment bezeichnete, jetzt, ein paar Tage vor der Wahl, zu sagen: ‚Hey, entscheiden Sie selbst, Leute‘. Das erschien vielen ihrer Leser und Abonnenten wirklich wie ein Verrat.“
Bezos: Wahlempfehlung würde Misstrauen in den Medien befeuern
Multimilliardär Bezos begründete den umstrittenen Schritt in einem Meinungsbeitrag vor allem mit gesunkenem Vertrauen der amerikanischen Öffentlichkeit in die Medien. „Die Befürwortung von Präsidentschaftskandidaten hat keinen Einfluss auf den Ausgang einer Wahl. Kein unentschlossener Wähler in Pennsylvania wird sagen: ‚Ich nehme die Empfehlung von Zeitung A an.‘ Keiner. Was die Unterstützung durch den Präsidenten tatsächlich bewirkt, ist der Eindruck der Voreingenommenheit. Eine Wahrnehmung der Nicht-Unabhängigkeit.“ begründet Bezos in dem Beitrag in der Washington Post.
Bezos versicherte, er verfolge bei der Washington Post keine persönlichen Interessen. Vielmehr sei es die Realität, dass viele Menschen Medien für parteiisch hielten. „Und wer mit der Realität kämpft, verliert.“ Er werde nicht zulassen, dass die Washington Post in der Bedeutungslosigkeit versinke und die Leute sich stattdessen über mangelhaft recherchierte Podcasts und Social-Media-Beiträge informierten. Dass die kontroverse Entscheidung in der Schlussphase des Wahlkampfs getroffen wurde, sei aber „mangelhafte Planung“ gewesen, räumte er ein.
Bezos wird vorgeworfen, aus finanziellen Gründen keinen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen
Die Washington Post hatte am Freitag mitgeteilt, sie werde vor der Präsidentschaftswahl am 5. November weder eine Empfehlung für die Demokratin Kamala Harris noch für ihren republikanischen Konkurrenten Donald Trump aussprechen. Auch bei künftigen Wahlen werde man davon absehen. Reporter der Zeitung berichteten danach, dass bereits eine Empfehlung für die heutige Vizepräsidentin Harris geschrieben worden sei – Bezos habe sich aber gegen eine Veröffentlichung entschieden. Daraufhin kündigten einige Mitglieder des Redaktionsausschusses aus Protest, zudem unterzeichneten knapp 20 Kolumnisten der Post eine gemeinsame Erklärung. Darin hieß es, die Entscheidung sei eine „Abkehr von der grundlegenden redaktionellen Überzeugng der Zeitung, die wir lieben.“ Die Journalistenvertretung der Washington Post äußerte sich besorgt darüber, dass das Management sich in redaktionelle Angelegenheiten eingemischt zu haben scheine.
Bezos wird vorgeworfen, die Entscheidung für den Verzicht sei aus Angst vor finanziellen Einbußen gefallen. Ein großer Teil des Vermögens des 60-Jährigen besteht zum großen Teil aus Aktien des weltgrößten Online-Händlers Amazon, zudem gehört ihm die Weltraumfirma Blue Origin, die auf Staatsaufträge angewiesen ist. Eine Regierung unter Donald Trump könnte seinen Unternehmen das Leben schwer machen. Hinzu kam, dass sich Blue-Origin-Chef Dave Limp nur wenige Stunden nach Bekanntwerden der Entscheidung mit Trump in Florida traf. Er habe davon vorher nichts gewusst, kommentierte Bezos. Der Amazon-Gründer hatte die Washington Post 2013 gekauft. Bei den darauffolgenden Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 sprach die Zeitung den demokratischen Kandidaten Hillary Clinton und Joe Biden ihre Unterstützung aus.
Keinen Präsidentschaftskandidaten zu favorisieren ist ein Schritt, den auch andere Zeitungen unternommen haben. Die LA Times aus Los Angeles hatte dies in der vergangenen Woche angekündigt, als Reaktion darauf kündigten schätzungsweise 18.000 Kunden ihre Abonnements. Die Minnesota Star Tribune aus Minneapolis etwa hatte bereits im August entschieden, keine Wahlempfehlung abzugeben. (mit dpa)
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