Flüssiggas könnte kurz- und mittelfristig die Energie-Erlösung für Deutschland bedeuten: weg vom russischen Erdgas, ohne aber wieder zurück zur Atom- oder Kohleenergie zu müssen, ehe die Energiewende gemeistert ist. Das Problem: Es ist teuer und klimaschädlich. Und: In Deutschland gibt es keine einzige Anlage, die das Flüssiggas LNG aufbereiten kann. Zumindest das soll sich bis Jahresende ändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um Flüssiggas und LNG-Terminals.
Energieabhängigkeit von Russland: Ist LNG eine Alternative zu russischem Erdgas?
Kurzfristig: Ja. Der Kohle- und Atomausstieg in Deutschland schränkt die Alternativen enorm ein – deshalb braucht Deutschland weiterhin Gas, bis der Übergang zu erneuerbaren Energien gemeistert ist. Der große Vorteil von LNG (Liquefied Natural Gas): Es kann verschifft und dementsprechend auch aus weit entfernten Ländern angekauft werden. Das Gas wird bei Minus 162 Grad Celsius verflüssigt, wodurch das Volumen stark schrumpft. So werden 600 Kubikmeter gasförmiges Erdgas zu einem Kubikmeter LNG – und das macht es gut transportierbar.
Flüssiggas einspeisen: Was sind LNG-Terminals?
Um das Flüssiggas in Erdgas umzuwandeln, braucht es bestimmte Anlagen: LNG-Terminals. Sie erwärmen das Flüssiggas und verdichten es. Erst dann kann das Gas in das Netz eingespeist werden, in das auch herkömmliches Erdgas fließt. Außerdem sind die LNG-Terminals dazu da, das Gas zu verladen, etwa auf kleinere Schiffe, Züge oder Lkws.
Stationäre Terminals zu bauen, das braucht seine Zeit. Schwimmende Anlagen sind deshalb gute, kurzfristige Alternative. Auf diesen sogenannten Floating Storage and Regasification Units (FSRU) sind kleine Inseln, an denen Schiffe das Flüssiggas von Tankern aufnehmen und direkt an Bord umwandeln können.
LNG: Welche Rolle soll Flüssiggas in der Energieversorgung in Deutschland spielen
26 LNG-Terminals gibt es in der EU – Deutschland hat allerdings kein einziges. Deshalb beziehen wir über Terminals in Belgien, Frankreich und den Niederlanden unser LNG. Das soll sich aber ändern, so die Pläne der Bundesregierung. Konkret geplant ist der Bau von stationären und schwimmenden Terminals, die auf bis zu 27 Milliarden Kubikmeter Gas ausgelegt sind. Diese Menge würde genügen, um etwa die Hälfte des Erdgases zu ersetzen, das derzeit aus Russland kommt.
Import von Flüssiggas: Woher kommt das LNG?
Rund ein Viertel des Flüssiggases, das die EU importiert, stammt aus den USA – laut den Experten der Non-Profit-Organisation Cedigaz. Weitere 24 Prozent kommen aus Katar, außerdem sind Nigeria und Algerien größere Lieferanten. Immerhin 20 Prozent kamen bis Anfang 2021 aus Russland. Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges machen die Lieferungen aus Amerika allerdings mehr als 50 Prozent aus. Die KfW rechnet damit, dass die USA bis 2024 der größte LNG-Exporteur ist – und damit Katar und Australien vom Thron stößt.
Ein größeres Problem ist, kurzfristig an mehr LNG zu kommen – denn die Lieferungen basieren meist auf langfristigen Verträgen. Kurzfristig könnten LNG-Importe nur 13 Prozent der europäischen Energie aus Russland ausbalancieren.
LNG-Terminals in Deutschland: Wo wird gebaut und geplant?
Brunsbüttel und Stade sollen die Standorte der ersten LNG-Terminals Deutschlands werden. Dazu sollen mindestens vier schwimmende Anlagen an der Nordseeküste geplant werden. Zwei davon sollen bereits bis zum Winter 2022 ans Netz gehen: eine in Wilhelmshaven, eine zweite in Brunsbüttel. Bis Mai 2023, also in einem Jahr, sollen zwei weitere folgen. Mögliche Standorte hierfür sind Stade, Rostock und Hamburg.
Erst letzte Woche begann der Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven. 8,5 Prozent des deutschen Gasbedarfs sollen hier künftig gedeckt werden, so der Betreiber Uniper.
Gechartert werden die vier Spezialschiffe von der Bundesregierung bei den Anbietern Höegh und Dynagas. Kosten: knapp drei Milliarden Euro. Betrieben werden sie dann im Auftrag der Regierung von den beiden deutschen Energiekonzernen RWE und Uniper. 2025 sollen die provisorischen schwimmenden LNG-Terminals dann durch feste Anlagen in Wilhelmshaven und Brunsbüttel ersetzt werden.
Steigende Energiepreise: Was kostet LNG?
LNG dürfte an den steigenden Energiepreisen nichts ändern: Das Flüssiggas ist nämlich deutlich teurer als herkömmliches Erdgas aus der Pipeline. Grund sind der Transport und die Wiederaufbereitung. Dadurch, dass gerade viele Staaten auf der Suche nach alternativen Energiequellen sind, steigen die Preise am Markt zusätzlich.
Flüssiggas für die Energiewende: Welche Kritik gibt es an LNG?
Nicht nur der Preis ist der Haken an der Sache: Die Flüssiggas-Projekte in Deutschland sind umstritten – Grund sind die eigentlichen Bestrebungen der Bundesregierung, komplett auf erneuerbare Energien umzusteigen. Der BUND kritisiert die Ausbaupläne, denn die Nutzung von LNG widerspräche dem Klimaneutralitätsziel der Bundesregierung: Transport und Aufbereitung könnten teils klimaschädlicher sein als Kohlenutzung.
Kritik erntet die Bundesregierung auch für das geplante "LNG-Beschleunigungsgesetz", das den Bau von Terminals vereinfachen soll. Bei den schnelleren Genehmigungsverfahren könnte der Artenschutz leiden, so der BUND.