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Was Lindner mit Milei verbindet - und was nicht

FDP

Ein Zerstörer als Vorbild?

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    Der argentinische Präsident Javier Milei bezeichnet sich selbst als „Anarchokapitalist.“
    Der argentinische Präsident Javier Milei bezeichnet sich selbst als „Anarchokapitalist.“ Foto: Natacha Pisarenko, dpa

    Weniger Bürokratie, niedrigere Steuern, neue Anreize zur Aufnahme einer Arbeit und eine bessere Förderung von Unternehmensgründern: Deutschland brauche einen grundlegenden Wechsel, findet FDP-Chef Christian Lindner. Die beiden Kronzeugen jedoch, die er dafür gerade bemüht hat, könnten umstrittener kaum sein. Der argentinische Präsident Javier Milei und der amerikanische Milliardär Elon Musk hätten in Teilen zwar durchaus problematischen Ansichten, räumt Lindner ein. „Aber was mich beeindruckt, ist die Kraft zur Disruption“ Die Bereitschaft also, Altes und Überholtes zu zerstören, um Neues zu schaffen.. „Das fehlt uns in Deutschland.“

    Dass der Raumfahrtpionier und Tesla-Gründer Musk ein visionärer Unternehmer ist, bestreiten nicht einmal seine Kritiker - sie empören sich vor allem über seine Nähe zu Donald Trump und sein soziales Netzwerk X, das frühere Twitter. Der exzentrische Kulturkämpfer Milei wiederum wird zwar gerne in eine Ecke mit Trump gestellt, seine Wirtschaftspolitik allerdings unterscheidet sich fundamental von der des designierten US-Präsidenten. Wo Trump und sein Vertrauter Musk auf protektionistische Maßnahmen wie Importzölle setzen, denkt Milei klassisch liberal: Für ihn ist der Markt dem Staat überlegen, und nach dieser Logik lösen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft keine Probleme, sondern schaffen in der Regel nur neue. Entsprechend zurechtgestutzt müsse der Staat werden, argumentiert er. Im Wahlkampf schwang der 54-Jährige deshalb auch symbolisch eine Kettensäge. Musk wiederum wurde von Trump als Berater engagiert, um den Beamtenapparat zu verschlanken.

    Argentinien ist unter Milei wieder auf Wachstumskurs

    Der Ökonom Milei hat seinem Land in seinem ersten Amtsjahr eine äußerst schmerzhafte Reformkur verpasst, indem er den Peso abgewertet, die Renten gekürzt, Subventionen für Gas, Strom und den Nahverkehr gestrichen und Staatsbedienstete zu Zigtausenden entlassen hat. Das macht den Argentiniern zwar im Moment bis weit in die Mittelschicht hinein schwer zu schaffen, die Inflation von zeitweise mehr als 20 Prozent (pro Monat!) aber ist halbwegs unter Kontrolle und die Konjunktur offenbar dabei, nach Jahren der Rezession wieder anzsupringen: für das kommende Jahr prophezeit der Internationale Währungsfonds Argentinien ein Wirtschaftswachstum von fünf Prozent. In Deutschland dagegen muss die nächste Bundesregierung vermutlich schon froh sein, wenn Endes nächsten Jahres eine Eins vor dem Komma steht.

    Wie der Liberale Lindner sich auf den Libertären Milei beruft, gefällt allerdings längst nicht jedem in der FDP. „Milei will den Staat zerstören, er ist frauenfeindlich und hat mit liberaler Demokratie nichts am Hut.“ warnt die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Spiegel. „Es ist absolut indiskutabel, dass die FDP sich in diese Richtung entwickeln wird.“ Präsidiumsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sonst selten um einen plakativen Kommentar verlegen, sagt zum Milei-Musk-Vergleich ihres Parteivorsitzenden lieber gar nichts - aus Sorge vermutlich, eine für die Partei eher schädliche Debatte damit nur neu zu befeuern. Auch andere Präsidiumsmitglieder wehren entsprechende Anfragen ab. Fraktionschef Christian Dürr dagegen beruhigt: Es gehe nicht um die Personen an sich und auch nicht um die politischen Ansichten eines Mannes wie Musk, sondern um ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik. Man müsse innovativer und mutiger sein, um wieder wettbewerbsfähig zu werden..

    Lindner selbst beteuert, er sei sich im Klaren über die „Scharfkantigkeit“ der beiden Personen. Und sein neuer Generalsekretär, der frühere Justizminister Marco Buschmann, fügt hinzu: „Noch nie hatte der Staat so viel Geld, so viele Beschäftigte und so viele Befugnisse.“ Milei, dessen Umfragewerte seit Wochen steigen, hat aus einer noch viel verfahreneren Situation die bislang radikalsten Schlüsse gezogen - undenkbar, in dieser Form, in Deutschland. Der frühere Finanzminister Lindner aber ist sich sicher. „Eine Prise Milei und Musk, etwas Disruption, Risikofreude, Veränderungsbereitschaft und Innovationskraft würden unserem Land durchaus guttun.“ Das Bild mit der Kettensäge verwendet Lindner nicht - das hat schon ein anderer getan. Anfang Oktober sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Veranstaltung der Arbeitgeberverbände zum Streit um das Lieferkettengesetz und andere bürokratische Auswüchse, es gehe jetzt nicht um einzelne Verbesserungen, sondern darum, „die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen.““

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    5 Kommentare
    Wolfgang Boeldt

    Als Neoliberaler kommt Milei in Deutschland wohl nicht gut an. Wen wunderts. Seine ökonomische /wirtschaftswissenschaftliche Bildung und seine Vita in diesem Zusammenhang ist schon beeindruckend. Und seine Erfolge nach einem Jahr ebenfalls. Kann für Deutschland aber keine Vorbild sein, da eine Großteil der Deutschen staatliche Eingriffe förmlich liebt.

    Peter Pfleiderer

    "Argentinien war bis Anfang der 1950er Jahre eines der reichsten Länder der Erde und hatte ein Wohlstandsniveau vergleichbar mit dem anderer Einwanderungsländer wie Kanada und Australien." - https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_Argentiniens - Man kann jedes Land kaputt machen, jetzt ist halt mal Deutschland dran...

    Wolfgang Leonhard

    Milei ist kein "Neoliberaler", sondern ein Libertärer, der nach eigener Aussage den "Staat hasst". Ob er mit seiner Kettensägen-Politik in Argentinien Erfolg haben oder das Land vollends zerstören wird, ist noch völlig offen. Klar ist derzeit nur, dass bisher die kleinen Leute die Rechnung zahlen.

    Wolfgang Boeldt

    Ich nehme an, Sie haben sich mit dem Begriff des Libertarismus ( https://de.wikipedia.org/wiki/Libertarismus ) befasst und wissen auch, daß dieser Begriff seinen Ursprung in libertas (Freiheit) hat.

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    Maria Reichenauer

    Libertarismus zu favorisieren, weil er sich vom lateinischen Wort "libertas" ableitet, ist aber schon ein wenig einfach gedacht. Libertarismus geht davon aus, dass eine Gesellschaft möglichst ohne Eingreifen des Staates existieren soll. Diese Ideologie ist zu kurz und zu egoistisch gedacht. Eine Gesellschaft wird ohne Regulierung durch den Staat nicht funktionieren können, denn das würde bedeuten, dass der Starke alles an sich reißen kann und der Schwache durchs Netz fällt. Staatliche Regulierung muss im Notfall für Ausgleich zwischen den Extremen sorgen. Genau so präsentiert sich Argentinien zur Zeit: die Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen leiden unter Mileis agressivem Sparkurs. Ob sich der wirtschatliche Aufschwung tatsächlich einstellen wird – fraglich, wenn dem Volk die Kaufkraft fehlt. Aber wenn die Menschen das merken, ist vielleicht schon zuviel Porzellan zerschlagen.

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