Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine ist immer wieder vom Nato-Bündnisfall die Rede. Dieser tritt nun vor allem nach dem Raketeneinschlag in Polen ins Rampenlicht. Zuvor war er auch schon durch das Beitrittsersuchen von Schweden und Finnland und die Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte wieder in den Vordergrund gerückt. Die Nato ("North Atlantic Treaty Organization", deutsch: "Nordatlantische Vertragsorganisation") ist ein internationales militärisches Verteidigungsbündnis. Sie besteht aus 30 Mitgliedsländern. Wird eines dieser Mitglieder angegriffen, wird ein sogenannter Bündnisfall ausgerufen. Wir erklären, was das bedeutet.
Artikel 5: Nato-Bündnisfall ist völkerrechtlich und im Grundgesetz verankert
Der Nato-Bündnisfall ist in Artikel 5 des Nordatlantikvertrages rechtlich geregelt. Demnach vereinbaren die Nato-Mitglieder, dass ein bewaffneter Angriff gegen mindestens ein Mitglied als ein Angriff gegen alle Nato-Mitglieder angesehen wird. Die Nato-Staaten sind dann verpflichtet, ihr völkerrechtlich verankertes Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung zu nutzen und den Angegriffenen auch mithilfe von Waffengewalt beizustehen. Dies diene dazu, "die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten", wie es in dem Vertrag heißt.
In Deutschland ist der Nato-Bündnisfall im Artikel 80a des Grundgesetzes geregelt. Wenn die Nato einen Bündnisfall feststellt, Verteidigungsmaßnahmen beschließt und die Bundesregierung dem zustimmt, eröffnet das bestimmte rechtliche Möglichkeiten für solche Ernstfälle.
Bisher ist ein Nato-Bündnisfall erst einmal ausgerufen worden
Obwohl die Nato bereits seit 1949 existiert, wurde ein Bündnisfall erst einmal ausgerufen: nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf die USA. In der Folge beschlossen alle damals noch 19 Nato-Mitglieder den Bündnisfall. Drei Tage später begann mit der "Operation Enduring Freedom" (OEF) der Militäreinsatz in Afghanistan. Er endete erst im Jahr 2021.
Beim Krieg in der Ukraine war ein Nato-Bündnisfall bislang nicht ersichtlich. Die Ukraine selbst ist kein Mitglied der Nato. Sie ist seit 2018 Beitrittskandidat. Später verankerte sie die Ziele eines Nato- und EU-Beitritts in ihrer Verfassung. US-Präsident Joe Biden hatte einen Nato-Einsatz in der Ukraine im Falle eines russischen Angriffs, wie er nun eingetreten ist, aber früh ausgeschlossen.
Der Raketeneinschlag in Polen könnte die Sachlage nun ändern. Ein Angriff auf Polen würde den Nato-Bündnisfall auslösen. (AZ)
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