Wenn es in Österreich um die Neutralität geht, dann merkt man schnell, dass diese in dem deutschen Nachbarland beinahe heilig zu sein scheint. "Österreich war neutral, Österreich ist neutral, Österreich wird auch neutral bleiben", hatte Österreichs Kanzler Karl Nehammer klargestellt, als der Krieg in der Ukraine eine große Diskussion im Land ausgelöst hatte.
Doch was bedeutet die Neutralität Österreichs, wie ist diese geregelt und warum ist das Land neutral?
Neutralität von Österreich entstand nach dem Zweiten Weltkrieg
Die Geschichte der österreichischen Neutralität beginnt im Jahr 1955. Am 26. Oktober wurde sie durch eine Beschlussfassung in die Verfassung des Landes eingearbeitet. Dies geschah einen Tag nachdem die Besatzungsgruppen der Alliierten, die das Land nach dem Zweiten Weltkrieg besetzt hielten, Österreich verlassen hatten.
"Die österreichische Neutralität entwickelte sich aus den Diskussionen um den Staatsvertrag, weil man verhindern wollte, dass Österreich so wie Deutschland getrennt wird in eine westliche Besatzungszone und eine östliche", erklärte der österreichische Journalist Conrad Seidl gegenüber dem Spiegel die damalige Denkweise. Seit dem Jahr 1965 ist der 26. Oktober zur Erinnerung Nationalfeiertag in Österreich.
Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität von Österreich
Im Bundesverfassungsgesetz von Österreich ist die Neutralität mit zwei Artikeln bedacht. Diese folgen im Wortlaut.
Artikel I.
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.
(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Artikel II.
Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.
Bedeutung der Neutralität von Österreich
Durch die Neutralität beschloss Österreich zum einen, sich selbst zu verteidigen. Ein derartiger Status bedeutet allerdings noch viel mehr. "Wenn ein Staat seine Neutralität erklärt, dann sagt er, dass er in allen zukünftigen bewaffneten Konflikten, zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikten, sich nicht einmischen wird", erklärte der Politikwissenschaftler Ralph Janik im Podcast "Parlament erklärt": "Das heißt, er wird nicht Partei ergreifen, sei es durch Waffenlieferungen, sei es durch indirekte Unterstützung, wie zum Beispiel, dass es ein Gebiet zur Verfügung stellt, dass Truppen durch sein Gebiet verlegt werden können oder indem er wirklich direkt militärisch eingreift."
Der Status der Neutralität sieht keinerlei Ausnahmen vor. Auch deswegen gibt es derzeit Diskussionen, da eine Bedrohung aus dem Osten zu einem großen Problem führen könnte. Dadurch, dass die Neutralität in der Verfassung geregelt ist, kann Österreich aber nicht in die NATO eintreten oder andere Militärbündnisse wahrnehmen. In der derzeitigen Situation nimmt das Land daher eine besondere Rolle ein.
Neutralität und Krieg in der Ukraine: Österreich trägt Sanktionen gegen Russland mit
Waffen liefert Österreich nicht an die Ukraine, das verbietet die Neutralität offenkundig. Allerdings trägt das Land Sanktionen gegen Russland mit. Das tut es auch in der Rolle eines EU-Mitgliedes, welches Österreich seit dem 1. Januar 1995 ist. Das war möglich, da es sich bei der EU nicht um ein klassisch militärisches Bündnis handelt.
Rund um den Krieg in der Ukraine sieht sich Österreich unterdessen als Vermittler. "Wir sind militärisch neutral, haben aber eine klare Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Er muss aufhören! Es braucht humanitäre Korridore, einen Waffenstillstand & vollständige Aufklärung der Kriegsverbrechen", twitterte Nehammer jüngst.
Österreichs Kanzler Nehammer trifft Putin in Moskau: Nehammer besuchte Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew und reiste dann auch zu Russlands Machthaber Wladimir Putin nach Moskau. Er avancierte dadurch zum ersten westlichen Regierungschef, der nach dem Beginn des Krieges im Kreml zu Gast war.
Ist die Neutralität von Österreich einzigartig?
"Wir sind das einzige neutrale Land. Es gibt paktfreie Staaten wie Finnland oder Schweden, aber neutral, das ist Österreich, und diese Neutralität nehmen Österreicher sehr ernst", erklärte Nehammer zuletzt. So ganz richtig ist das aber nicht.
Die Schweiz gilt als das älteste neutrale Land der Welt. "Nichts ist neutraler als die Schweiz", wurde zu einem geflügelten Wort. Außerdem gibt es weltweit noch andere Staaten, die als neutral gelten, oder dies einmal waren. Auch die Ukraine war von 1990 bis 2014 neutral. Dieser Status ist eine der Forderungen, welche Russland an das Nachbarland richtet, welches es angreift. Die Neutralität ist dieser Tage also so wichtig wie selten.