Als die Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 ihren Angriff auf Israel begannen, traten sie einen Domino-Effekt los, der über ein Jahr später zur Rebellenoffensive in Syrien führte. Israel reagierte auf den 7. Oktober mit Kriegen in Gaza und Libanon, die Hamas und Hisbollah schwächten und die Machtlosigkeit ihres Beschützers Iran demonstrierten. Die Rebellen in Syrien erkannten darin ihre Chance und griffen Staatschef Baschar al-Assad an, der ohne die gewohnte Hilfe aus Beirut und Teheran dasteht.
Innerhalb einer Woche haben sich die Machtverhältnisse in Syrien stärker verschoben als in den vergangenen fünf Jahren. Die Bedeutung des Großangriffs reicht weit über Syrien hinaus und wird den ganzen Nahen Osten verändern, selbst wenn Assad das Steuer noch einmal herumreißen könnte.
Die heutigen Islamisten-Rebellen distanzieren sich vom IS-Terror
Eine der Entwicklungen mit möglicher Langzeitwirkung ist der Niedergang des islamistischen Extremismus, wie ihn der Islamische Staat vertritt. Vor zehn Jahren töteten, folterten und brandschatzten die IS-Dschihadisten in Irak und Syrien. Heute distanzieren sich die Kämpfer unter der Führung der islamistischen Organisation für die Befreiung der Levante, abgekürzt HTS, auf ihrem Eroberungsfeldzug gegen Assads Armee vom internationalen Dschihadismus.
Die HTS kämpft unter der Fahne der syrischen Opposition, nicht unter der des Islam, und sie weist ihre Kämpfer an, Minderheiten wie die Christen zu schonen. Die Miliz ging zwar aus dem Terrornetzwerk Al-Kaida hervor, hat sich aber von einer Gruppe mit globaler Agenda zu einer auf Syrien beschränkten Organisation gewandelt. Programmatisch steht die HTS den afghanischen Taliban näher als dem IS.
Das macht aus den HTS-Kämpfern keine Demokraten. Doch die HTS-Führung hat verstanden, dass Fanatiker mit dem Ziel eines internationalen „Kalifats“ scheitern müssen. Eine Gruppe, die sich auf Syrien konzentriert und das Volk in den eroberten Landstrichen nicht zum Feind macht, hat eine Chance.
Die Fortschritte der Drohnen-Technik stärken Assads Gegner
Hinzu kommen technologische Fortschritte. Die HTS nutzt im Kampf gegen Assads Truppen moderne Drohnen, Lenkraketen und eine bessere Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen, die am Angriff beteiligt sind.
Das zerstrittene Lager der syrischen Rebellen kann damit zwar nicht geeint werden – die starken politischen, religiösen und ethischen Unterschiede bleiben bestehen. Doch moderne Technik erleichtert den gemeinsamen Kampf gegen Assad. Das kann selbst eine mögliche Gegenoffensive der Regierungstruppen nicht mehr rückgängig machen.
Der Verlierer des neuen Nahostkonflikts heißt Iran
Auch außerhalb von Syrien verschiebt sich das Machtgefüge. Verlierer ist der Iran, dessen Netz von Verbündeten im Nahen Osten immer mehr durchlöchert wird. Dagegen kann sich die Türkei zu den Siegern zählen, denn die Großoffensive der Rebellen macht es ihr leichter, ihre Ziele in Syrien zu erreichen: die syrischen Kurden zurückzudrängen und Assad zu Gesprächen über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus der Türkei zu bewegen. Israel erhält mehr Handlungsfreiheit in Syrien, um mit Luftangriffen den Waffennachschub für die Hisbollah aus dem Iran zu stören.
Die USA verlieren in Syrien an Bedeutung. Donald Trump will die verbliebenen 900 US-Soldaten aus Syrien abziehen. Das würde die syrischen Kurden weiter schwächen und die Türkei weiter stärken. An den Gesprächen darüber, wie es in Syrien weitergehen soll, nehmen neben der Türkei und den Assad-Partnern Russland und Iran die arabischen Golfstaaten teil. Die USA fehlen, an Europa denkt ohnehin niemand. Im Syrien-Konflikt geben neue Ordnungsmächte den Ton an.
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