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Wanderwitz zu AfD-Verbot: Das sind seine Pläne

Interview

CDU-Mann Wanderwitz zu AfD-Verbot: „Ich sehe keine Volksaufstände“

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    Noch in dieser Legislaturperiode des Bundestags möchte Wanderwitz einen fraktionsübergreifenden Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren einleiten. Er gilt als einer der eifrigsten Verfechter.
    Noch in dieser Legislaturperiode des Bundestags möchte Wanderwitz einen fraktionsübergreifenden Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren einleiten. Er gilt als einer der eifrigsten Verfechter. Foto: Hendrik Schmidt, dpa (Archivbild)

    Herr Wanderwitz, Sie streben ein AfD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an. Der Bundestag soll mit Mehrheit beschließen, dass Karlsruhe die Partei überprüft. Wo stehen Sie mit Ihrer Initiative?
    MARCO WANDERWITZ: Wir sind auf der Zielgeraden. Nächste Woche steht in meiner Bundestagsfraktion der Antragsentwurf, den wir fraktionsübergreifend erarbeitet haben, auf der Tagesordnung. In den anderen demokratischen Fraktionen ist das in diesen Tagen auch der Fall.

    Das heißt, der Bundestag könnte noch in diesem Jahr über das Verbotsverfahren abstimmen?
    WANDERWITZ: Wenn ich auf andere fraktionsübergreifende Initiativen zurückschaue, dann sind die meist etwa ein Vierteljahr im parlamentarischen Raum, bis am Ende abgestimmt wird. Wenn wir unser Anliegen jetzt einbringen, dann könnten die Abgeordneten darüber noch im Dezember entscheiden, oder dann nach der Weihnachtspause im Januar. Unser Zeitplan nach Karlsruhe ist diese Legislaturperiode, die noch ein knappes Jahr dauert. Im September 2025 wird ein neuer Bundestag gewählt. Alle Initiativen, die bis dahin nicht zu Ende gebracht sind, verfallen mit dem Ende der Legislatur. Wichtig ist mir folgender Punkt: Nicht der Deutsche Bundestag verbietet die AfD. Wir sind nur einer der Türwächter für ein im Grundgesetz vorgesehenes Verfahren gemäß Artikel 21. Die unabhängigen Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts fällen dann ein Urteil, ob diese Partei in aggressiv-kämpferischer Weise gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung arbeitet. So wie das bereits zweimal in der Geschichte der Bundesrepublik der Fall war.

    Und die AfD tut Ihrer Meinung nach genau dies?
    WANDERWITZ: Ja. Nehmen Sie das jüngste Beispiel aus Thüringen, als bei der Konstituierung des neuen Landtags der AfD-Alterspräsident Treutler alles dafür getan hat, um die demokratischen Institutionen verächtlich zu machen. Das Thüringer Landesverfassungsgericht musste einschreiten. Das ist das Drehbuch der AfD. Wir erleben es hier jeden Tag im Bundestag. Die AfD nutzt jedes Thema, um das parlamentarische, demokratische System zu diskreditieren. Sie ist nicht an praktischer Politik interessiert, sondern an Krawall, den sie dann vor allem über die sozialen Medien verbreitet. Alle anderen Fraktionen arbeiten auf dem Fundament unserer Verfassung, die AfD hämmert mit dem Presslufthammer 24 Stunden daran. Sie lehnt unsere freiheitliche, demokratische Ordnung ab, greift sie aggressiv an.

    Dennoch sind die Abgeordneten von den AfD-Wählerinnen und Wählern demokratisch gewählt. Bereitet es Ihnen kein Unbehagen, diese Stimmen entwerten zu wollen?
    WANDERWITZ: Nein, das bereitet mir kein Unbehagen. Der wichtigste Satz des Grundgesetzes steht in Artikel 1 und lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Als Christ sage ich: Es ist die in die Verfassung gegossene Gottesebenbildlichkeit des Menschen. Man kann den Schutz der individuellen Menschenwürde ebenso aus dem Humanismus ableiten. Jeder einzelne Mensch hat unveräußerliche Rechte, das ist die unmittelbare Lehre aus der Monstrosität des Nationalsozialismus. Die AfD hat dieses Menschenbild nicht, sie hat ein völkisch-rassisches. Sie will ein homogenes Staatsvolk, das es so nie gegeben hat, jedenfalls schon lange nicht mehr gibt. Daraus folgt dann, dass Herr Höcke „mit wohltemperierter Grausamkeit“ Millionen abschieben will, die nicht so aussehen wie er und ich. Oder, dass Herr Gauland davon spricht, die in Hamburg geborene Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoguz „in Anatolien entsorgen“ zu wollen. 

    Bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben sich jeweils rund 30 Prozent der Wähler für die AfD entschieden. Was würde passieren, wenn man „ihre“ Partei verböte?
    WANDERWITZ: Ich sehe keine Volksaufstände. Viele AfD-Wähler hängen vor allem auch einem ausgeprägten Maulheldentum an. Ein Verbot würde ihnen die demokratische Hausordnung dieses Landes klar aufzeigen. Gewisse demokratische Grundregeln und Menschenrechte stehen hier nicht zur Disposition. Es ist nicht verboten, rechtsradikal zu sein. In dem Moment, wo es zu Straftaten kommt, wie zum Beispiel zu Hakenkreuz-Schmierereien, muss die Härte des Rechtsstaats greifen. Ein Grundrecht darauf, rechtsradikale Parteien in den Parlamenten zu haben, gibt es aber nicht.

    Dennoch würde mit einem Verbot das Weltbild der AfD-Wähler und ihren Forderungen nicht einfach verschwinden, nur weil die Partei aufgelöst würde ...
    WANDERWITZ: Das ist richtig, aber diese extremen politischen Positionen hätten dann eine deutlich geringere Wirkmacht. Die AfD gewinnt an Potenzialität dadurch, dass sie leider sehr erfolgreich den Weg durch die Demokratie geht – mit dem Ziel, sie abzuschaffen. Deren Abgeordnete und Mitarbeitende machen sich 24 Stunden am Tag abzüglich ihrer Schlafenszeit am Fundament der Demokratie zu schaffen. Ein gelingendes Verbot ist die einzige Möglichkeit, der AfD ihre gewonnene Potenz zu nehmen und zum Status quo ante zurückzukehren. Das war die Zeit, als sie noch nicht Tausende mit Steuergeld bezahlte Leute hatte, die den öffentlichen Raum mit ihrer Hetze fluten. Die hätten dann eben nicht mehr den ganzen Tag, die Demokratie und ihre Institutionen verächtlich zu machen, sondern verlören mit dem Verbot ihre Mandate beziehungsweise Stellen. Ersatzgründungen wären verboten. Es geht um eine Atempause für die Demokratie.

    In ihrer eigenen Fraktion gibt es deutlichen Widerstand gegen das Verbotsverfahren. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat jüngst im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt, dass kein CSU-Abgeordneter dafür stimmen werde. Dobrindt will stattdessen die AfD wegregieren…
    WANDERWITZ: Wir sind jetzt in der relativ frühen Phase des parlamentarischen Verfahrens, will sagen, keine Fraktion hat sich das Thema zu eigen gemacht, auch meine nicht. Jetzt haben wir eben einen klassischen Gruppenantrag, der nicht von Fraktionen und Parteien, sondern von Abgeordneten getragen wird. Wir als Initiatoren werden versuchen, Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Es könnte zum Beispiel zwischenzeitlich passieren, dass weitere Landesverbände der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft werden oder sogar die Bundespartei. Wenn das passieren würde, hätten wir natürlich eine andere Lage. Die AfD radikalisiert sich ja immer weiter. 

    Im Berliner Politikbetrieb ist die Meinung weit verbreitet, dass die AfD spürbar an Rückhalt verlieren wird, wenn Deutschland die Migration in den Griff bekommt. Teilen Sie diese Einschätzung?
    WANDERWITZ: Gut regieren ist immer gut. Die AfD in Sachsen sagt zur Migration, ihre Obergrenze ist Null. Da bin ich wieder beim Kern des Grundgesetzes. Wir haben das Grundrecht auf Asyl. Keine demokratische Partei kann versprechen, die Zuwanderung auf Null zu senken. Das sollten wir auch aus anderen Gründen nicht tun. Gerade der Osten Deutschlands, aber auch das Land insgesamt, braucht wegen der Alterung massiv Menschen aus anderen Ländern, damit der Laden weiterlaufen kann. Ich nenne nur die Bereiche Gesundheitswesen, Handwerk und Gastronomie. Der durchschnittliche AfD-Wähler in Sachsen sagt aber, ich möchte keine Ausländer in meinem Dorf. Den oder seine Eltern haben auch schon zu DDR-Zeiten die vietnamesischen und mosambikanischen Gastarbeiter gestört. Die wurden in überschaubarer Zahl quasi kaserniert am Rande der Stadt. Wie Arbeitssklaven, null Integration. So lief das in der DDR.

    Wie würde es weitergehen, wenn der Bundestag Ende des Jahres für ein Verbotsverfahren in Karlsruhe votiert?
    WANDERWITZ: Die Bundestagspräsidentin würde Prozessbevollmächtigte beauftragen, das sind im Regelfall Professorinnen und Professoren der Rechtswissenschaft. Diese müssten dann einen viele Hundert Seiten starken Antrag für das eigentliche Verbotsverfahren formulieren. Die Verfassungsschutzämter müssten vorab die sogenannte Staatsfreiheit herstellen, das heißt vor allem eventuelle V-Leute abziehen. Das würde zwei Monate dauern. Unser Ziel ist es, im Sommer in Karlsruhe zu sein. Auf die Bundestagswahl hätte das keine direkten Auswirkungen, die AfD kann dort so oder so antreten. Manche Juristinnen und Juristen rechnen damit, dass das Verfahren in anderthalb Jahren abschließbar wäre, andere halten eher vier Jahre für realistisch. Das wird man dann sehen. Dauern wird es jedenfalls. Und deshalb wollen wir endlich einmal damit beginnen. Es ist höchste Zeit.

    Zur Person

    Marco Wanderwitz (49) stammt aus dem Chemnitzer Umland und vertritt seine Heimat seit 2002 im Bundestag. Der CDU-Politiker war zwischen Anfang 2020 und Ende 2021 Ostbeauftragter der Bundesregierung. Für Aufsehen sorgte seine Aussage, dass ein Teil der Ostdeutschen nicht in der Demokratie angekommen seien. Wanderwitz ist ausgebildeter Jurist und mit der Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas liiert, die auch in der CDU ist.

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