Der Bundestag soll kleiner werden. Darüber herrscht in Berlin weitgehend Einigkeit. Die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP haben sich auf einen Vorschlag geeinigt, doch in Bayern regt sich massiver Widerstand. CSU-Chef Markus Söder nannte den Vorschlag "verfassungsmäßig fragwürdig" und "nicht zustimmungsfähig".
Wahlrechtsreform im Bundestag: Was ist geplant?
Der Gesetzentwurf der Ampel sieht vor, dass der Bundestag bei der nächsten Wahl von derzeit 736 auf dauerhaft 630 Abgeordnete schrumpfen soll. Das soll erreicht werden, indem auf Überhang- und Ausgleichsmandate ganz verzichtet wird. Die 299 Wahlkreise sollen bestehen bleiben. Ausschlaggebend für die Sitzverteilung sollen allein die Zweitstimmen sein.
In diesem Modell kann es künftig passieren, dass Kandidaten, die ihren Wahlkreis direkt gewonnen haben, das Mandat nicht bekommen werden – und zwar dann, wenn nach dem Zweitstimmenergebnis ihrer Partei weniger Sitze zustehen, als sie Direktmandate geholt hat. Auch alle Parteien, die nicht über die Fünfprozenthürde kommen, sollen künftig leer ausgehen. Denn die sogenannte Grundmandatsklausel soll gestrichen werden. Demnach zieht eine Partei auch dann in den Bundestag ein, wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen, aber mindestens drei Direktmandate geholt hat. Davon hat mehrfach die Linke profitiert – zuletzt 2021, als sie bei der Bundestagswahl nur 4,9 Prozent der Zweitstimmen bekam.
Wie der Stern berichtet, plant die Ampel auch Namensänderungen. Die Zweitstimme könnte in Hauptstimme umbenannt werden, die Erststimme soll zur Wahlkreisstimme werden.
Warum soll der Bundestag genau 630 Sitze haben?
Ursprünglich sollte der Bundestag auf 598 Sitze verkleinert werden. Nun wurde die Zahl nach oben korrigiert. Dabei könnte es sich um einen Kompromiss handeln, den vielleicht auch die Unionsfraktion mittragen könnte. Wenn die Überhang- und Ausgleichsmandate wegfallen, bestünde die Gefahr, dass Wahlkreise keine direkte Vertretung im Bundestag haben.
Das könnte zum Beispiel Bayern betreffen wegen der vielen Direktmandate der CSU. Die CSU konnte im aktuellen Bundestag von 2021 45 Mandate erzielen. Laut Zweitstimmen-Verhältnis standen ihr allerdings nur 34 zu, deshalb bekam sie elf Überhangmandate. Auf diese elf Mandate müsste sie bei dem vorgeschlagenen Modell verzichten. Dadurch dass die Zahl der Sitze nun von dem ursprünglichen Vorschlag von 598 Sitzen auf 630 erhöht wurde, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass möglichst viele Wahlkreise eine direkte Vertretung im Bundestag haben.
Weshalb ist eine Wahlrechtsreform geplant?
Seit der Wahl 2021 ist der Bundestag mit 736 Abgeordneten so groß wie nie zuvor und eines der größten Parlamente weltweit. Würde der Bundestag kleiner, brächte das eine Kostenersparnis mit sich. Denn die Mandatsträger beschäftigen Mitarbeiter. Büros müssen unterhalten und Reisen bezahlt werden. Im Haushalt 2023 werden für den Bundestag Kosten in Höhe von insgesamt rund 1,14 Milliarden Euro veranschlagt. 2018 waren es 974 Millionen Euro, 2016 lagen die Ausgaben laut Bundesfinanzministerium noch bei rund 857 Millionen Euro. Wie hoch die Einsparungen konkret wären, kann aber bisher nur geschätzt werden. Voraussichtlich könnten mehrere hundert Millionen Euro eingespart werden.
Was ist die Kritik an der Wahlrechtsreform?
Die schärfste Kritik an der Wahlrechtsreform kommt von der CSU, die vom bisherigen Wahlrecht am meisten profitiert hat. Notfalls werde es eine Verfassungsbeschwerde geben, kündigte Söder an. "Die Abgeordneten werden nicht mehr gewählt, sie werden zugeteilt." Auch CDU-Generalsekretär Mario Czaja kritisierte, durch die Reformpläne werde die Union überproportional Mandate verlieren, da sie in der Vergangenheit die meisten Wahlkreise gewonnen habe. Er sprach von einem "Wahlrecht deutlich zulasten der Wahlkreisgewinner". Nach dem Bundestagsbeschluss werde man sich die genauen Änderungen am Wahlgesetz anschauen. Danach werde die Unionsfraktion über ein Normenkontrollverfahren in Karlsruhe entscheiden.
Auch der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat die geplante Wahlrechtsreform der Ampel-Koalition als "brutalen Angriff auf die Linke" bezeichnet und eine Klage beim Bundesverfassungsgericht angekündigt. "Man will damit linke Kritik an der Ampel, insbesondere Rot-Grün wollen das, verhindern", sagte Bartsch am Dienstag den Sendern RTL/ntv.
Wahlrechtsreform: Wie ist der aktuelle Stand?
Bereits am Freitag soll über die geplante Wahlrechtsreform abgestimmt werden. Für die Änderung des Wahlrechts reicht eine einfache Mehrheit. Demnach könnte die Ampel-Koalition das Gesetz auch ohne die Union beschließen.