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Wahlrechtsreform 2023: Bundesverfassungsgericht verhandelt - worum geht es?

Wahlrechtsreform

Bundesverfassungsgericht prüft Wahlrechtsreform: Worum geht es?

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    Das Bundesverfassungsgericht prüft die Wahlrechtsreform der Ampelkoalition.
    Das Bundesverfassungsgericht prüft die Wahlrechtsreform der Ampelkoalition. Foto: Michael Kappeler, dpa

    In rund eineinhalb Jahren steht die nächste Bundestagswahl an. Dabei sollen die neuen Regeln gelten, die die Ampelkoalition im vergangenen Jahr mit der Wahlrechtsreform beschlossen hat. Sicher ist das allerdings noch nicht. Denn 195 Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die bayerische Staatsregierung, die CSU, die Linke, die Linke-Bundestagsfraktion, Bundestagsabgeordnete der Linken mit über 200 weiteren Privatpersonen sowie mehr als 4000 weitere Privatpersonen haben den Gang nach Karlsruhe angetreten. Deshalb befasst sich das Bundesverfassungsgericht am Dienstag und Mittwoch in einer mündlichen Verhandlung mit der Wahlrechtsreform.

    Welche Änderungen gab es bei der Wahlrechtsreform 2023?

    Die Reform sieht vor, dass der Bundestag, der auf 736 Abgeordnete angewachsen ist, ab der nächsten Wahl dauerhaft auf 630 Mandate verkleinert wird. Die Verkleinerung des Bundestags soll erreicht werden, indem auf Überhang- und Ausgleichsmandate ganz verzichtet wird. Die 299 Wahlkreise sollen bestehen bleiben. Ausschlaggebend für die Sitzverteilung sollen allein die Zweitstimmen sein. Nach den neuen Regeln kann es künftig vorkommen, dass ein Bewerber seinen Wahlkreis zwar direkt gewinnt, aber trotzdem nicht in den Bundestag einzieht.

    Auch die sogenannte Grundmandatsklausel soll gestrichen werden. Sie bewirkt, dass eine Partei auch dann nach ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einzieht, wenn sie zwar die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, aber mindestens drei Direktmandate gewonnen hat.

    Warum wurde das Wahlrecht geändert?

    2020 hatte die große Koalition aus CDU/CSU und SPD eine Wahlrechtsreform verabschiedet, die nicht das bewirkt hat, was sie hätte bewirken sollen: eine Verkleinerung des Bundestags. Sie schaffte es lediglich, den Anstieg der Abgeordnetenzahl zu bremsen. Bei der Wahl 2021 wuchs der Bundestag von 709 auf 736 Abgeordnete. Damit ist es weiterhin das größte frei gewählte Parlament weltweit.

    Warum wird gegen die Wahlrechtsreform 2023 geklagt?

    Laut der Wahlrechtsreform 2023 wird künftig jede Partei nur noch so viele Mandate erhalten, wie ihr nach ihrem Zweitstimmenergebnis zustehen – auch dann, wenn sie mehr Direktmandate geholt hat. Die Wahlkreisgewinner mit dem schlechtesten Erststimmenergebnis gehen dann leer aus. Das kritisieren vor allem CSU und CDU. Die CSU gewann bei der Bundestagswahl 2021 45 Direktmandate, kam aber nur auf ein bundesweites Zweitstimmenergebnis von 5,2 Prozent. Sie erhielt so 11 Überhangmandate, die sie nach dem neuen Wahlrecht nicht mehr bekäme. Weitere 12 Überhangmandate holte die CDU in Baden-Württemberg. Zusammen waren das 23 von insgesamt 34 Überhangmandaten, die wiederum 104 Ausgleichsmandate zur Folge hatten.

    Bei der nächsten Bundestagswahl könnte es für die CSU besonders bitter kommen. Würde sie bundesweit hochgerechnet unter die Fünf-Prozent-Marke rutschen, flöge sie nach dem neuen Wahlrecht aus dem Bundestag – auch wenn sie wieder die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt gewinnen würde.

    Auch die Linke empört der Wegfall der Grundmandatsklausel. Sie hat von dieser Regel bislang besonders profitiert. Bei der Bundestagswahl 2021 kam sie zwar nur auf 4,9 Prozent der Zweitstimmen, aber Gregor Gysi (Berlin), Gesine Lötzsch (

    Wahlrechtsreform 2023: Worüber verhandelt das Bundesverfassungsgericht?

    Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über zwei Normenkontrollverfahren (195 Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, bayerische Staatsregierung), drei Organstreitverfahren (CSU, Linke, Linke-Bundestagsfraktion) und zwei Verfassungsbeschwerdeverfahren (mehr als 4000 Privatpersonen, Bundestagsabgeordnete der Linken mit über 200 weiteren Privatpersonen). 

    Bei einem Normenkontrollverfahren wird geprüft, ob ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das Organstreitverfahren ist eine Auseinandersetzung zwischen obersten Bundesorganen oder diesen gleichgestellten Beteiligten über ihre Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz. Antragsberechtigt sind auch einzelne Bundestagsabgeordnete und politische Parteien. Jeder kann eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung erheben, durch die öffentliche Gewalt in einem Grundrecht oder bestimmten Artikeln des Grundgesetzes verletzt worden zu sein. 

    Die Antragsteller und Beschwerdeführer sehen sich nach Angaben des Bundesverfassungsgerichts insbesondere in zwei Grundrechten verletzt: bei der Wahlrechtsgleichheit nach Artikel 38 Grundgesetz und beim Recht auf Chancengleichheit der Parteien nach Artikel 21 Grundgesetz. 

    Wann fällt das Bundesverfassungsgericht ein Urteil zur Wahlrechtsreform?

    Wann mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen ist, steht noch nicht fest. Da die nächste Bundestagswahl im Herbst 2025 ansteht, kann sich das Gericht aber nicht zu lange Zeit lassen. Zudem hat die Venedig-Kommission des Europarats in einem Verhaltenskodex festgelegt, dass etwa ein Jahr vor einer Wahl deren Regeln feststehen sollen. Demnach müsste spätestens direkt nach der parlamentarischen Sommerpause ein Urteil verkündet werden.

    Wie dieses aussehen könnte, lässt sich noch nicht vorhersagen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte keine verfassungsrechtlichen Bedenken und unterzeichnete das Gesetz daher. Das Bundespräsidialamt machte dabei deutlich, dass der Gesetzgeber nach dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr frei in der Ausgestaltung des Wahlrechts sei. Doch auch am Bundesverfassungsgericht ist das Wahlrecht ein umstrittenes Thema. Das zeigte das Urteil zur Wahlrechtsreform von 2020. Mit fünf zu drei Richterstimmen fiel es sehr knapp aus. (mit dpa)

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