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Wahlkampf: Moortherapie: Baerbock und Habeck stellen Klimapaket vor

Wahlkampf

Moortherapie: Baerbock und Habeck stellen Klimapaket vor

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    Annalena Baerbock und Robert Habeck stellen das "Klimaschutz-Sofortprogramm" vor.
    Annalena Baerbock und Robert Habeck stellen das "Klimaschutz-Sofortprogramm" vor. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Hinter ihnen glitzert der Hellsee in der Sonne, hohe Buchen spenden Schatten. Der Schrei eines Greifvogels ist in der Ferne zu hören. Annalena Baerbock redet mit Robert Habeck über den Schutz des Klimas, die Rettung des Planeten. Es ist der erste gemeinsame Auftritt der beiden Grünen-Spitzenpolitiker nach der politischen Beinahe-Scheidung. Sie haben viel zu besprechen im Moor bei Biesenthal nördlich von Berlin. Das Ambiente könnte lauschig sein, würden nicht zwei Dutzende Journalisten jedes Wort registrieren.

    Baerbock setzte den Wahlkampfauftakt so kolossal in den Sand, wie es niemand für möglich gehalten hätte. Habeck musste derweil seinen Schmerz verwinden, vorerst keine Chance auf das Kanzleramt zu haben. In einem langen Interview gestand er, wie enttäuscht er war. Er hatte sich daraufhin öffentlich mit wenigen Ausnahmen von Baerbock zurückgezogen, machte zuletzt an der Küste Solo-

    Chemie zwischen Kanzlerkandidatin Baerbock und Habeck stimmt

    „Das Klima ist bestens“, sagt der 51-Jährige nun. Er meint damit natürlich nicht das Welt-Klima, sondern die Chemie zwischen ihm und der Kanzlerkandidatin. Beide würden außerdem sowieso ständig miteinander reden, da brauche es keinen Extratermin. Habeck, der die menschliche Härte aus der Politik verbannen will, hat sich im Griff.

    Annalena Baerbock sagt nichts dazu, wie es zwischen ihr und ihm steht. Sie verzichtet auch darauf, in Sack und Asche zu gehen ob ihrer Patzer. Im pfefferminzgrünen Lederjäckchen spricht sie über den Neustart ihrer Kampagne, für den der Auftritt mit Habeck der Auftakt ist. Nur nicht noch einmal den eigenen Murks thematisieren, der aufgehübschte Lebenslauf, das hingeschluderte Buch, die verspätet gemeldeten Nebeneinkünfte. „Der Wahlkampf geht am Montag richtig los“, sagt sie. Dann werden die Grünen im ganzen Land ausschwärmen müssen, um die Sache für ihre angeschlagene Anführerin doch noch zu drehen.

    Hilft die Flut in Westdeutschland den Grünen im Wahlkampf?

    Baerbock hat eine zweite Chance erhalten. Die Sturzflut in Westdeutschland hat das Klima zum wichtigsten Thema neben Corona gemacht. Die Kandidatin profitiert davon, dass ihr Hauptkonkurrent Armin Laschet von der CDU sich bislang als Krisenmanager nicht bewährt hat. Die Rückkehr des Klimathemas hat bei den Grünen den Rückgang in den Umfragen gestoppt. Die Schwäche des Unions-Kanzlerkandidaten hält die Hoffnung am Leben, Laschet irgendwie doch schlagen zu können. Deshalb spielen sie jetzt das Thema, das sie am besten können.

    Unter Buchen, Eichen und Kiefern präsentieren Baerbock und Habeck ein Klimaschutzsofortprogramm. Das meiste steht bereits im Wahlprogramm, doch im Sommerloch nutzen eben alle ihre Möglichkeit. Baerbock hat sich gut vorbereitet, sie stellt im freien Vortrag die Kernpunkte vor. „Die Klimakrise ist nichts Abstraktes. Sie passiert mitten unter uns“, leitet sie ein. Sollte die 40-Jährige die Wahl gewinnen, will sie schon in den ersten 100 Tagen mehr für den Klimaschutz tun als Große Koalition in den letzten vier Jahren.

    Und selbst wenn die Grünen nur Juniorpartner werden sollten, was derzeit wahrscheinlich ist, wollen sie auf zentralen Punkten bestehen: Raus aus der Kohle bis 2030, ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf der Autobahn, eine CO2-Abgabe von 60 Euro und der massive Ausbau von Windrädern und Solaranlagen (auch auf Dächern). Ein Klimaschutzministerium soll ein Veto-Recht gegen alle anderen Ministerien bekommen. Es geht um nichts weniger als das größte Klimaschutzpaket, „das es jemals gegeben hat“.

    Zwischen Baerbock und Habeck stimmt das Klima - für das andere Klima planen sie ein Sofortpaket.
    Zwischen Baerbock und Habeck stimmt das Klima - für das andere Klima planen sie ein Sofortpaket. Foto: Christian Grimm

    Baerbock und Habeck erweisen sich im Biesenthaler Moor als gutes Team

    Die Nachfragen der Journalisten zu den Feinheiten des Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft übernimmt meist Habeck. Sind seine Worte zunächst norddeutsch verwaschen, gewinnt er mit der Zeit an Klarheit, ist konzentriert bei der Sache, ohne Baerbock zu überstrahlen. Der Ort ist kein Zufall, er steht für den Schulterschluss mit den Naturschutzorganisationen. Das Biesenthaler Moor will der Nabu wieder zum echten Moor machen, nachdem es wie fast alle Moore in Deutschland trocken gelegt wurde. „Vernässen“ ist der Fachbegriff, den die Spitzengrünen erklärt bekommen.

    Für den gemeinsamen Auftritt wählten Baerbock und Habeck ein sumpfiges Gelände aus.
    Für den gemeinsamen Auftritt wählten Baerbock und Habeck ein sumpfiges Gelände aus. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Klar wird bei dem Ortstermin aber auch, dass Umweltschutz immer zwei Seiten hat: Wenn die Grünen mehr Windräder in die Landschaft stellen wollen, werden mehr Fledermäuse und Vögel durch die Rotoren geschreddert. Dieser Konflikt spaltet auch das grüne Milieu. Und dann sind da noch die anderen, die Baerbock gewinnen muss, will sie erfolgreich sein.

    Ganz ohne Fehler klappt es nicht: Baerbock verwechselt die Region

    Fast hätte Baerbock den Auftritt fehlerlos gemeistert, doch am Ende fehlt es wieder einmal an Konzentration. Zum Abschluss eines kleinen Spaziergangs durch den Wald, der wieder Moor werden soll, verortet die frühere Brandenburger Landesvorsitzende Biesenthal in den Oderbruch. Das Fleckchen liegt aber im Barnimer Land.

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