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Wahlkampf in Österreich: Mit Bundeskanzler Karl Nehammer, Kommunisten und der Bierpartei

Österreich

In Österreich tobt der Wahlkampf - mit Kommunisten und der Bierpartei

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    Sehnsuchtsort für viele österreichische Kleinparteien: Das Parlamentsgebäude auf der Wiener Ringstraße. Am 29. September wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt.
    Sehnsuchtsort für viele österreichische Kleinparteien: Das Parlamentsgebäude auf der Wiener Ringstraße. Am 29. September wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. Foto: Roland Schlager, APA/dpa

    Sollte es in den vergangene Wochen so etwas wie ein „politisches Sommerloch“ gegeben haben in Österreich – die Ereignisse um die abgesagten Taylor-Swift-Konzerte und den mutmaßlich vereitelten Terroranschlag von vergangener Woche haben eine allfällige sommerliche Lethargie und Ruhe mit einem Schlag beendet: Erwartungsgemäß ist die Causa rund um die festgenommenen Jugendlichen IS-Sympathisanten, über deren mutmaßliche Anschlagspläne mehr und mehr bekannt wird, gleichsam ein Startschuss für die heiße Phase des Wahlkampfs. Sechs Wochen sind es noch, bis am 29. September ein neuer Nationalrat gewählt wird, und nun, Mitte August, heizt sich an der Sicherheitsdebatte und den vielen offenen Fragen rund um die offenbar kleine islamistische Zelle, die nur mithilfe des US-amerikanischen Auslandsgeheimdienstes NSA entdeckt werden konnte, der Wahlkampf auf.

    Vor allem die ÖVP von Kanzler Karl Nehammer versucht alles, das Thema für sich zu nutzen: Die Partei will ein „Islamismus-Verbot“ analog zum geltenden NS-Verbotsgesetz. In aller Eile legten die Konservativen, federführend deren Innenminister Gerhard Karner, ein Gesetzespaket zur Messenger-Überwachung vor – und scheiterte damit am Mittwoch im Nationalen Sicherheitsrat, auch der kleinere Koalitionspartner, die Grünen, wollen hier nicht mit. Zu groß ist dort wie auch in der Opposition die Sorge vor Massenüberwachung, zu unausgereift sei der Vorschlag. Für die ÖVP offenbar Grund genug, alle anderen Parteien, auch die Grünen, als „Einheitspartei“ zu bezeichnen – ein Ausdruck, mit dem zuvor nur die extrem rechte FPÖ von Herbert Kickl aufgefallen war. In den kommenden sechs Wochen gilt politisch in Österreich: Jeder gegen jeden, Rücksicht auf die politische Kultur scheint in der Alpenrepublik nicht mehr zu finden sein.

    Wahl in Österreich: Vier Kleinparteien treten bundesweit an

    Von dieser Stimmung dürften vor allem jene profitieren, die neu sind, in der politischen Parteienlandschaft: Gleich vier Kleinparteien haben es bundesweit auf den Stimmzettel geschafft. Eine davon ist die „Liste Madeleine Petrovic“ der gleichnamigen, ehemaligen Grünen Bundesvorsitzenden – und sie könnte der FPÖ von Herbert Kickl, die nach wie vor stabil die Umfragen anführt, durchaus unangenehm werden. Die Ex-Grüne ist seit der Pandemie ins Milieu der Corona-Verharmloser und Impfgegner abgedriftet.

    Die Aufmerksamkeit liegt im Feld der Kleinparteien aber vor allem auf einem: Dominik Wlazny, 37-jähriger Mediziner und Chef der Bier-Partei. Seit Monaten liegt der Punk-Musiker und Unternehmer mit seiner Partei stabil über der Vier-Prozent-Hürde, ein Einzug ins Parlament scheint damit aktuell durchaus möglich. Das Rezept, mit dem Wlazny antritt, ist rasch erklärt: Eine Bürgerbewegung will die Bier-Partei sein, gerichtet nicht an ein spezielles Wähler-Segment, sondern an alle, die etwas verändern wollen. „Bin In Einer Reformbewegung“, mit diesem Akronym rahmt Wlazny jetzt den Namen seiner Partei, die er als Spaßprojekt angemeldet hatte – mit der er nun, wie er betont, ernsthaft Politik machen will.

    Dominik Wlazny, Vorsitzender der Bierpartei, träumt davon, in Österreich in den Nationalrat einzuziehen. Die Chancen stehen gar nicht schlecht.
    Dominik Wlazny, Vorsitzender der Bierpartei, träumt davon, in Österreich in den Nationalrat einzuziehen. Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Foto: Robert Jaeger, APA/dpa

    Die Bier-Partei will sich nicht in ein Rechts-Links-Schema pressen lassen

    Ein Parteiprogramm gibt es nicht, das heißt bei Bier „Menü“ und wird über „Bürgerstammtische“ erarbeitet – und auch nur scheibchenweise der Öffentlichkeit vorgestellt. Interviews mit dem Parteichef sind nicht leicht zu bekommen. Das Momentum einer „jungen, frischen und unverbrauchten“ Kraft, die „weder auf Bünde, Lobbys noch auf Interessensvertretungen oder auf Landeshauptleute Rücksicht“ nehmen müsse, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion sagt, will sich Wlazny nicht nehmen lassen. Er legt Wert darauf, dass es ihm um „konstruktive Vorschläge“ geht und nicht um Ideologie. Links, rechts, das spiele keine Rolle: „Diese Verortung passiert auch ohne mein Zutun, und ich will das auch gar nicht befeuern.“ Viel lieber redet Wlazny über sein „Entpolitisierungspaket“, mit dem die Bier-Partei unter anderem den öffentlich-rechtlichen ORF reformieren will. Dazu noch etwas über das linke Kern-Thema leistbares Wohnen, auf das er setzt. Aber auch hier will sich Wlazny nirgendwo einordnen lassen: „Dann mögen manche sagen, dass das eine ‚linke Idee‘ ist. Ich find‘ es eine gescheite Idee.“

    Dass man um ein ähnliches Wähler-Segment konkurriere, will Tobias Schweiger so nicht erkennen. „Leute, die die Bier-Partei wählen, haben ganz andere Motive: Die sind auf den Politikbetrieb sauer, da geht’s um Verdrossenheit, um Leute, die sich nichts mehr erwarten von den Parteien und die sich darüber freuen, dass ‚Bier‘ sich über diese lustig macht“, sagt der Spitzenkandidat der österreichischen Kommunisten. Die KPÖ machte in den vergangenen Monaten Schlagzeilen mit fulminanten Wahlerfolgen in der Steiermark und in Graz, zuletzt in Salzburg. Der 34-jährige studierte Philosoph und Politikwissenschaftler Schweiger ist überzeugt: Dass auch die Sozialdemokraten unter ihrem Parteichef Andreas Babler stark auf das Thema leistbares Wohnen setzen, wird dem Zuspruch zur KPÖ keinen Abbruch tun. „Bei politischen Parteien geht es um Vertrauen und Kohärenz. Und die Sozialdemokratie gibt nicht das Bild ab, als würden dort alle an einem Strang ziehen“, zielt Schweiger auf die internen Kämpfe in der SPÖ ab. Die KPÖ als „politische Caritas“, als „Linkspopulisten“, wie der Vorwurf vielfach lautet? „Ich sehe darin nichts Populistisches, Menschen zu vertreten, die jeden Euro dreimal umdrehen müssen. Wenn andere Parteien ihre jeweiligen Gruppen vertreten, ist das auch kein ‚Populismus‘, bei uns aber schon“, sagt Schweiger.

    Wie groß der Zuspruch für die kleinen Parteien sein wird, ist auch für Wahlforscher aktuell noch recht schwer einzuschätzen. Im Herbst könnten sie ein entscheidender Faktor werden. 

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