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Niederlande: Was ist in den Niederlanden los?

Niederlande

Was ist in den Niederlanden los?

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    Geert Wilders, Parteivorsitzender der Partei für die Freiheit (PVV), hat die anderen Parteien bei der Wahl hinter sich gelassen.
    Geert Wilders, Parteivorsitzender der Partei für die Freiheit (PVV), hat die anderen Parteien bei der Wahl hinter sich gelassen. Foto: Koen van Weel, dpa

    Er scheint es selbst zunächst kaum fassen zu können. Ungläubig schlägt sich Geert Wilders die Hände vors Gesicht, als die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm flimmern. Der Balken für seine "Partij voor de Vrijheid" (PVV) steht ganz oben in der langen Liste der Parteien. "35!", ruft er. 35 Sitze im Parlament – am Ende sollen es sogar 37 für die Partei für die Freiheit werden. Die Rechtsextremen sind damit stärkste Kraft bei der niederländischen Parlamentswahl. Mit Abstand. Es ist nicht nur Wilders, der es kaum fassen kann. Während der 60-Jährige wenig später von einem „Mega-Sieg“ schwärmt und ein „historisches Ergebnis“ feiert, stehen die politischen Konkurrenten wie auch Beobachter im In- und Ausland regelrecht unter Schock. Ein Erdrutschsieg ausgerechnet für den „niederländischen Donald Trump“? Für den Mann, der Moscheen schließen und den Koran verbieten will? Der den Austritt der Niederlande aus der EU fordert, wegen Beleidigung von Marokkanern verurteilt wurde und Klimaschutzpolitik als unnötige Hysterie abkanzelt?

    Wilders, gefühlt der Mann von gestern, ist plötzlich der Mann von heute. Aber wird er auch der Ministerpräsident von morgen? Die große Herausforderung für Wilders ist nun, andere Parteien als Koalitionspartner an sich zu binden. Für eine Mehrheit wären mindestens drei Parteien nötig. Der Populist beeilte sich deshalb zu betonen, dass sein Sieg respektiert werden müsse. Und präsentierte sich wie schon in den vergangenen Wochen geschickt versöhnlich und bereit zu Kompromissen. Seit Wochen mäßigt Wilders seinen Ton und tritt ungewöhnlich moderat auf. So strich er etwa seine Hasstiraden gegen den Islam von den Redeblättern. Würden sich die konservativen Gruppierungen tatsächlich auf einen Pakt mit dem Radikalen einlassen? „Bei diesem Ergebnis wird man ihn kaum ignorieren können“, sagt Hardy Ostry, Leiter des auch für Holland zuständigen Europabüros der Konrad-Adenauer-Stiftung. Andernfalls drohe eine Demokratiedebatte.

    Migration war das bestimmende Thema der Wahl in den Niederlanden

    Drei Erkenntnisse lassen sich aus der Wahl ziehen: Die Niederländer straften die bisherige Regierung ab. Die Menschen im ländlichen Raum lehnten sich gegen die städtischen Eliten auf. Und die Bürger stimmten für eine stärkere Eindämmung der Migration. Während andere Parteien konsequentere Abschiebungen sowie eine Asyl-Obergrenze verlangten, findet Wilders, das Land dürfe keinen einzigen Asylbewerber aufnehmen. Am Mittwochabend versprach er, das zu stoppen, was er einen „Tsunami an Flüchtlingen“ nannte. Ob es um die Knappheit an Wohnraum, die gestiegenen Preise oder die Mängel in der Gesundheitsversorgung ging – die Schuld an allen Problemen sehen die rechten Wahlkämpfer bei den Migranten. Tatsache ist: Das Land mit etwa 18 Millionen Einwohnern ist eines, der am dichtesten besiedelten der Welt. Im vergangenen Jahr kamen 224.000 Migranten, doch nur eine Minderheit davon, etwa 46.000, waren Asylsuchende und ihre Angehörigen. Der Rest bestand aus Arbeitsmigranten und Auslandsstudenten. Offen bleibt zudem, wie Wilders seine Vorstellungen von geschlossenen Grenzen in eine Regierungskoalition übersetzen will, „ohne dass er alles vergisst und verrät, was er mal versprochen hat“, sagt Ostry. Das jedoch erfordere die pragmatische Tagespolitik.

    Auch das Ausland traut seinen Augen nicht. Holland – stand das nicht mal für Flower Power und das von Chansonnier Herman van Veen besungene "zärtliche Gefühl"? War das nicht mal das Land, in dem gerade Deutsche das Gefühl hatten, freier durchatmen zu können? Weil alles etwas lockerer und toleranter zugeht? Dieses Bild traf so wohl immer nur auf die Hauptstadt Amsterdam zu. Schon vor über 20 Jahren gab es erstmals einen kräftigen Rechtsruck, als der Soziologie-Professor Pim Fortuyn als erster Populist durchstartete. Kurz vor seinem vorausgesagten Erdrutschsieg bei der Parlamentswahl von 2002 wurde er von einem militanten Tierschutz-Aktivisten auf einem Parkplatz erschossen. 

    Für die EU werden die Debatten schwieriger

    Auch in Brüssel wächst die Unruhe. Was kommt auf die Union zu, sollte der EU-Feind Wilders bald mit am Tisch der 27 Staats- und Regierungschefs sitzen? Es dürfte schwierig werden und das nicht nur, weil im Wahlprogramm die Forderung nach einem „Nexit“ festgeschrieben steht. Der Putin-Fan könnte auch die Unterstützung für die Ukraine gefährden. Zu den ersten Gratulanten gehörte denn auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der in Anspielung auf das Lied „Wind of Change“ von den Scorpions einen „Wind des Wandels“ prognostizierte. Als Gründungsmitglied und führende Wirtschaftsnation genießen die Niederlande großes Gewicht in Brüssel. „Die Niederländer waren nie EU-euphorisch, aber sie waren immer solide dabei“, sagt Ostry. So ist das Land etwa in handels- und fiskalpolitischen Angelegenheiten seit dem Weggang der Briten insbesondere für Deutschland „immer ein seriöser Partner gewesen“.

    Und auch in Deutschland wird das Ergebnis wohl genau registriert und dürfte teilweise die Alarmglocken schrillen lassen. Die oft gehörte Beschwichtigung, gute Umfragewerte für extreme Parteien bedeuteten noch lange nicht, dass die Leute dann auch wirklich so wählen würden, hat sich zumindest für die Niederlande als Wunschdenken herausgestellt. (mit dpa)

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