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Wahlen in Ostdeutschland: In der Zange zwischen links und rechts

Wahlen in Ostdeutschland

In der Zange zwischen links und rechts

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    In Thüringen könnte das BSW aus dem Stand heraus zweitstärkste Kraft werden.
    In Thüringen könnte das BSW aus dem Stand heraus zweitstärkste Kraft werden. Foto: Hannes P. Albert, dpa

    Es sind Aussichten, die – sollten sie sich bewahrheiten - nichts anderes wären als ein politisches Erdbeben: Zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland wächst bei den etablierten Parteien die Sorge, dass sie von den Gruppierungen am rechten und linken Rand des Parteienspektrums regelrecht erdrückt werden. Vor allem in Thüringen deuten die Umfragewerte dies an: Die AfD mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke kommt aktuell auf 30 Prozent und hat sich damit eine Führung erkämpft, die ihr kaum noch zu nehmen sein dürfte. Um Platz zwei ringt das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) - obwohl der Thüringer Landesverband erst im März dieses Jahres gegründet worden war. In keinem westdeutschen Bundesland haben sich die Kräfteverhältnisse so stark verschoben. „Zwischen dem Osten und Westen der Republik unterscheidet sich die Parteienlandschaft dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung immer stärker“, analysiert Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstitutes Forsa. „Im Osten wird das sich in der alten Bundesrepublik herausgebildete politische System im Würgegriff von AfD und BSW geradezu geschreddert.“

    Was haben AfD und BSW gemeinsam?

    Der Lyriker und Liedermacher Wolf Biermann sieht zwischen AfD und dem BSW sogar viele Gemeinsamkeiten. „Wagenknecht und Höcke sind das politische Brautpaar der Stunde. Da wächst in der Ex-DDR zusammen, was zusammengehört: die Erben des Hitlerschen Nationalsozialismus und des Stalinschen Nationalkommunismus“, sagte Biermann der Wochenzeitung Die Zeit mit Blick auf die Landtagswahlen im September. „Die blaue AfD und die falschen Roten von Wagenknecht stehen beide aufseiten von Putin in diesem blutigen Ukrainekrieg. Echte Braune und falsche Rote verachten die Regenbogenfarben der Demokratie“, sagte Biermann, der 1976 aus der DDR ausgebürgert wurde.

    Zum Verhalten ihrer Sympathisanten hat der frühere DDR-Dissident eine klare Haltung: „Die, die zu feige waren in der Diktatur, rebellieren jetzt ohne Risiko gegen die Demokratie. Den Bequemlichkeiten der Diktatur jammern sie nach, und die Mühen der Demokratie sind ihnen fremd.“ Ihre Scham zerfresse ihr Selbstwertgefühl. „Ihr altes Leben verklären sie und wählen AfD oder die neue Firma von Sahra Wagenknecht.“

    BSW-Anhänger gehen der SPD verloren

    Tatsächlich gibt es viele inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen AfD und BSW: Beide Parteien sind für eine deutliche Begrenzung der Zuwanderung, sie sprechen sich gegen Sanktionen gegen Russland aus und sehen politische Maßnahmen gegen den Klimawandel eher skeptisch. Doch so nah die Wählerinnen und Wähler von AfD und BSW durch ihre Ablehnung der Parteien und der Politik der Mitte scheinen, so unterschiedlich ist das Spektrum, das sie ansprechen. „Das BSW hat – anders als von vielen gemutmaßt – kaum Zulauf von AfD-Anhängern erhalten“, so Forsa-Chef Güllner. Den größten Teil ihrer Anhänger habe das BSW aus dem linken politischen Segment gewonnen. Jeder vierte jetzige Anhänger des BSW in Ost wie West hat zuvor die SPD gewählt, so das Ergebnis der Forsa-Umfrage. 22 Prozent der BSW-Anhänger im Osten und 13 Prozent im Westen sind von der Linken zum BSW gewandert. „Damit setzt Sahra Wagenknecht das fort, was ihr Ehemann Oskar Lafontaine 2005 mit der Gründung der WASG und deren späterer Überführung in die Linke begonnen hatte, nämlich eine entscheidende Schwächung der SPD“, sagt Güllner. „Darüber hinaus wird – wie es Oskar Lafontaine auch im Saarland schon vorexerziert hat – auch die Linke durch Wagenknecht wohl endgültig geschreddert.“

    Anders sieht es bei der AfD aus. Deren Anhänger würden sich aktuell wieder zu einem größeren Teil im rechten politischen Spektrum verorten als noch Ende letzten Jahres. „Damals war es der Partei gelungen, viele der vor allem mit der Energiepolitik der Ampel nicht Zufriedenen auch aus der politischen Mitte als Anhänger zu gewinnen“, erklärt Güllner. Doch seit der Potsdamer „Remigrations-Konferenz“ und den daraufhin erfolgenden Protesten gegen rechtsextremistische Tendenzen habe die Partei einen großen Teil dieser Zuwanderer aus der politischen Mitte wieder verloren.

    Die Unterschiede zwischen Ost und West in der Parteienpräferenz zeigen sich längst nicht nur auf Landesebe. „Die Ampel-Parteien wie auch die CDU-Opposition würden bei einer Bundestagswahl in den neuen Ländern im Sommer 2024 nur noch von einer Minderheit gewählt werden, während die AfD im Osten doppelt so viele und das BSW sogar dreimal so viele Wählerstimmen erhalten würde wie im Westen der Republik“, so Güllner.

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    2 Kommentare
    Richard Markl

    Biermanns Beschreibung der politischen Situation im Osten ist brilliant und bitter zugleich!

    Jochen Hoeflein

    Hr. Biermanns Meinung zum UA Krieg ist bereits bekannt, das braucht nicht nochmals betont werden. Die Regenbogenfarben Demokratie ist im Westen DEU auch nicht mehr unumstritten. Auch im Westen wenden sich die Wähler von den Grünen und der SPD zunehmend ab. Dafür hat die Ampel in den letzten 2 Jahren zu viel verbockt und den Grünen wurde zu lange freie Hand in Wirtschafts- und Kulturpolitik gelassen. Schamlose Ausnutzung der liberalen Migrationspolitik finden sich bundesweit unter dem Beifall der Grünen. Nur im Osten ist halt der Widerstand dagegen größer.

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