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Wahlen in Israel: Das gespaltene Westjordanland ist Symbol des Nahost-Konflikts

Wahlen in Israel

Das gespaltene Westjordanland ist Symbol des Nahost-Konflikts

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    Links fahren die Palästinenser, die rechte Seite ist für israelische Siedler reserviert. Das Bild von einer neuen Landstraße nahe Jerusalem steht symbolisch für den Konflikt im Westjordanland.
    Links fahren die Palästinenser, die rechte Seite ist für israelische Siedler reserviert. Das Bild von einer neuen Landstraße nahe Jerusalem steht symbolisch für den Konflikt im Westjordanland. Foto: Thomas Coex, Getty

    Eine Straße im Westjordanland steht symbolhaft dafür, dass der Weg zu einer Friedenslösung blockiert ist. Seit Anfang des Jahres teilt ein blickdichter Zaun über mehrere Kilometer hinweg die Landstraße 4370 nordöstlich von Jerusalem: Auf der einen Seite fahren Israelis, auf der anderen Fahrbahn Palästinenser. Eine Zwei-Straßen-Lösung gewissermaßen, die zeigt, in welch weite Ferne die Zwei-Staaten-Lösung gerückt ist.

    Am Wochenende war es der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der einen weiteren Nagel in den Sarg für das jahrzehntealte Friedenskonzept hämmerte: Kurz vor den Parlamentswahlen, die am Dienstag stattfinden, kündigte der durch Korruptionsvorwürfe unter Druck geratene konservative Regierungschef an, dass er beabsichtige, Teile des von Israel besetzten Westjordanlandes zu annektieren.

    Israel: Rechte Politiker und viele Siedler wollen die Annexion

    Damit nimmt Netanjahu eine alte Forderung rechter Politiker und vieler der über 600.000 israelischen Siedler auf, die sich im Westjordanland niedergelassen haben. Ex-Militärchef Benny Gantz, Anführer des konservativ-liberalen Oppositionsbündnisses Blau-Weiß, das nach vielen Umfragen knapp vor Netanjahus rechtskonservativem Likud liegt, sprach sofort von einer durchsichtigen Wahlkampfaktion seines Kontrahenten. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Ankündigung weit mehr ist als das.

    Für die Nationen, die 1947 den UN-Teilungsbeschluss für Palästina ausarbeiteten, war klar, dass das Westjordanland das Kerngebiet für einen palästinensischen Staat bilden sollte – abgegrenzt zu dem jüdischen Pendant zwischen Jordan und Mittelmeer. Doch den arabischen Staaten reichte das nicht: Im Mai 1948 marschierten Streitkräfte unter Führung von Ägypten, Jordanien und Syrien in Israel ein. Aber die Truppen wurden von der israelischen Armee geschlagen. Israel vergrößerte sein Staatsgebiet auf Kosten der palästinensischen Gebiete um fast 40 Prozent. Ein Trauma für die Palästinenser: Rund 700.000 flohen, circa 120.000 wurden 1952 in Israel eingebürgert. Was vom Westjordanland übrig blieb, besetzte Jordanien. Zurück blieben enttäuschte Hoffnungen und Hass.

    Nach dem Sechs-Tage-Krieg besetzt Israel das Gebiet

    Die Spannungen entluden sich in Terror und Kriegen. Einschneidend war die vernichtende Niederlage der arabischen Verbündeten im Sechs-Tage-Krieg 1967. Diesmal war es die israelische Armee, die nach einer

    Doch auch in Israel gab es zwiespältige Gefühle: „Die Ergebnisse des Krieges sind wie eine wunderbare Hochzeit. Die Mitgift ist großartig. Das einzige Problem ist, dass wir die Braut nicht wollen.“ Diese Äußerung wird dem damaligen Premier Levy Eschkol zugesprochen. Die Braut, das war für Eschkol die palästinensische Bevölkerung. Allerdings lag auch den Palästinensern nichts ferner, als die Braut zu spielen. Nachdem es den arabischen Staaten auch im Jom-Kippur-Krieg von 1973 trotz Waffenlieferungen aus der Sowjetunion und anfänglicher Erfolge, nicht gelang, Israel zu besiegen, verlagerte sich der Konflikt. Auf der einen Seite gab es Friedensgespräche, auf der anderen Seite wehrten sich die Palästinenser mit Streiks, Aufständen – der Intifada – und weiterhin mit Terror.

    Das Oslo-II-Abkommen galt als große Chance

    Als große Chance, die Lage zu verbessern, galt das 1995 nach israelisch-palästinensischen Geheimverhandlungen geschlossene Oslo-II-Abkommen, das die Selbstverwaltung der Palästinenser stärken sollte. Das Westjordanland blieb zwar besetzt, wurde aber in verschiedenen Zonen aufgeteilt. Erklärtes Ziel blieb eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Idee dahinter: Mehr Selbstbestimmung für die Palästinenser – mehr Sicherheit für Israel. Doch der Ansatz scheiterte an Terroranschlägen gegen Israel, der Intifada und am ungebremsten Siedlungsbau Israels. Heute sind weit über 200 Siedlungen über das Westjordanland, das völkerrechtlich nach wie vor nicht zu Israel gehört, verstreut. Die, je nach Quelle, rund zwei Millionen Palästinenser haben kaum Hoffnungen auf einen Staat.

    Israel steckt jedoch ebenfalls in einer Sackgasse. Bei einer Annexion des kompletten Westjordanlandes, die auch Mitglieder der Regierungskoalition schon gefordert haben, müsste Israel die Palästinenser dort zu Staatsbürgern machen. Mit der Folge, dass die nichtjüdischen Neubürger Wahlen entscheiden könnten. Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, wäre, die bürgerlichen Rechte der Palästinenser einzuschränken. Das aber wäre Apartheid, einer Demokratie unwürdig. Dieses Dilemma ist Netanjahu bewusst. Sein Konzept: jüdisch besiedelte Teile des Westjordanlandes annektieren, Selbstverwaltung für die palästinensisch dominierten Gebiete – allerdings militärisch kontrolliert durch Israel.

    Die Frage ist, wie diese Strategie Frieden bringen soll.

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