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Wahlen in den USA: J.D. Vance - der Mann mit den vielen Gesichtern steht unter Druck

Wahlen in den USA

J.D. Vance - der Mann mit den vielen Gesichtern steht unter Druck

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    Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance kämpft gegen einen Fehlstart.
    Der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance kämpft gegen einen Fehlstart. Foto: Jae C. Hong, AP/dpa

    Für den neuen Star der Republikaner J. D. Vance läuft es nicht wirklich gut, seit ihn Donald Trump überraschend zu seinem Vizekandidaten ausgerufen hat. Pünktlich zu seinem 40. Geburtstag kämpft der junge Senator aus Ohio, nicht nur mit früheren frauenfeindlichen Aussagen und durchgestochenen alten Privat-E-Mails, sondern neuerdings auch als unfreiwillige Spottfigur mit Fakenews im Internet. 

    „Nein, J. D. Vance hatte keinen Sex mit einer Couch“

    Ein unbekannter Scherzbold log, dass Vance in seinem gefeierten autobiografischen Weltbestseller „Hillbilly-Elegie“ seitenweise über Selbstbefriedung mit Couchkissen geschrieben habe. Zwar konnte jeder Buchleser nachschlagen, dass dies ebenso wie die genannte Quellenangabe frei erfunden war. Zur Katastrophe für Vance kam es aber, als sich die angesehene Nachrichtenagentur Associated Press bemüßigt fühlte, dem Netzgerücht einen „Faktencheck“ zu widmen: Der später zurückgezogene AP-Text „Nein, J. D. Vance hatte keinen Sex mit einer Couch“ schenkte den Late-Night-Shows ein dankbares Thema. Und ebenso den Kreativen des Internets: Trickfilme, in denen Sofas gegen Übergriffe demonstrieren („Couches for Kamala“) sind in den USA ein Hit auf TikTok.

    Noch unangenehmer für Vance wirken echte Aussagen des Republikaners, die derzeit aus US-Archiven gekramt werden: Allen voran geht es um eine Talkshow des rechten Fernsehsenders Fox-News von 2021, in der Vance gegen kinderlose Frauen und gegen schwule Politiker und Unternehmer wetterte: „Wir werden in diesem Land durch die Demokraten und Konzernoligarchen von einem Haufen kinderloser Katzenladys regiert, die mit ihrem eigenen Leben und den Entscheidungen, die sie getroffen haben, unzufrieden sind“, sagte Vance. „Und deshalb wollen sie auch den Rest des Landes unglücklich machen.“ Namentlich erwähnte er dabei Vizepräsidentin Kamala Harris und den demokratischen Verkehrsminister Pete Buttigieg.

    USA-Experte Thomas Jäger: J. D. Vance erlebt politischen Albtraum

    Die aufgewärmte Attacke auf Kinderlose, die nach Vance‘ Meinung bevorzugt Katzen halten, empört nicht nur Anhänger der Demokraten, sondern auch Konservative. Der frühere Republikaner-Abgeordnete und Familienvater Trey Gowdy grillte Vance regelrecht in seiner TV-Sendung „Sunday Night in America“ – ebenfalls auf Fox: „Einige der besten Leute, die ich kenne, haben keine Kinder“, betonte Gowdy. Vance verteidigte sich, seine Aussagen würden aus dem Zusammenhang gerissen und missverstanden. „Die Linke ist zunehmend explizit kinder- und familienfeindlich geworden“, kritisierte er. Fox-Moderator Gowdy erwiderte trocken, dass auch politische Ikonen wie die republikanische Ex-Außenministerin Condoleezza Rice ebenso wie der erste US-Präsident George Washington keine Kinder hatten.

    Für die Demokraten scheint Vance ein Glücksfall: Vizepräsidentin Kamala Harris und andere Spitzenleute verpassen Vance, Trump und deren Aussagen seit Tagen bei fast jeder Gelegenheit das Etikett „weird“, was sich mit „seltsam“ oder „schräg“ übersetzen lässt. Gerade bei Vance scheint die Strategie zu verfangen, erklärt der bekannte US-Politik-Experte Thomas Jäger. „Inzwischen sind ‚Couch‘ und ‚Katzenfrauen’ Vance’ politischer Albtraum“, sagt der Kölner Politikprofessor. Gerade für die entscheidenden Wechselwähler sei der junge Senator noch ein Unbekannter. „Sie hatten kein festes Bild von ihm, sodass er sich ihnen hätte präsentieren können. Das haben dann die Demokraten übernommen und Vance damit kräftig geschadet.“ 

    Die Attacken der Demokraten auf den „schrägen“ Vizekandidaten erinnern viele US-Medien an Trumps Methoden, zumal sich die Republikaner kaum dagegen zu wehren wissen. „Erstaunlich ist, dass die Trump-Kampagne offensichtlich nicht auf den Druck der Harris-Kampagne auf Vance vorbereitet war“, sagt Experte Jäger.

    J. D. Vance hat wichtige Unterstützer aus dem Silicon Valley

    Allerdings gilt James David Vance nicht nur wegen seines 2016 erschienenen Bestsellers als ein Mann mit vielen Gesichtern. Mit Anfang dreißig beschrieb er darin berührend die Krise der von der US-Politik vernachlässigten und wirtschaftlich abgehängten amerikanischen Arbeiterklasse aus dem Blickwinkel seiner eigenen Familiengeschichte. Aus einer untergehenden Welt der Hillbillys, der Hinterwäldler, überschattet von Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Drogensucht brachte es Vance bis an die Elite-Uni in Yale.

    Seit vergangener Woche wissen die Amerikaner, dass eine seiner besten Studienfreundinnen eine linke Transgender-Anwältin in Detroit war, bis sie mit ihm wegen seiner Politik gebrochen hat und der New York Times nun massenhaft private E-Mails aus alten Zeiten überreichte. Ihr Kumpel Vance beklagte sich darin beispielsweise einfühlend über Gewalt gegen Schwarze: „Ich hasse die Polizei.“ Nach dem Studium arbeitete Vance für Risikokapitalfirmen, förderte kleine Start-ups und engagierte sich gegen Internetmonopolisten wie Google. Heute gehören die Tech-Milliardäre Peter Thiel und Elon Musk zu seinen wichtigsten Förderern, die schon seinen Wahlkampf in Ohio mitfinanzierten.

    USA-Experte Jäger: Trump bricht für J. D. Vance mit wichtiger Tradition

    Was steckt hinter der Wende von Vance zum Trump-Hardliner? „Bei Trumps politischen Gefährten kann man nie genau sagen, ob sie seiner Linie aus Opportunismus folgen oder aus innerer Überzeugung, weil sie bekehrt wurden“, sagt USA-Experte Jäger. „So wissen wir auch nicht, ob J. D. Vance bei seinem Gesinnungswandel wirklich bekehrt wurde, als er vom harschen Trump-Kritiker zu Trumps wichtigstem Mann wurde. Aber wir wissen, dass es ihm politisch genutzt hat“, erklärt Jäger. „Als es in Ohio darum ging, wer Nachfolger des bisherigen republikanischen Senators wird, hatten sich die parteiinternen Mitbewerber von Vance alle von Trump etwas distanziert. Vance ergriff die Chance, als unerfahrener Bewerber mit Trumps Unterstützung die Vorwahlen zu gewinnen, und wurde Anfang 2023 Senator.“

    Bislang sei Vance in seinem Amt aber nur dadurch aufgefallen, dass er eloquent und bestimmt Trumps Positionen vertreten habe. „Dass sich Trump für Vance als Vizepräsidentschaftskandidat entschieden hat, spricht dafür, dass sich die Republikaner vor wenigen Wochen absolut sicher waren, die Wahl im November zu gewinnen“, sagt Jäger. Denn wahltaktisch bringe Vance außer seines jungen Alters kaum etwas mit. „Sein Bundesstaat Ohio war für Donald Trump sowohl 2016 als auch 2020 eine sichere Bank, sodass Vance ihm als örtlichem Senator keinen Vorteil im Rennen um die Wahlleute der Swing-States bringt.“ 

    Donald Trump setzt auf gleiche Strategie wie bei Wahlsieg 2016

    Und auch die eigentliche Funktion von Vizekandidaten, neue Wählerschichten anzusprechen, erfülle Vance so gut wie nicht. „Zuvor hatte Donald Trump mit Mike Pence einen Vize gewählt, der in vielen Punkten das Gegenteil zu ihm verkörperte: Er war ruhig, verlässlich, seriös, fast langweilig.“ Auch Barack Obama habe mit dem erfahrenen Joe Biden auf Gegensätze gesetzt, ebenso wie Biden mit Kamala Harris. „Trump bricht mit dieser Tradition: Vance soll nicht neue Wählerschichten ansprechen, er soll quasi zum Nachfolger Trumps als Anführer seiner ,Make America great again’-Bewegung aufgebaut werden“, sagt Jäger. „Deshalb darf jeder Satz von Vance genauso klingen, als käme er von Trump selbst“, erklärt der Politikwissenschaftler.

    „Trump und sein Team setzen voll auf das Konzept, mit dem sie 2016 die Wahl gewonnen hatten“, erläutert der USA-Experte. „Sie wollen insbesondere die weiße männliche Wählerschaft ansprechen, auch wenn sie natürlich auch auf Stimmen von afroamerikanischen und hispanischen Bevölkerungsgruppen setzen, und auch hier vor allem auf Männer.“

    Noch führt Trump mit seiner Strategie in den meisten Umfragen. Doch Kamala Harris holt auf. Der November wird zeigen, ob Trumps Plan aufgeht.

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    1 Kommentar
    Marianne Böhm

    Wenn mit solch billigen Scherzen ein Wahlkampf stattfindet, ist es nur noch Kindergarten. Ich kann diese Welt Politik eh nicht mehr ernst nehmen.. Es ist ein Niveau der Einfaltspinsel... ob bei den Republikaner wie bei den Demokraten.. alles was man an Aussagen mitbekommt ist so schlimm, wo man denken könnte es stehen keine Erwachsenen dahinter. Für Millionen Amerikaner/Innen steht soviel auf dem Spiel und dann wieder nur so ein Kasperltheater..

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