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Wahlen im Osten zeigen: Die AfD ist nicht in erster Linie Protestpartei

Wahlanalyse

Ampel-Frust ist nur für eine Minderheit der AfD-Wähler entscheidend

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    64 beziehungsweise 59 Prozent der Wähler AfD stimmen nach einer Studie von Forsa für die Rechtsaußenpartei, weil sie mit ihren politischen Vorstellungen übereinstimmen.
    64 beziehungsweise 59 Prozent der Wähler AfD stimmen nach einer Studie von Forsa für die Rechtsaußenpartei, weil sie mit ihren politischen Vorstellungen übereinstimmen. Foto: Swen Pförtner, dpa (Symbolbild)

    Schnell werden in der Politik aus Vermutungen vermeintliche Gewissheiten. Ein Phänomen, das anhand der Erfolge der AfD und des rasanten Aufstiegs des BSW bestätigt wird. So heißt es immer wieder, dass die AfD in erster Linie eine Protestpartei ist. Oder, wie viele Politikwissenschaftler und Medien vor den Doppelwahlen im Osten prognostizierten: Dass das im Januar 2024 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht in Thüringen und Sachsen in erster Linie unter der Wählerschaft der rechtsextremen AfD wildern werde.

    Für diese Annahme gab es - zumindest auf den ersten Blick - durchaus plausible Gründe. Schließlich machen sowohl AfD als auch BSW - oft sehr polemisch - Front gegen die hohe Zahl von Zuwanderern. Beide Parteien lehnen die deutsche Unterstützung der von Russland völkerrechtswidrig angegriffen Ukraine vehement ab, sind gegen die Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland und verlangen die Rückkehr zu einem „normalen“ Verhältnis zum Regime von Wladimir Putin in Moskau. Die Wahlen zeigten dann jedoch, dass sich der Zustrom von Wählern der AfD zum BSW in engen Grenzen hielt.

    Die Wähler von AfD und der Wagenknecht-Partei „ticken“ völlig unterschiedlich

    Glaubt man der Analyse des Meinungsforschungsinstituts Forsa, dann liegt das daran, dass die Wähler von AfD und BSW völlig unterschiedlich „ticken“. So sind die Anhänger des BSW mit der Arbeit der Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) und Bodo Ramelow (Thüringen, Linke) deutlich zufriedener als die Anhänger der AfD. Zudem fühlen sich die BSW-Wähler klar dem linken politischen Spektrum zugehörig, während sich das Gros der AfD-Wähler im extrem rechten Spektrum verortet. Auch teilt die BSW-Klientel nicht die extreme Verachtung vieler Wähler der AfD für das politische System in Deutschland.

    Als „völlig unzulässige Verharmlosung“ bezeichnet Forsa-Chef Manfred Güllner die Aussage, dass ein Großteil der AfD-Wähler ihre Stimme aus Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung der Rechtsaußen-Partei gegeben hätten – in Thüringen kam die AfD auf 32,8, in Sachsen auf 30,6 Prozent. Die große Mehrheit der AfD-Wähler votierte für die Partei, weil sie mit deren politischen Vorstellungen übereinstimme, ergab die Auswertung der Forsa-Umfrage unter AfD-Anhängern. In Thüringen sind dies 64, in Sachsen immerhin 59 Prozent.

    Die große Mehrheit der CDU-Wähler in Sachsen und Thüringen will keine Zusammenarbeit ihrer Partei mit der AfD

    Interessant für die Diskussion in der Union über mögliche Koalitionen ist, dass nach Forsa-Daten eine große Mehrheit der befragten CDU-Wähler in Sachsen (70 Prozent) und Thüringen (75) eine Zusammenarbeit ihrer Partei mit der AfD ablehnt. Damit werden verbreitete Mutmaßungen, dass es durchaus Sympathien für eine solche Konstellation bei der Wählerschaft der Christdemokraten gibt, widerlegt.

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    8 Kommentare
    Walter Koenig

    Zitat: Die große Mehrheit der AfD-Wähler votierte für die Partei, weil sie mit deren politischen Vorstellungen übereinstimme,<< Jetzt würde mich doch einmal interessieren, welche politischen Vorstellungen der AfD für deren Wähler so interessant sind. Sind es die von Herrn Höcke, der alles, was nicht deutsch ist, des Landes verweisen will? Oder die Ankündigung von Höcke, politische Gegner Ausschwitzen zu lassen? Denn ich glaube kaum, dass die AfD-Wähler die geplante Abschaffung von Sozialleistungen und von Subventionen für die Landwirtschaft durch die AfD auf dem Schirm haben.Wer dann noch dazu eine Partei wählt, deren Vorsitzender in Thüringen Unternehmen, welche die AfD kritisieren, schlechte Geschäfte wünscht, was dann - ginge der Wunsch in Erfüllung - den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet, den kann ich nur als einfältig und primitiv bezeichnen.

    Raimund Kamm

    Wenn diese Analyse zutrifft, dann wählen die meisten die AFD weil diese rassistisch aber putinfreundlich ist, weil diese die Gefahren der Erdaufheizung leugnet und die Atomkraft will obwohl es für diese keine Entsorgung des tödlich strahlenden Atommülls gibt. Und obwohl die AFD mit ihrer Forderung nach dem Austritt aus der EU hunderttausende Arbeitsplätze aufs Spiel setzt. Manchmal bin ich versucht zu denken, „geben wir doch Sachsen der AFD und ihrem Putin“. Doch dann fallen mir die Freundinnen und Freunde in Zittau, Leipzig und Dresden ein. Und fällt mir ein, wie nach der Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 bald politische Gegner ermordet, Nachbarländer mit Krieg überzogen, an vielen Tagen jeweils 10.000 Juden vergast, erschossen und verbrannt wurden.

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    Helmut Eimiller

    „geben wir doch Sachsen der AFD und ihrem Putin“ | Herr Kamm, auch wenn für Sie vielleicht das Wahlergebnis der Grünen im Osten enttäuschend ist, ist das noch lange kein Grund, mit solchen Sätzen zu reagieren. Oder wollen Sie einen gedanklichen Rückfall in die Adenauer-Ära riskieren? („ … wurde den Menschen in der ‚Zone‘ das Recht auf Mitsprache über die Zukunft des geteilten Deutschland abgesprochen“, schrieb z. B. welt.de am 05.12.2000 unter „Wollte Adenauer jemals die deutsche Wiedervereinigung?“)

    Maria Reichenauer

    Herr Eimiller, es ist nicht die Enttäuschung über mangelnden Zuspruch für die Grünen, es ist die Enttäuschung, dass ein Drittel der Wählerstimmen an eine Partei ging, die rassistisch, völkisch und rückwärtsgewandt ist. Dazu Putin in den Allerwertesten kriecht. Dass bei der Wiedervereinigung einiges falsch gemacht wurde – ja, stimmt, aber das ist kein Grund, sich einer Partei zuzuwenden die eindeutig rechtsextrem ist und Andersdenkende versucht, unter Druck zu setzen. Ich hatte immer viel Verständnis für den Osten, aber das Konto ist aufgebraucht. Diese Partei ist gefährlich für Deutschland.

    Helmut Eimiller

    Frau Reichenauer, jeder schießt mal übers Ziel hinaus; auch wir in unseren Leserkommentaren. Eine in diese Richtung gehende Antwort von Herrn Kamm zu seiner fragwürdigen Formulierung hätte ich gerne gelesen. Mit Ihrer Antwort habe ich hier allerdings nicht gerechnet. Arbeiten Sie mit Herrn Kamm zusammen? Etwa in der gleichen Denkfabrik, neudeutsch Think Tank? | Wenn ja, dann hätte ich noch eine Ergänzung zu den Linken anzubringen, die einigen Leserkommentaren zufolge weit weniger gefährlich als das BSW sind: Diese „Ost-Sozialdemokraten“ halten aktuell das Zurückzahlen der an VW-Großaktionäre ausgeschütteten Dividenden (das Land Niedersachsen hat wohl auf der Liste der Großaktionäre Platz 2 inne) bzw. „das eine Prozent der Reichen erschießen” für adäquate politische Lösungen. Zu erinnern ist auch daran, „wie Thüringen die Maut aufgleiste“ (spiegel.de; 01.04.2017).

    Wolfgang Leonhard

    Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen in Ostdeutschland darüber nachdenken, ihr Bundesland zu verlassen und in den Westen ziehen, wo die AfD noch eine kleine Minderheit ist. Ein solcher Exodus würde den Unternehmen in der ehemaligen DDR massiv schaden, denn es gehen sicher nicht die Verlierer, sondern die Leistungsträger.

    Klara Rasper

    Mein erstes Gefuehl ist, dass da ein Bildungsproblem vorliegt. AfD-Waehler koennen sich einfach nicht vorstellen, was sie anrichten. Dabei gibt es durchaus 90 Jahre alte Parallelen. Ich kenne aber promovierte Akademiker in Rente, die ich weder fuer dumm noch ungebildet hielt. Die waehlen AfD, "weil sich etwas aendern muss". Dass der Preis aber so hoch ist, dass die heutigen Probleme wie Lappalien erscheinen werden, ist denen egal oder sie eben doch duemmer als vermutet habe.

    Thomas Keller

    Ich für meinen Teil bin sehr gespannt wie die Wahlversprechen der AfD dann einfach nicht wahr werden wollen... Bürgergeld aus der Giesskanne, plötzliches Auftreten von Fachkräften in allen Branchen und aufspriessende Gewerbebetriebe die die geneigten Wähler(teilweise mit Vorstrafen wegen Waffen- und Drogenbesitz) einstellen werden. Auch wird dann alles billiger und besser... Nicht das ich den Vorsitzenden noch als schäbigen Lumpen beschimpfen muss, um mal in seinem Sprachgebrauch zu bleiben.

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