Großbritannien sucht nach dem Rücktritt von Boris Johnson einen neuen Premierminister. Nun hat das Warten am Ende, am Montagmittag um 13.30 teilen die Torys mit, wer auf Johnson folgen wird. Es ist das Ende von einem Prozedere, das sich über mehrere Wochen hingezogen hat - und obendrein einem Ausscheidungsrennen gleichgekommen ist. So ist es bei den Konservativen üblich.
Heute wird der 58-Jährige mehr als zwei Jahre lang Regierungschef des Vereinigten Königreichs gewesen sein. Obwohl er bereits am 7. Juli auf internen wie externen Druck sein Amt als Tory-Vorsitzender abgab. Doch die Frage nach dem neuen Bewohner der Downing Street 10 sollte in der Regierungspartei eben nicht übers Knie gebrochen werden.
Warum ist Boris Johnson als Premierminister und Tory-Chef zurückgetreten?
Über Monate hinweg hatte der gebürtige New Yorker den Rückhalt in der Bevölkerung und mehr und mehr auch in der eigenen Partei verloren. Ihm wird etwa vorgeworfen, seine Wohnung in der Downing Street mittels Geldern aus einer Privatspende an die Tories einer luxuriösen Renovierung unterzogen zu haben. Auch ein Luxusurlaub über Weihnachten 2019 soll mit Spendengeldern bezahlt worden sein.
Zum Verhängnis wurden ihm auch Parteifreunde, die Skandale heraufbeschworen. Der letzte Sargnagel war dann wohl die Partyaffäre - während des britischen Corona-Lockdowns soll am Regierungssitz die eine oder andere Sause gestiegen sein. Davon kursieren längst auch Fotos in den britischen Medien, die sich zuletzt ebenfalls Schritt für Schritt von Johnson entfernten.
Johnson klebte zwar lange an seinem Amt, das er als "den besten Job der Welt" betitelte, doch in diesem Sommer rückten viele Weggefährten von ihm ab und legten ihm nach den diversen Fehltritten einen Abschied nahe, um der Partei und dem Land einen Neuanfang zu ermöglichen. Dem kam der der einstige Londoner Bürgermeister nach, als es im Grunde keinen anderen Ausweg mehr gab, um sein Gesicht noch einigermaßen zu wahren.
Wie verabschiedete sich Johnson als Premierminister aus dem Parlament?
Gewohnt lautstark und selbstbewusst. In seiner letzten Fragestunde verwies Johnson auf sein Vermächtnis mit dem Brexit und betonte: "Wir haben unsere Demokratie umgebaut und unsere Unabhängigkeit wiederhergestellt." Zum Abschluss gab er noch das weltberühmte Terminator-Zitat "Hasta la vista, baby" zum Besten, was durchaus als Zeichen gewertet werden könnte, dass er ein Comeback anstrebt.
Wann steht der neue Premierminister fest?
Die Tories bestimmten den 5. September zum Datum für die Bekanntgabe der Nachfolge von Johnson. So lange wird der wortgewaltige und streitbare Konservative im Amt bleiben.
Wie läuft die Suche nach dem Johnson-Nachfolger ab?
Alle Bewerber müssen sich zunächst der Tory-Fraktion im Unterhaus stellen. Um überhaupt für das Amt des Parteivorsitzenden und damit auch des Premierministers in Frage zu kommen, sind 30 Stimmen aus dem Kreis der 358 Abgeordneten Voraussetzung. Offiziell hatten sich elf Politikerinnen und Politiker in das Rennen gestürzt, die erste Hürde am 12. Juli nahmen acht von ihnen.
Anschließend fanden an verschiedenen Tagen weitere Abstimmungsrunden - ebenso geheim wie der Auftakt - statt, in denen jeweils die Bewerberin oder der Bewerber mit den wenigsten Stimmen ausschied. Dies wurde so lange fortgesetzt, bis nur noch zwei Kandidaten übrig waren.
Diese stellen sich dann allen Parteimitgliedern in einer Stichwahl. Eine offizielle Zahl der wahlberechtigten Tories gibt es nicht, es wird von etwa 180.000 ausgegangen. Spätestens am 5. September soll dann feststehen, wer Johnson ablöst.
Welche Kandidaten haben die Stichwahl erreicht?
Nach den diversen Abstimmungsrunden haben sich Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss behauptet. Ersterer hatte immer die Nase vorn. Allerdings muss er sich laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "Yougov" vom 19. Juli in der Stichwahl auf eine Niederlage gefasst machen. Die finale Phase verspricht also Spannung.
Interessant: Truss hatte in der letzten Abstimmung in der Fraktion lediglich acht Stimmen Vorsprung auf die ausgeschiedene Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt.
Wer ist Rishi Sunak
Sunak weiß zahlreiche prominente Unterstützer hinter sich, das Handelsblatt nennt ihn den "Perfektionist der Downing Street". Der 42-Jährige hat indische Wurzeln, sein Vater war Hausarzt, seine Mutter Apothekerin.
In einem Video zu seiner Kandidatur berichtete der zweifache Familienvater, er sei Politiker geworden, um seinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Weil er sich während der Corona-Krise für eine Lohnfortzahlung von bis zu 80 Prozent einsetzte, stieg Sunak zwischenzeitlich zu einem der beliebtesten Politiker des Landes auf.
Allerdings sammelte er jüngst auch Minuspunkte, als herauskam, dass seine Frau jahrelang Steuern in Millionenhöhe vermied, weil sie nicht in Großbritannien gemeldet war. Zudem kassierte er wie sein Chef Johnson wegen der Partys in Lockdown-Zeiten einen Bußgeldbescheid. Obendrein erhöhte Sunak in der Inflation die Steuern, was ihm nicht nur der rechtskonservative Flügel um seine Konkurrentin vorwirft.
Auch Johnson hat mit ihm gebrochen. Das Umfeld des Premierministers bezichtigt den früheren Schatzkanzler des Verrats, weil sein Rückzug den Sturz des Parteichefs eingeleitet habe. Diesen Vorwurf weist Sunak zurück.
Wer ist Liz Truss?
Truss dagegen dürfte vor allem bei den Johnson-Anhängern Punkte sammeln, vor allem der rechte Parteiflügel sollte das Kreuz hinter ihrem Namen machen. Sie präsentiert sich gerne als Reinkarnation der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher. Doch ihre Kritiker bemängeln vor allem, eher auf eine Selbstinszenierung mit nachgestellten Fotos der ersten Premierministerin zu setzen anstatt eigene Inhalte in den Vordergrund zu rücken.
Ihre Mutter war Krankenschwester, ihr Vater Mathematikprofessor. Laut Truss stehen ihre Eltern politisch eher links.
Sie war bereits unter David Cameron Umweltministerin, im Kabinett von Theresa May agierte Truss als Justizministerin und Lordkanzlerin - letzteres Amt übernahm sie als erste Frau. Johnson machte sie auch zur Ministerin für internationalen Handel und Ministerin für Frauen und Gleichstellung.
Als Außenministerin machte sie sich schnell einen Ruf als größte Aufsteigerin der Umgestaltung. Zugleich trat sie im eskalierten Ukraine-Konflikt als harte Gegenspielerin von Russlands Präsident Wladimir Putin auf. Auch das kommt in der Partei fraglos gut an.