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Wahl in NRW: Die Wahl in NRW zeigt: Die FDP ist im freien Fall

Wahl in NRW

Die Wahl in NRW zeigt: Die FDP ist im freien Fall

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    Bundesfinanziminster Christian Lindner (FDP) bei einer Pressekonferenz in Berlin.
    Bundesfinanziminster Christian Lindner (FDP) bei einer Pressekonferenz in Berlin. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Robert Habeck genügte ein Satz, um das ganze Dilemma der FDP zu beschreiben. Mit Öl aus anderen Ländern, versprach der grüne Wirtschaftsminister vor kurzem bei einem Besuch in der Raffinerie im brandenburgischen Schwedt, wolle man den Betrieb der noch in russischem Besitz befindlichen Anlage aufrechterhalten. Das koste zwar mehr, räumte Habeck gleich ein, aber am Geld werde es nicht scheitern: „Christian Lindner bezahlt.“

    Die einen versprechen, der andere zahlt – und das mit immer neuen, immer höheren Schulden. Für einen Finanzminister von der FDP, bei dem das Erwirtschaften eigentlich schon kraft seiner Parteizugehörigkeit vor dem Verteilen kommt, geht Lindner im Moment bemerkenswert großzügig mit dem Geld der Steuerzahler um. Die Pandemie und der Krieg in der Ukraine lassen ihm zwar häufig keine andere Wahl, in der Partei aber wächst mit der Niederlage in Nordrhein-Westfalen die Sorge, dass der Preis dafür geschäftsschädigend hoch sein könnte, weil die FDP nicht mehr als Stimme der wirtschaftlichen Vernunft in Berlin wahrgenommen wird.

    Bayerns FDP-Chef Martin Hagen wünscht sich mehr Wirtschaftsliberalismus

    Ich wünsche mir, dass Themen wie Geldwertstabilität, Subventions- und Bürokratieabbau stärker in den Vordergrund rücken“, sagt etwa der bayerische FDP-Vorsitzende Martin Hagen. „Eine moderne Gesellschaftspolitik mit Reformen im Familien- und Medizinrecht ist richtig, genau wie unser Eintreten für die Freiheitsrechte in der Corona-Politik“, betont er gegenüber unserer Redaktion. „Aber die FDP muss auch immer als wirtschaftsliberale Kraft wahrnehmbar sein.“ In der Ampel sei das „eine besondere Herausforderung“. Soll heißen: Grüne und Sozialdemokraten haben kein Problem damit, noch mehr Schulden zu machen, wenn es nur dem Klima nutzt, den Alleinerziehenden oder den Beziehern von Hartz IV. Die FDP schon.

    Auch ich will einen starken Staat, etwa beim Thema Bundeswehr“, hat Lindner zwar erst vor wenigen Wochen im Gespräch mit unserer Redaktion beteuert. „Auf der anderen Seite muss ich aber auch den Appetit nach zusätzlichen staatlichen Programmen und Subventionen bändigen.“ Auftritte wie der des grünen Vizekanzlers in Schwedt sind da eher kontraproduktiv: „Christian Lindner bezahlt.“

    Bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen wenden sich vor allem die Älteren von der FDP ab

    Mit nur noch 5,9 Prozent haben die Liberalen im bevölkerungsreichsten Bundesland ihr Ergebnis von 2017 mehr als halbiert und eine der bittersten Niederlagen der jüngeren Parteigeschichte eingefahren, nachdem sie eine Woche zuvor bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein ebenfalls schon mehr als fünf Prozentpunkte verloren hatten. Zeitweise mussten sie gar um den Wiedereinzug in den Landtag in Düsseldorf bangen. Besonders dramatisch sind dabei die Verluste bei den älteren Anhängern, von denen viele zu Hause geblieben sind oder CDU gewählt haben. Parteiintern wird dafür nicht nur die Debatte um die so genannte Klimaprämie verantwortlich gemacht, die die Koalition den Rentnern vorenthalten will, sondern auch die liberale Corona-Politik, die viele Ältere verstört habe. Ergebnis: Von den Nordrhein-Westfalen jenseits der 70 stimmten am Sonntag nur noch drei Prozent für die FDP, bei der Wahl vor vier Jahren waren es 14 Prozent.

    Lindner selbst räumt Kommunikationsprobleme bei den Entlastungspaketen der Ampel ein, will vorerst aber keine größere Ursachenforschung betreiben. Im Zentrum stehe für ihn jetzt das Regierungshandeln, sagt er. „Wir haben gegenwärtig keine Zeit und keinen Raum, uns vertieft mit uns selbst zu beschäftigen, solange es Krise und Krieg gibt.“ Im Flurfunk der Partei allerdings werden bereits jede Menge Gründe für das schlechte Abschneiden diskutiert.

    Hat die Empfehlung von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), kein Essen mehr zu fotografieren und so Energie zu sparen, mit zur Niederlage der FDP beigetragen?
    Hat die Empfehlung von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), kein Essen mehr zu fotografieren und so Energie zu sparen, mit zur Niederlage der FDP beigetragen? Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa (Archivbild)

    Den irritierenden Auftritt von Verkehrsminister Volker Wissing etwa, der den Menschen im schönsten grünen Bevormundungsduktus empfahl, Energie zu sparen, indem sie mit ihren Mobiltelefonen keine Mahlzeiten mehr fotografieren. Oder die gesellschaftspolitischen Reformpläne von Justizminister Marco Buschmann, der den Verkauf von Cannabis freigeben und eine so genannte Verantwortungsgemeinschaft einführen will, mit der sich nicht nur unverheiratete oder homosexuelle Paare rechtlich besser absichern können, sondern auch Zusammenschlüsse wie eine Senioren-WG, die nicht auf einer Liebesbeziehung gründen. Das alles, sagt ein früherer Minister der FDP genervt, sei zwar Beschlusslage der Partei. „Aber der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler.“

    Bei den Jungwählern liegen die Grünen jetzt klar vorne

    In Nordrhein-Westfalen hat die FDP allerdings nicht nur bei den älteren Wählern stark an Rückhalt verloren – bei den Jungwählern sieht es nicht viel besser aus. Lagen Liberale und Grüne hier bei der Bundestagswahl mit 21 bzw. 23 Prozent noch nahezu gleichauf, entschieden die Grünen das Rennen bei den Wählern an Rhein und Ruhr, die jünger sind als 24 Jahre, diesmal deutlich mit 27 zu 13 Prozent für sich. Bei den Selbstständigen haben die Freien Demokraten nach einer ersten Analyse der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF sogar zweistellig verloren.

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