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Waffenterror: Attentat bei Chicago: Was kann Joe Biden gegen die Waffengewalt ausrichten?

Waffenterror

Attentat bei Chicago: Was kann Joe Biden gegen die Waffengewalt ausrichten?

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    Ein Polizeibeamter reagiert fassungslos auf die Gewalttat von Chicago. Ein Schütze hat mindestens sechs Menschen getötet.
    Ein Polizeibeamter reagiert fassungslos auf die Gewalttat von Chicago. Ein Schütze hat mindestens sechs Menschen getötet. Foto: Chicago Tribune/AP / Brian Casse

    Bereits der äußere Rahmen wirkte . Da hatte Joe Biden bei einer großen Party mit mehr als 1000 Gästen am Nationalfeiertag ebenso euphorisch wie voreilig das Ende der Corona-Pandemie versprochen und ein rosiges Bild der Zukunft gemalt. An diesem 4. Juli hingegen waren auf dem Südrasen des Weißen Hauses nur einige Dutzend Tische für Soldatenfamilien aufgebaut. Die Redenschreiber des Präsidenten hatten ein eher nüchternes Manuskript mit etwas gequält optimistischen Einsprengseln abgeliefert.

    Bei der Planung der Feier konnte noch niemand ahnen, dass der diesjährige Unabhängigkeitstag von einer neuerlichen Tragödie überschattet werden würde. Am Morgen des Tages, den das Land eigentlich fröhlich mit Paraden, Grill-Partys und Feuerwerk begeht, feuerte in einem Reichen-Vorort von Chicago ein junger Mann mit einem Schnellfeuergewehr offenbar wahllos in einen Feiertags-Umzug. Mindestens sechs Menschen wurden getötet, mehr als 30 weitere verletzt. „Es ist niederschmetternd, dass eine Feier für Amerika von der einzigartigen amerikanischen Plage auseinandergerissen wird“, sagte Jay Robert Pritzker, der Gouverneur des Bundesstaates Illinois.

    Eine Verschärfung des Waffenrechts? Joe Bidens Hinweis klingt eher hilflos

    „Sie alle haben gehört, was heute passiert ist“, erwähnte Biden ein paar Stunden später in Washington die jüngste Massenschießerei nur knapp. Sein Hinweis, er habe vor wenigen Tagen die erste Verschärfung des Waffenrechts seit 30 Jahren durchgesetzt, klang eher hilflos. Wegen des Widerstands der Republikaner fielen die Änderungen nämlich nur marginal aus. Zur gleichen Zeit aber kippte der Supreme Court seit mehr als 100 Jahren geltende Auflagen für das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit.

    Dass ausgerechnet eine Schießerei den Nationalfeiertag prägte, entbehrt vor diesem Hintergrund nicht einer bitteren Symbolik. Der Kabelkanal CNN strich seine Übertragung von Konzerten und Feuerwerk deutlich zusammen. Die Konkurrenz vom linken Sender MSNBC schaltete komplett auf die Berichterstattung über die Bluttat und die Jagd nach dem mutmaßlichen Täter um. Am Abend wurde der Verdächtige festgenommen. Es handelt sich um einen 22-Jährigen, der im Internet neben Rap-Songs auch Gewaltvideos und ein Selfie mit Schutzweste und Helm veröffentlicht haben soll.

    US-Waffenrecht wurde marginal verschärft – und gleichzeitig gelockert

    Das vom Supreme Court noch weiter gelockerte Waffenrecht ist keineswegs Bidens einziges Problem. Innerhalb weniger Tage hat das Oberste Gericht auch das Abtreibungsrecht gekippt und die Kompetenzen der Umweltbehörde EPA im Kampf gegen den Klimawandel massiv beschnitten. Gleichzeitig enthüllt eine Anhörung des Kongresses die reale Gefahr eines erneuten Putschversuches bei den nächsten Wahlen. Die Inflation in den USA bewegt sich auf Rekordniveau, und die Umfragewerte des Präsidenten befinden sich im Keller.

    Amerika entwickele sich immer weiter, machte sich Biden in seiner Ansprache gleichsam selber Mut: „Das war nie einfach. Nachdem wir einen Riesenschritt nach vorne gemacht haben, folgen öfter ein paar Schritte rückwärts.“ Die Rede war gespickt mit patriotisch-aufmunternden Floskeln. Aber eine zentrale Passage beschrieb die Lage der USA im Sommer 2022 ebenso nüchtern wie eindringlich. „Unsere Freiheiten sind unter Beschuss – hier und anderswo. Wir haben keine Garantie für unsere Demokratie und unsere Art zu leben“, mahnte der Präsident: „Wir müssen dafür kämpfen und sie verteidigen.“

    Demokratinnen und Demokraten vertrauen dem Supreme Court nicht mehr

    Doch Bidens Appell an die Gemeinsamkeit der Nation stößt auf taube Ohren. Neun von zehn Amerikanern empfinden das Land als tief gespalten. Erschreckende 70 Prozent der Republikaner glauben weiterhin, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen hat. Von den Demokraten haben nach einer Gallup-Erhebung gerade noch 13 Prozent Vertrauen in den Supreme Court.

    Die progressive Basis drängt Biden, nun auch mit Blick auf die im November anstehenden Kongresswahlen, mit aller Kraft das Recht auf Abtreibung zu verteidigen. Mit präsidialen Erlassen alleine wird das freilich nicht gehen. Die von linken Aktivisten aufgebrachte Idee, Abtreibungskliniken in bundeseigenen Ureinwohner-Gebieten einzurichten, wird vom Weißen Haus angesichts der rechtlichen und physischen Risiken abgelehnt.

    Das liberale Abtreibungsrecht in den USA ist gekippt, die Waffengesetze sind immer noch locker.
    Das liberale Abtreibungsrecht in den USA ist gekippt, die Waffengesetze sind immer noch locker. Foto: Jae C. Hong / AP

    Ansonsten gibt es eine Fülle von Forderungen von der Garantie des Abtreibungsrechts durch ein Bundesgesetz bis zur Aufstockung des Supreme Courts mit linken Richtern. Für sämtliche Kongressbeschlüsse ist aber aufgrund der geltenden Filibuster-Regelung eine 60-Stimmen-Mehrheit im Senat erforderlich, wo die Demokraten nur 50 Sitze halten. Biden hat inzwischen seinen Widerstand gegen die Aussetzung des Filibusters aufgegeben. Doch selbst dazu fehlen den Demokraten wegen zweier Abweichler die Stimmen.

    So wollte im liberalen Amerika an diesem Unabhängigkeitstag keine echte Feierlaune aufkommen. Als am Abend im ganzen Land Feuerwerkskracher und Raketen gezündet wurden, gab es nach Berichten örtlicher Medien in einigen Straßen von Philadelphia, Orlando und Washington chaotische Szenen. Hunderte Menschen stürmten in Panik eilig auseinander. Sie hatten die Knallgeräusche für Schüsse gehalten.

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