Nach Vorwürfen wegen möglicher Häftlingsmisshandlungen in der JVA Augsburg-Gablingen hat das bayerische Justizministerium personelle Konsequenzen gezogen: Die Anstaltsleiterin ist seit Donnerstag vom Dienst freigestellt, teilte Minister Georg Eisenreich (CSU) mit. Sie sei aber weder Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren, noch laufe gegen sie ein Disziplinarverfahren, betonte er. Es gehe darum, die Aufklärung zu erleichtern, so der Minister. Eine neue stellvertretende Leiterin sei kommissarisch im Amt, diese leite vorerst die Anstalt.
Task-Force eingesetzt
Eisenreich hat in seinem Ministerium eine Task-Force eingesetzt, die für die interne Aufarbeitung im Ministerium und in der JVA zuständig sein soll. Auch die Berichtspflichten an das Ministerium wurden seinen Angaben zufolge verschärft. Außerdem sollen Statistiken erstellt werden.
Das Justizministerium war in die Kritik geraten, nachdem öffentlich geworden war, dass Vorwürfe gegen Mitarbeiter der JVA schon seit einem Jahr im Ministerium bekannt waren. Eisenreich bestätigte, dass die Anstaltsärztin, die den Fall nun ins Rollen brachte, am 18. Oktober 2023 schon in einer E-Mail auf «schwere Missstände» in besonders gesicherten Hafträumen (sogenannten BgH) in Augsburg-Gablingen hingewiesen hatte.
Eisenreich: «nicht darüber informiert worden»
Die zuständige Abteilung habe daraufhin einen Bericht der JVA angefordert und das Schreiben der Ärztin an die Staatsanwaltschaft Augsburg weitergeleitet. «Das hat die Abteilung gemacht. Was sie nicht gemacht hat, war mich zu informieren», sagte der Minister. «Ich bin im letzten Jahr, wie diese E-Mail kam, nicht darüber informiert worden.» Es sei aber nichts vertuscht worden, mögliche Straftaten würden konsequent verfolgt. Die Abteilung habe die Aufklärung der Vorwürfe primär bei der Staatsanwaltschaft gesehen.
Es sei allerdings richtig, sagte Eisenreich, dass sich in jüngerer Zeit Beschwerden über die JVA gehäuft hätten. Er sprach von einer «deutlichen Steigerung». Auch sei die Zahl verhängter disziplinarischer Maßnahmen in dem Gefängnis gestiegen. 2023 habe es eine Visitation gegeben und im August dieses Jahres einen unangekündigten Besuch der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. Der Bericht liege noch nicht vor. Allerdings sei nach dem Besuch dort ein anonymer Hinweis darauf eingegangen, dass die Prüfer von der Anstalt getäuscht worden seien.
Eisenreich räumt ein, dass «mehr hätte passieren müssen»
Eisenreich räumte ein, dass die Dimension der Vorfälle in seinem Ministerium möglicherweise unterschätzt worden sei. «Rückblickend muss man sagen, dass bei der Kontrolle von Gablingen noch mehr hätte passieren müssen», sagte der Minister.
Die Anwälte der beschuldigten und vorläufig suspendierten stellvertretenden Gefängnisleiterin hatten zwischenzeitlich in einem Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert, dem Ministerium «die Befugnis zu entziehen, sich weiterhin als Aufsichtsbehörde mit der Prüfung von Vorwürfen in Zusammenhang mit der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen zu befassen». Sie befürchten Verdunklungsgefahr - eine Angst, die man in der Staatskanzlei allerdings nicht teilt. «Zuständig für die Aufarbeitung und Aufklärung sind das Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Augsburg», sagt ein Sprecher. «Beide haben das volle Vertrauen, dass dies nach Recht und Gesetz geschieht.»
Opposition: Ministerium reagierte nicht schnell genug
Grünen und SPD im bayerischen Landtag reicht die Stellungnahme des Justizministers nicht aus. Die Oppositionsparteien kritisieren insbesondere, dass das Ministerium nach den ersten Informationen über angebliche Misshandlungen von Häftlingen nicht konsequent und schnell genug reagiert habe. Horst Arnold, rechtspolitischer Sprecher der SPD, zufolge sind die Probleme im Strafvollzug im Hause Eisenreich offenkundig bislang nicht sehr ernst genommen worden.
Grünen-Rechtssprecher Toni Schuberl forderte zudem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf, sich einzuschalten. «Ich frage mich heute wirklich: Wo ist Markus Söder? Wenn eines seiner Ministerien möglicherweise Teil eines solchen Skandals ist, dann ist es allerhöchste Zeit, dass die Aufklärung eine Ebene höher stattfindet», sagte Schuberl.
Der Ministerpräsident müsse die Sache in die Hand nehmen. Schließlich stünden Vorwürfe zu einer gravierenden Verletzung der Menschenwürde im Raum. Dies müsste in unserem Land eigentlich unvorstellbar sein. Das erschüttert die Grundfesten unseres Rechtsstaats und unserer Demokratie.» Es müsse zudem geprüft werden, ob es ähnliche Vorgänge in anderen bayerischen Gefängnissen gab oder gibt.
Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zehn Beschuldigte
Die suspendierte Stellvertreterin ist eine von insgesamt zehn beschuldigten Mitarbeitern des Gefängnisses, gegen die die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt. Wie die Behörde mitteilte, geht es unter anderem um mögliche Körperverletzungsdelikte im Amt sowie um tätliche Übergriffe von Beschäftigten auf Gefangene. Laut dem Justizministerium wurden Disziplinarmaßnahmen gegen die Beschuldigten eingeleitet und Betretungsverbote für die JVA verhängt.
Es besteht nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Anfangsverdacht, dass Gefangene möglicherweise unbekleidet in sogenannten besonders gesicherten Hafträumen ohne gefährdende Gegenstände untergebracht worden sein sollen, ohne dass die besonderen Voraussetzungen für diese Maßnahme vorlagen.
Im Zuge des Ermittlungsverfahrens seien am 24. und am 30. Oktober in der JVA umfangreiche Unterlagen, elektronische Daten sowie Mobiltelefone sichergestellt worden, die nun ausgewertet würden. Daneben solle eine Vielzahl von Zeugen vernommen werden. Die Staatsanwaltschaft hat eine Ermittlungsgruppe eingerichtet.
Eisenreich schloss sein Statement, bei dem er keinerlei Nachfragen zuließ, mit den Worten: «Die Menschenwürde ist unantastbar - auch im Justizvollzug und das ist unsere Verantwortung, der wir uns stellen.»
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