Nachdem sie eine verdächtige Veränderung in ihrer Brust festgestellt hatte, kam für eine 35-Jährige aus Nordrhein-Westfalen zur Besorgnis auch noch der Ärger. Die Praxis, zu der sie zur Kontrolle überwiesen wurde, wollte Geld für die Ultraschalluntersuchung. Das mag bei der reinen Vorsorge üblich sein, die nicht alle Kassen bezahlen. Doch bei einem medizinisch klar indizierten Verdacht übernimmt jede Kasse die Kosten. Doch die Frau musste nach eigenen Angaben mit dem Arzt streiten und drohte, auf die Untersuchung zu verzichten, wenn sie Geld zahlen müsse. „Daraufhin bekam ich das Ultraschallbild und er hat dieses erfolgreich mit der Kasse abgerechnet“, berichtete sie.
Der Fall, den der Bundesverband der Verbraucherzentralen so dokumentiert hat, ist einer vom knapp 300 Beschwerden, die bei der Verbraucherschutzorganisation eingegangen sind, nachdem sie im Internet Betroffene aufrief, entsprechende Fälle zu melden.
Besonders bei Hautärzten berichten Patienten von Ärger
Fast ein Viertel der konkreten Berichte nach dem Verbraucheraufruf „Beim Arztbesuch unnötig zur Kasse gebeten?“ betrifft Hautarztarztpraxen. „Der Hautarzt meinte, aufgrund meiner vielen Leberflecke müsste ich extra zahlen, damit er sich die Leberflecke mit der Lupe ansieht“, berichtete ein hessischer Patient. „Ich hab mich geweigert, daraufhin hat der Arzt einfach meine Leberflecke gezählt. Nicht einen einzigen hat er sich genauer angeschaut, einfach nur gezählt.“ In einem Fall berichtete ein Patient sogar, dass trotz positiven Krebsbefunds Geld für die Entfernung eines bösartigen Leberflecks verlangt worden sei.
Die Verbraucherschutzorganisation hält alle diese Fälle für authentisch. Immer wieder würden Arztpraxen ihren Patienten Kassenleistungen als sogenannte „Individuelle Gesundheitsleistungen“, abgekürzt IGeL, verkaufen. „Eine Praxis ist keine Verkaufsfläche“, sagt Michaela Schröder, die den Bereich Verbraucherpolitik und Gesundheit beim Bundesverband der Verbraucherzentralen leitet. „Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, ihre Patienten und Patientinnen wahrheitsgemäß darüber aufzuklären, welche Leistungen unter welchen Bedingungen von der Krankenkasse übernommen werden“, betont Schröder.
Viele wurden über Zusatzkosten erst nach Behandlung informiert
In knapp einem Fünftel der eingegangenen Meldungen gaben die Verbraucher an, sie seien vor der Behandlung gar nicht über die privat zu tragenden Kosten informiert worden, die ihnen anschließend in Rechnung gestellt worden seien. Und auch wenn die Kosten vorher genannt würden, fühlten sich viele Patienten unter Druck gesetzt.
Die Betroffenen schilderten, dass sie sich teilweise selbst dann den Forderungen der Arztpraxis beugten, wenn sie mit der Zahlungsforderung nicht einverstanden seien. „Ihre Verhandlungsposition wird dadurch geschwächt, dass Termine bei anderen Ärztinnen und Ärzten meist nur mit erheblichen Wartezeiten oder teils gar nicht zu bekommen sind“, sagt Schröder. „Das erhöht die Zahlungsbereitschaft“, fügt sie hinzu. „Patientinnen und Patienten müssen besser vor fragwürdigen IGeL-Praktiken geschützt werden“, fordert die Verbraucherschützerin. „Das veraltete Patientenrechtegesetz aus dem Jahr 2013 muss dringend überarbeitet werden – auch mit Hinblick auf die Umwandlung von Kassenleistungen zu IGeL.“
Patientenschützer gibt Tipps zum Schutz vor unnötigen IGeL-Kosten
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, rät beim Thema IGeL grundsätzlich zur Skepsis: „Bevor Sie sich für eine IGeL entscheiden, informieren Sie sich, ob diese Leistung für Sie sinnvoll ist. Einmal gezahlt, erhalten Sie die Kosten nicht von der Kasse zurück.“ Er verweist darauf, dass laut Untersuchungen 55 Prozent der Leistungen ohne Nutzen seien, bei manchen sogar der Schaden, etwa bei falschem Krebsverdacht, überwiege.
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