Schuldeinsicht ist Karl-Heinz Grassers Sache nie gewesen. Der ehemalige österreichische Finanzminister, einst von Jörg Haider in die Politik geholt, zum Liebling des Boulevards und dann zum Mittelpunkt von zahlreichen Korruptionsermittlungen geworden, sieht sich als Opfer – einer Justiz und von Richtern, die ihn, wie er nach der Urteilsverkündung am Dienstagvormittag in einem ersten Statement sagte, offenbar „um jeden Preis verurteilen wollte“. Mit dem bereits rechtskräftigen Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) geht das längste Korruptionsverfahren in der österreichischen Geschichte zu Ende.
Über 21 Jahre beschäftigte Grassers Fall die österreichische Öffentlichkeit, Medien und Politik, ganze 16 Jahre dauerte es von den ersten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft an, nun ist klar: Grasser muss, ebenso wie sein Vertrauter Walter Meischberger, bald in Haft – das erstinstanzliche Urteil von acht Jahren reduzierten die OGH-Richter allerdings auf vier Jahre, jenes von Meischberger wurde auf dreieinhalb Jahre verkürzt. Grund dafür ist die „exorbitant lange Verfahrensdauer“, wie die Vorsitzende des OGH-Senats, Christa Hetlinger, in der Urteilsbegründung ausführte. Diese muss laut internationalem Recht bei Revisionsverfahren berücksichtigt werden. Für Grasser ist das Urteil dennoch „eine massive Verletzung von allem, was für mich Recht und Gerechtigkeit ist“. Dem ehemaligen Finanzminister bleibt damit nur noch der Gang vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.
Ein Teil des Geldes soll an Grasser zurückgeflossen sein
Der OGH bestätigt in seinem Spruch im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil, wonach Grasser der Untreue und der Geschenkannahme schuldig sei. Der Hauptstrang des umfangreichen Verfahrenskomplexes: Im Jahr 2004 ging unter Grasser als Finanzminister der Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften (BUWOG) an private Bieter über die Bühne. Nur knapp und überraschend setzte sich bei der Privatisierung von 60.000 Bundes-Wohnungen ein Konsortium, mit dabei auch der Immofinanz-Konzern, gegen die bis dahin meistbietende Firma CA Immo durch.
Im Hintergrund lief ein Deal: Fast 10 Millionen Euro an Provision flossen an den Lobbyisten Peter Hochegger. Über Umwege sollen Teile des Gelds an Meischberger und schlussendlich auch an Grasser zurückgeflossen sein. Jahrelang hörten Ermittler die Telefonate zwischen den Freunden Grasser, Maischberger und anderen Beteiligten ab. Hochegger gestand schlussendlich vor Gericht, dass es Grasser gewesen sei, der die Insider-Infos aus dem Bieterverfahren weitergegeben habe.
Richterin spricht von „beispiellosem Vorgang“
Für heftige Kritik, auch justizintern, hatte während des jahrelangen Verfahrens das Verhalten des Ehemannes der zuständigen Richterin, Marion Hohenecker, gesorgt: Dessen Äußerungen in sozialen Netzwerken zur Causa Grasser setzten die verfahrensführende Richterin dem Anschein der Befangenheit aus – für die Verteidigung ein Hauptgrund, das erstinstanzliche Urteil als nichtig anzufechten. Die Tweets von Hoheneckers Ehemann kritisiert auch der OGH in seinem Urteil – würdigt aber umgekehrt die vorbildhafte Verfahrensführung der Richterin und stellt eine Befangenheit in Abrede. Dass ein Finanzminister sich bestechen habe lassen, sei „ein beispielloser Vorgang“ in Österreich, sagte OGH-Richterin Hetlinger.
Wann genau Grasser und die weiteren Verurteilten ihre Haftstrafen antreten müssen, ist noch offen: Zuerst ist nun wieder das Wiener Straflandesgericht am Zug. In einigen Wochen werden den Verurteilten endgültige Verfügungen zugestellt, zeitgleich werden sie zum Haftantritt aufgefordert. Dieser muss dann binnen eines Monats erfolgen.
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