Zwei Tage verbringt US-Präsident Joe Biden Anfang nächster Woche nach dem G7-Gipfel in Brüssel. Längst werden Kanaldeckel verschweißt und ein gewaltiges Aufgebot an Sicherheitskräften nimmt schrittweise Besitz von den Treffpunkten bei Nato und EU. Dennoch macht sich in den Zentralen der beiden Bündnisse gerade eine Vorfreude auf die Gespräche breit, die sowohl der Allianz als auch der Gemeinschaft in den vergangenen Jahren abhandengekommen war, als der Mann im Weißen Haus noch Donald Trump hieß. „Es ist erkennbar, dass in Washington ein sehr kooperativer Ansatz gegenüber der EU verfolgt wird“, gab sich David McAllister, Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, in diesen Tagen sicher.
Aber selbst diese Vorschusslorbeeren erscheinen noch stark untertrieben. Denn vor allem der Entwurf des Schlussdokuments vom EU-USA-Gipfeltreffen am Dienstag geht über die bisherigen Erwartungen hinaus. „Wir verpflichten uns, alle Anstrengungen zu unternehmen, um umfassende und dauerhafte Lösungen für Handelsstreitigkeiten zu finden und weitere Vergeltungsmaßnahmen, die den transatlantischen Handel belasten, zu vermeiden“, heißt es da. Ein Versprechen, das offenbar mit konkreten Zusagen unterlegt wird: Bis zum 11. Juli will man eine Lösung im Streit um die Subventionen und in deren Folge erhöhte Zölle für Boeing- und Airbus-Jets finden. Bis zum 1. Dezember sollen „alle zusätzlichen Strafzölle im Zusammenhang mit unserem Stahl- und Aluminiumstreit aufgehoben werden – auf beiden Seiten“, lautet ein weiterer Vorsatz.
Einreisestopp für Europäer wird nicht aufgehoben
Nur ein Thema fehlt in der Aufstellung bisher, auf das die Europäer sehr warten: Offenbar hat Biden nicht vor, den Corona-Einreisestopp für EU-Bürger aufzuheben, obwohl die europäischen Staaten US-Reisende längst wieder reinlassen. In Brüssel gilt dies als Ärgernis.
Doch die eigentliche Zeitenwende zwischen den Vereinigten Staaten und Europa steckt in einer neuen Technologiepartnerschaft, die Washington und Brüssel unterschreiben werden. Bei der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien möchte man zusammenarbeiten – ausdrücklich ist von „gemeinsamen demokratischen Werten“ sowie von der „Achtung der Menschenrechte“ die Rede. China wird als politisch-wirtschaftlicher Gegner zwar nicht erwähnt, ist aber gemeint. Das scheint spätestens da durch, wo die beiden Blöcke nicht nur von „gemeinsamen Standards für die Zusammenarbeit“ sprechen, sondern von den Lieferketten für seltene Rohstoffe, die sowohl die USA wie auch Europa bisher von Peking abhängig machen.
Gegenentwurf zur Seidenstraße
In Brüssel ist man sich bewusst, dass sich die Union beeilen muss. Erst vor wenigen Tagen hat die neue Administration in Washington im Viererclub namens „Quad“ (Quadrilateral Security Dialogue), dem auch Australien, Japan und Indien angehören, so etwas wie eine Anti-China-Allianz vorangetrieben. Europa wäre in diesem Bündnis ein willkommener Partner, vor allem weil Washington die Kräfte der Staaten bündeln will. Auch in den Papieren für den EU-USA-Gipfel ist zwischen den Zeilen von einem Gegenentwurf zur Seidenstraße Pekings die Rede. US-Präsident Joe Biden wird in Brüssel wohl Druck machen, denn er will die Europäer bei seinem Pakt dabei haben.
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