Deutschland als «Drehscheibe» der Nato: Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz hat nach dem Großmanöver «Air Defender 2023» die Bedeutung der militärischen Infrastruktur für die Verteidigung im westlichen Bündnis betont.
In einer Bilanz der Übung sprach sich der Generalleutnant am Freitag auf dem Fliegerhorst Schleswig-Jagel dagegen aus, weitere Militärflughäfen zu schließen. Deutschland müsse sich aufgrund der geostrategischen, geografischen und geopolitischen Lage als Drehscheibe verstehen und Kräfte der Nato aufnehmen können. Das gelte auch für Landstreitkräfte.
Um die für das Manöver über den Atlantik eingeflogenen US-Maschinen aufnehmen zu können, waren die militärischen Ausweichflugplätze Hohn in Schleswig-Holstein und Lechfeld in Bayern genutzt worden. «Und das hat uns allen noch mal gezeigt: Wir dürfen diese beiden Flugplätze nicht aufgeben. Diese beiden Flugplätze, sowohl Hohn wie auch Lechfeld, müssen wir entsprechend behalten», sagte Gerhartz.
«Air Defender 2023» wurde am Vorabend beendet und war die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Gründung der Nato. Es nahmen 25 Nationen mit 250 Flugzeugen und etwa 10.000 Soldaten teil, die 1808 Übungsflüge unternahmen. Mit einem fiktiven Szenario wurde vor allem im Luftraum über Deutschland trainiert, wie das westliche Verteidigungsbündnis auf den Angriff eines östlichen Bündnisses reagiert und dabei bereits vom Gegner besetzte Gebiete zurückerobert.
Manöver legte technische Schwächen offen
Das Manöver hat nach Angaben des Luftwaffen-Chefs auch technische Schwächen offengelegt, denn die verschiedenen Aufgaben von Aufklärungsflugzeugen, Transportflugzeugen und Kampfflugzeugen könnten nur erfüllt werden, wenn die Flugzeuge in einem Datennetzwerk verbunden seien. «Das ist sehr, sehr komplex. Das ist uns nicht am ersten Tag gelungen. Da haben wir ein, zwei Tage gebraucht, bis am Ende alle in diesem Datenlinkverbund waren», sagte Gerhartz. Das könne nicht simuliert, sondern müsse geübt werden. Unter den bereits bekannten Defiziten nannte er fehlende Munitionsvorräte, die nun aufgefüllt würden.
Russland hatte das Manöver mit einem Spionageschiff in der Ostsee beobachtet. Ein Aufklärungstornado des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 «Immelmann» hatte dieses während der Übung in der Ostsee entdeckt. «Das Schiff lag in internationalen Gewässern, aber eben so in einer Reichweite zu unserem Übungsgebiet, dass man hätte gewisse Frequenzen abhören können», sagte Gerhartz. Die Übungsteilnehmer hätten darum «gewisse Trainingsfrequenzen benutzt und nicht die Frequenzen, die wir sonst im Ernstfall benutzen würden». Er sagte: «Wenn am Ende eine wesentliche Erkenntnis da war, dann war es die Erkenntnis, dass wir einsatzbereit sind.»
Strack-Zimmermann: Mit «Air Defender» in Realität angekommen
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, bezeichnete «Air Defender 2023» als exemplarisch für die Zukunft der Nato. Nötig seien weitere gemeinsame Übungen, um zu trainieren, wie das eigene Territorium gegen mögliche Angriffe Russlands oder anderer Aggressoren zu verteidigen sei, forderte die FDP-Politikerin. «Deutschland hat seiner geografischen Lage und seiner wirtschaftlichen Kraft entsprechend geführt und gezeigt, dass es Fähigkeiten besitzt, auf die auch die Partner zurückgreifen können», sagte Strack-Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur. «Das sollte in Zukunft auch alle anderen Teilstreitkräfte betreffen. Wir sind endlich in der Realität angekommen.»
Die Übung war am 12. Juni begonnen worden. Die Behinderungen im Flugverkehr waren deutlich geringer, als von warnenden Stimmen prognostiziert. Bundesverkehrsminister Volker Wissing sprach am Donnerstagabend von einem «Minimum» an Störungen im zivilen Flugverkehr. «Der zivile Luftverkehr hat diesen Stresstest gut bestanden», sagte der FDP-Politiker. Die durchschnittlichen Verspätungen je Flug hätten sich im einstelligen Minutenbereich bewegt, teilte sein Ministerium mit. Auch die eingeräumten Ausnahmen beim Nachtflugverbot hätten nur sehr selten genutzt werden müssen.
(Von Carsten Hoffmann, dpa)