Wirklich belastbare neue Fakten gab es am Montag in der Affäre um das abgehörte Gespräch von vier Luftwaffen-Offizieren durch russische Spione kaum. Immerhin: Der deutsche Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, wurde nicht ins Moskauer Außenministerium einbestellt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass hatte das so dargestellt, in Wahrheit handelte es sich um einen schon länger vereinbarten Gesprächstermin, wie das Außenamt in Berlin klarstellte. Zu den Inhalten verlautete nichts, der jüngste Spionagefall dürfte jedoch wohl breiteren Raum eingenommen haben. Ob Lambsdorff seinem Counterpart viel mitteilen konnte, ist allerdings fraglich. Denn die Untersuchung des Vorfalls läuft noch.
„Das ist Teil der Untersuchungen und vorher können wir uns dazu nicht äußern“, war ein in verschiedenen Varianten oft gehörter Satz in der Regierungspressekonferenz. Entsprach die für das Vierer-Gespräch verwendete Version des internetbasierten Konferenzprogramms „Webex“ den Sicherheitsvorschriften? Wurde nur telefoniert oder gab es eine Videoschalte mit Bildern? Wann wird der mit der Untersuchung beauftragte Militärische Abschirmdienst seinen Abschlussbericht vorlegen? In den nächsten Tagen könnten die Ergebnisse der Untersuchung vorliegen. Auf dem Prüfstand sind die Kommunikationstechnik und das Verhalten der Beteiligten, um eventuelle Lücken zu schließen, die den Angriff möglich gemacht haben.
Russen übertölpeln Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz
„Wir wissen seit Jahren, dass wir russischen hybriden Angriffen ausgesetzt sind“, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), am Montag. Offensichtlich gebe es immer noch Institutionen, die sich darauf nicht eingestellt haben, technisch wie mental. „Entscheidende Stellen scheinen immer noch nicht im Krisenmodus zu sein. Insofern ist dieser hybride Angriff ein deutliches Signal – auch für diejenigen, die immer noch träumen, dass dies alles nicht wahr sein kann –, sich endlich damit zu beschäftigen“, sagte Strack-Zimmermann. Auch Militärinsider beklagen, die Verschlüsselungstechnik („Kryptomodernisierung“) der Bundeswehr sei in einigen Feldern leider unzureichend.
Die Bundesregierung versucht, dem Vorgang, dass vier hochrangige Luftwaffen-Offiziere mit Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz an der Spitze für einen „Gedankenaustausch“ keine abhörsichere Leitung nutzten, mit demonstrativer Einigkeit zu begegnen. Man dürfe dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Propagandamaschine nicht auf den Leim gehen. Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte: „Das ist definitiv der Versuch, die Gesellschaft in Deutschland oder auch in Europa zu spalten.“ Man solle sich genau überlegen, ob man das Spiel Putins mitspiele.
Propaganda oder Dummheit?
Das Problem: Die Verbreitung des Gesprächs über russische Medien und der gewählte Zeitpunkt dürfen sicherlich russischer Propagandastrategie zugesprochen werden. Für den Inhalt allerdings sind die Luftwaffen-Offiziere verantwortlich. Die wiederum haben mit ihrem Gespräch über mögliche Taurus-Einsatzvarianten in der Ukraine den Kanzler enorm unter Druck gesetzt.
Was die Lieferung von sehr präzisen und durchschlagskräftigen Marschflugkörpern angeht, schien das Nein von Olaf Scholz zunächst Bestand zu haben. Seine SPD fand es mehrheitlich gut, die Opposition übte Kritik, die Sache schien ausgestanden. Bis zu der Stunde, als das Nachrichtenportal Russia Today den Mitschnitt veröffentlichte. Denn der Inhalt legt nahe, dass es – im Gegensatz zur Erklärung von Scholz – wohl doch möglich ist, Taurus-Raketen in der Ukraine abzufeuern, ohne dass dazu deutsche Soldatinnen oder Soldaten vor Ort sein müssen. Das Verteidigungsministerium wollte zu dem heiklen Punkt bislang keine Stellung nehmen. Ein Sprecher erklärte lediglich, Minister Pistorius lasse sich über wichtige Themen „bedarfsgerecht informieren“.
Scholz bekräftigt Taurus-Nein
Scholz hält gleichwohl an seinem Taurus-Nein fest, so etwa in einer Fragerunde an einem Berufsschulzentrum im baden-württembergischen Sindelfingen. Zunächst bekräftigte er dort seine Argumentation. „Es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr weit reicht, und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das Waffensystem stattfinden kann. Und wenn man die Kontrolle haben will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das völlig ausgeschlossen“, sagte er und ergänzte: „Diese Aussage habe ich sehr klargemacht. Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das.“
Der Opposition im Bundestag dürfte das als Erklärung gleichwohl zu wenig sein. Viele Abgeordnete wünschen sich weiterhin, Scholz möge wenigstens vor dem Verteidigungsausschuss zur Sache Auskunft geben. (mit dpa)