Aus der Union kommen Unverständnis und Ablehnung für die Äußerungen der SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Katarina Barley, über mögliche EU-Atomwaffen. "Die Diskussion um eine europäische nukleare Abschreckung erfolgt derzeit völlig im luftleeren Raum", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es fehlt derzeit jede politische, strategische, technische und finanzielle Grundlage für ein solches Ziel."
Barley hatte in einem Interview wegen der jüngsten Äußerungen des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel gezogen. Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, sagte sie dem "Tagesspiegel": "Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden. Trump, der derzeit Wahlkampf für eine zweite Amtszeit macht, hatte am Wochenende bei einem Auftritt deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde. Trump wird deswegen vorgeworfen, der auf dem Prinzip Abschreckung beruhenden Nato schweren Schaden zuzufügen.
Wadephul entgegnete Barley nun: "Wer einfach so von einer europäischen Nuklearmacht fabuliert wie Frau Barley, übersieht völlig, was für ein einzigartiges vertrauensvolles Angebot die nukleare Teilhabe innerhalb der Nato durch die USA an ihre Verbündeten ist. Sie aufrechtzuerhalten, muss oberstes Ziel jedweder deutschen Bundesregierungen sein." Es sei richtig, den USA - egal unter welchem Präsidenten - zu beweisen, "dass man durch faire Lastenteilung im konventionellen Bereich ein Partner auf Augenhöhe sein will".
Sigmar Gabriel: Europa braucht glaubwürdige Abschreckung
Anders beurteilt der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) die Lage. "Ich hätte nie gedacht, dass ich darüber mal nachdenken muss. Aber Europa braucht eine glaubwürdige Abschreckung. Dazu gehört eine gemeinsame nukleare Komponente", schrieb Gabriel in einem Gastbeitrag für den "stern". Der amerikanische Schutz werde absehbar enden, die Debatte darüber, woher der Ersatz kommen soll, müsse jetzt beginnen. "Wenn wir diese Frage nicht beantworten, werden anderes es tun. Zum Beispiel die Türkei. Das kann nicht unser Interesse sein."
Der CDU-Außenexperte Norbert Röttgen wollte sich gar nicht erst auf eine inhaltliche Debatte über die Äußerungen von Barley einlassen. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Dieser Vorschlag ist in jeder Hinsicht, rechtlich, europa- und sicherheitspolitisch, nicht von dieser Welt. Jeder weitere Satz der Kommentierung wäre zu viel."
(dpa)