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Verteidigung: Bekommt die Nato ihre erste Chefin?

Verteidigung

Bekommt die Nato ihre erste Chefin?

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    Mette Frederiksen, Ministerpräsidentin von Dänemark, wird als Favoritin für die Nato-Posten gehandelt.
    Mette Frederiksen, Ministerpräsidentin von Dänemark, wird als Favoritin für die Nato-Posten gehandelt. Foto: Deml Ondoej, dpa

    Es begann, wie solche Dinge oft beginnen: mit einer Bemerkung hier, einer beiläufigen Erwähnung da. Mittlerweile haben sich die Spekulationen aber verselbstständigt. Dänemarks Ministerpräsidentin Mette FrederiksenMette Frederiksen gilt als Favoritin für die Nachfolge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, ihre Kandidatur wird im Brüsseler Hauptquartier als „offenes Geheimnis“ gehandelt, wie ein Beamter verriet. 

    Nun mag das Bündnis keine festgeschriebenen Verfahrensregeln dafür haben, wie die Suche für den Topposten abläuft. Präferenzen gibt es aber genug: Weiblich sollte die Kandidatin bestenfalls sein, aus der EU stammen und die Beschreibung Staats- oder Regierungschef im Lebenslauf vermerkt haben. Nicht viele kommen infrage. Mette Frederiksen schon. Die 45-jährige Sozialdemokratin wäre die erste Chefin der Allianz seit deren Gründung 1949.

    Jens Stoltenberg wollte schon 2022 zurück nach Norwegen

    Stoltenberg steht seit neun Jahren an der Spitze und wollte eigentlich schon 2022 zurück in die Heimat Norwegen ziehen. Dann aber marschierte Russland in die Ukraine ein und US-Präsident Joe Biden bat Stoltenberg persönlich, angesichts des Kriegs zu verlängern. Nun soll Schluss sein, er wirkt abseits des Scheinwerferlichts müde. 

    Umso genauer verfolgten Beobachter die Reise von Frederiksen nach Washington Anfang Juni, wo sie bei Biden zu Besuch war – oder zum Vorstellungsgespräch? Das Meeting habe statt der geplanten Stunde doppelt so lange gedauert, betonten dänische Medien und werteten das als positives Signal. Die Frage bleibt, ob die Allianz abermals eine Kandidatin aus Skandinavien befürworten würde. Laut Berichten unterstützt Macron die seit 2019 amtierende Regierungschefin Dänemarks, die als unkonventionell und beliebt gilt. Skeptischere Stimmen verweisen darauf, dass bis 2014 mit Anders Fogh Rasmussen bereits ein Däne Generalsekretär war, und sie schlagen vor, den Blick in Richtung Osteuropa und baltische Staaten zu lenken. Deren Vertreter haben seit dem Krieg in der Ukraine an Einfluss gewonnen. Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas etwa wurde ins Spiel gebracht, da sie gerne klar Stellung gegen Russland bezieht. Doch für Kritiker liegt genau hier das Problem. Sie attackiere den Kreml in der Regel schärfer als die Bündniskollegen, was wiederum für Unstimmigkeiten sorgen könnte im Kompromiss-Club Nato.

    Stoltenberg gilt als unaufgeregter Vermittler

    Bei der Rolle handelt es sich um einen politischen Job, mehr Sekretär als General. Zu den wichtigsten Aufgaben gehört, zwischen den oft unterschiedlichen Interessen der 31 und bald 32 Mitgliedsstaaten einen Konsens auszuloten. Da Entscheidungen immer nur einstimmig getroffen werden können, ist der Chef der Allianz vor allem damit beschäftigt, die Verbündeten auf eine gemeinsame Linie zu bringen. Stoltenberg hat sich mit seiner Unaufgeregtheit als Vermittler profiliert. Er beherrscht den Umgang mit dem Ober-Störenfried aus der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, und konnte auch den Ex-Präsidenten Donald Trump im Zaum halten, als dieser etwa damit drohte, die Mitgliedschaft der USA aufzukündigen. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine präsentiert sich Stoltenberg besonnen – höflich im Ton, eindeutig in der Sache.

    Beim Nato-Gipfel Mitte Juli in Vilnius könnte die Nachfolge bereits geregelt sein. Einige Mitgliedstaaten scheint Frederiksen noch überzeugen zu müssen. So wird ihr als weiterer Nachteil ausgelegt, dass Dänemark bei den Nato-Ausgaben weit hinterherhinkt. Während sich die Partner eigentlich dem Ziel von zwei Prozent verpflichtet haben, investierte das Land im Jahr 2022 lediglich 1,38 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung. Gerade erst kam jedoch aus Kopenhagen das Versprechen, die Ausgaben bis Ende 2030 dauerhaft auf zwei Prozent zu erhöhen. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe – ein Zufall?

    Mit-Favorit ist auch der Brite Ben Wallace

    Neben Frederiksen gehört Ben Wallace zu den meistgenannten Namen in der Nachfolge-Debatte. Der britische Verteidigungsminister ist populär, auch über die Grenzen des Vereinigten Königreichs hinaus. Obwohl ihm die erforderlichen Qualitäten im militärischen Bereich zugeschrieben werden und er Interesse an dem Job bekundet hat, stehen seine Chancen gering. Man wolle die Briten nach dem Brexit nicht auch noch mit einem der prestigereichsten Posten belohnen, hieß es von mehreren EU-Offiziellen. 

    Vermutlich könnte nur ein Machtwort aus Washington für einen Stimmungsumschwung sorgen, doch angeblich halten sich die US-Amerikaner in der Diskussion zurück. Sie stellen traditionell den Oberbefehlshaber der Nato, den sogenannten Saceur („Supreme Allied Commander Europe“), während die Europäer die Spitze des zivilen Teils des Bündnisses typischerweise aus ihrem Kreis wählen.

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