FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann erwägt, künftig Unfallflucht ohne Personenschaden nicht mehr als Straftat zu behandeln, doch die Gewerkschaft der Polizei und der Deutsche Richterbund warnen vor den Folgen. „Aus Sicht der Justizpraxis besteht kein Anlass, das unerlaubte Entfernen vom Unfallort in Fällen ohne Personenschaden zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen“, sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB) Sven Rebehn unserer Redaktion. „Die Strafvorschrift hat sich bewährt und gibt den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen“, betonte Rebehn.
Polizei und Justiz warnen vor fatalem Signal bei Reform des Unfallflucht-Paragrafen
Auch die Gewerkschaft der Polizei reagierte skeptisch auf Buschmanns Vorstoß. „Es wäre fatal, wenn durch eine teilweise Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, Unfallflucht wäre ein Kavaliersdelikt“, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens unserer Redaktion. Offen zeigte sich der Polizeigewerkschafter jedoch für Überlegungen des Bundesjustizministeriums Unfälle über eine standardisierte Online-Maske mit Bildern vom Unfallort zu melden. „Intelligente Onlineverfahren zur Unfallmeldung oder andere Ideen sind unabhängig der rechtlichen Einstufung der Unfallflucht überlegenswert, der Zettel an der Windschutzscheibe ist im Jahr 2023 von gestern“, sagte Mertens.
Zur Frage der rechtlichen Einstufung einer Fahrerflucht in bestimmten Fällen als Ordnungswidrigkeit habe die GdP noch keine abschließende rechtliche Meinung, sehe aber die damit verbundenen Risiken. „Es darf nicht sein, dass für Unfallverursacher durch eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit die Hemmschwelle zur Flucht vom Unfallort sinkt“ , sagte Mertens. „Die Sachschäden bei Unfällen sind oft erheblich, selbst bei Parkremplern entstehen oft vierstellige Reparaturkosten. Es darf nicht sein, dass gerade die Menschen, die sich keine Vollkaskoversicherung gegen Fremdverschulden leisten können, zu den Verlieren einer Reform werden.“ Eine Unfallflucht sei für die meisten Geschädigten ein einschneidendes Ereignis.
Richterbund warnt vor mehr Arbeit für Gerichte bei Herabstufung der Unfallflucht
Der Richterbund lehnt eine Herabstufung der Unfallflucht zur Ordnungswidrigkeit auch bei Bagatellschäden ab. „Zu einer spürbaren Entlastung der Strafjustiz würden die Pläne nicht führen“, sagte DRB-Geschäftsführer Rebehn. „Auf die Gerichte käme vermutlich sogar mehr Arbeit zu“, warnte er. „Die Fälle werden heute durch die Staatsanwaltschaften vorbereitet und zu einem großen Teil durch Einstellungen erledigt“, erklärte er. „Künftig würden die Ordnungsbehörden im Zweifel einen Bußgeldbescheid erlassen, den viele Betroffene dann sicher gerichtlich überprüfen lassen. Es würden weitaus mehr Verfahren bei den zuständigen Amtsgerichten landen, die zudem deutlich aufwendiger sind als die klassischen Fälle von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr.“
Auch der Richterbund warnte vor einem falschen Signal. „Kriminalpolitisch wäre es fragwürdig, eine Unfallflucht in Fällen von Sachschäden zu entkriminalisieren, weil ein Knöllchen für viele kaum abschreckend wirken dürfte“, sagte Rebehn. „Es ist zu befürchten, dass die Warte- oder Meldebereitschaft nach Unfällen durch die geplante Reform weiter sinken würde“, betonte er.
„Der Vorschlag, künftig eine Meldepflicht als Alternative zur Wartepflicht nach einem Unfall einzuführen, ist hingegen erwägenswert“, sagte der Richterbund-Geschäftsführer. „Allerdings müssten dafür digitale Meldewege aufgebaut werden, die zuverlässig und einfach erreichbar sind. Ein föderaler Flickenteppich, in dem jedes Bundesland oder sogar jeder Landkreis seine eigene technische Lösung entwickelt, wäre für die Akzeptanz eines Meldemodells sicher fatal.“
Fahrerflucht-Reform: Was passiert bei Unfällen unter Alkoholeinfluss?
Die Online-Meldung könnte aus Sicht der Polizei eine Auswirkung auf die Verfolgung von Unfällen unter Alkoholeinwirkung haben: „Die Frage des Alkohols ist eine rechtlich komplizierte Frage: Ein Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss ist vermutlich die einzige Straftat, bei der sich ein Täter stellen muss und gezwungen ist zu warten, bis die Polizei kommt“, sagte GdP-Vize Mertens der Zeitung: „Das ist nicht neu, aber es wird ein spannender Punkt in der Diskussion, wenn sich ein betrunkener Verursacher bei einem Unfall mit Sachschaden anderweitig melden könnte“, erklärte er. „Zumindest der Schutz des Eigentums des Geschädigten wäre damit gewährleistet“, fügte der Polizeigewerkschafter hinzu. „Eine der offenen Frage ist auch, ob es ein Verursacher wirklich einschätzen kann, dass es bei einem Unfall tatsächlich zu keinen Verletzungen gekommen ist, wenn man beispielsweise an die Frage von Schleudertraumata denkt.“
Das Bundesjustizministerium erwägt laut einem Bericht des das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), künftig Unfallflucht ohne Personenschaden nicht mehr als Straftat zu behandeln. Wer bei einem Autounfall nur einen Sachschaden anrichte und flüchte, würde dann nur noch eine Ordnungswidrigkeit begehen.