Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat mit der Pest gedroht und sich die Cholera eingehandelt. Der FDP-Politiker schrieb einen Brief an die drei Regierungsfraktionen der Ampelkoalition und erklärte den Vorsitzenden, dass er sich gezwungen sehen könnte, an Wochenenden Fahrverbote für Autos und Lastwagen zu erlassen.
Der Grund: Im Verkehrssektor wird zu viel Kohlendioxid aus den Auspuffen in die Luft geblasen. Das noch immer nicht überholte Klimaschutzgesetz zwingt Wissing, rasch wirkende Gegenmaßnahmen vorzuschlagen, beispielsweise, dass Autos zwei Tage die Woche stehen bleiben müssen. „Eine entsprechende Reduzierung der Verkehrsleistung wäre nur durch restriktive und der Bevölkerung kaum zu vermittelnde Maßnahmen wie flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich“, warnt der Verkehrsminister die Abgeordneten der drei Regierungsfraktionen.
Die Grünen halten Wissing im Schneider
Um dieses Horrorszenario aus der Zeit der Ölkrise in den 70er-Jahren zu vermeiden, drängt Wissing SPD, Grüne und auch seine FDP dazu, die Novelle des Klimaschutzgesetzes endlich zu beschließen. Das brächte ihn aus dem Schneider, denn der CO2-Ausstoß Deutschlands würde dadurch nicht mehr wie bislang Sektor für Sektor (Verkehr, Industrie, Energie, Wohnen, Landwirtschaft) betrachtet, sondern in der Gesamtschau. Wie Industrie und Energieerzeugung die Kohlendioxid-Emissionen deutlich gesenkt haben, könnten sie den Stillstand im Verkehrsbereich auffangen.
Doch seit einem Dreivierteljahr dümpelt das Gesetz im Bundestag herum. Nur noch bis Mitte Juli hat der Minister Zeit. Die Grünen halten den Entwurf im Kleinkrieg mit den Liberalen als eine Art Faustpfand zurück, obwohl selbst ihr Wirtschaftsminister Robert Habeck dafür ist. Wer weiß schon, welches grüne Lieblingsprojekt (Stichwort: Kindergrundsicherung) die FDP demnächst stoppen will.
„Dass Volker Wissing jetzt Fahrverbote vorschlägt, wundert mich. Wir Grünen halten Fahrverbote für kein sinnvolles Mittel. Es ist nicht verantwortungsvoll für einen Minister, unbegründete Ängste zu schüren“, erklärte die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Ihre Stellvertreterin hatte da schon das Wort „Tempolimit“ in die Debatte gegeben, das Wissing bekanntlich ablehnt.
Die Steilvorlage, die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen zu begrenzen, nutzen auch die Umweltverbände. „Allein mit Tempo 100 auf der Autobahn und 80 außerorts lässt sich die Klimaschutzlücke im Verkehrsbereich um mehr als die Hälfte schließen“, rechnete Umwelt-Hilfe-Chef Jürgen Resch vor. Er kritisierte den „Panik-Brief“ Wissings und kündigte an, den Klimaschutz mit Klagen durchzusetzen. Resch hat in mehreren Städten Fahrverbote für Dieselautos auf dem Gerichtsweg erkämpft.
Fahrverbote am Wochenende? Die Fuhrunternehmer sind ungerührt
Die Spediteure gaben sich unerschrocken, ob der überraschend im Raum stehenden Fahrverbote. „Uns als Spediteure schockt die Drohung nicht“, sagte der Chef des Logistikverbandes BGL, Dirk Engelhardt, unserer Redaktion. Am Ende müssten die Lkw rollen, „denn sonst bleiben die Regale im Supermarkt leer“. Und ohnehin finde ihr Hauptgeschäft zwischen Montag und Freitag statt.
Für die Ampelkoalition hat Engelhardt aber noch einen Ratschlag parat. „Wenn sie nicht auf eine andere Kommunikation umschalten, dann fliegt ihnen der Laden um die Ohren.“ Die Spediteure sind sauer auf den Verkehrsminister wegen der jüngsten Maut-Erhöhung. Der Logistik-Chef forderte von Wissing, sich beim Klimaschutz im Güterverkehr ehrlich zu machen. „Der Anteil von E-Lkw beträgt 0,06 Prozent. Es gibt keine Förderung, keine Ladesäulen und keine Fahrzeuge im Markt.“
Dass die Emissionen im Verkehrssektor kaum gesenkt werden können, liegt vor allem an der deutlichen Zunahme der auf der Straße transportierten Güter, gepaart mit einer Schwäche der Güterbahn. In der Gesamtschau zeigt die Klimapolitik allerdings Wirkung. Im vergangenen Jahr schickte Deutschland laut Umweltbundesamt 10,1 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre als noch 2022.
Die Gründe dafür sind der Ausbau erneuerbarer Energien, ein Rückgang der Energieerzeugung aus Öl, Gas und Kohle, aber auch der wirtschaftliche Durchhänger. Vor allem die Schwerindustrie hat zu kämpfen und verbraucht deshalb viel weniger Energie als üblich. Die Behörde ist zuversichtlich, dass die Bundesrepublik es schafft, bis zum Jahr 2030 ihren CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent zu drücken. Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll Deutschland unter dem Strich gar kein Klimagas mehr emittieren.