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Verkehrsminister: Verdacht auf Vetternwirtschaft bei Wissings Wasserstoff-Förderung

Verkehrsminister

Verdacht auf Vetternwirtschaft bei Wissings Wasserstoff-Förderung

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    Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), spricht zur Eröffnung einer Wasserstofftankstelle im Tempelhofer Weg.
    Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing (FDP), spricht zur Eröffnung einer Wasserstofftankstelle im Tempelhofer Weg. Foto: Annette Riedl, dpa

    Vor dem Hintergrund möglicher Vetternwirtschaft in seinem Haus lässt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Förderrichtlinien seines Ministeriums überarbeiten. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Felix Schreiner hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Ziel der Überarbeitung sei die „Verbesserung der administrativen Abläufe bei Förderprogrammen“, heißt es darin. Die Förderstrategie werde seit dem Frühjahr überarbeitet, dies geschehe „unabhängig von dem vorliegenden Fall“. Gemeint sind Medienberichte, wonach der Leiter der Grundsatzabteilung des Ministeriums bei der Vergabe von Fördermitteln für Wasserstoffprojekte Privates mit Dienstlichem vermischt haben könnte. Entkräften konnte das Ministerium diese Vorwürfe bisher nicht. 

    Nach Recherchen des Handelsblattes geht es dabei vor allem um die Beziehung des Abteilungsleiters zu einem Unternehmer. Beide sollen demnach mutmaßlich befreundet sein und auch Skiurlaube gemeinsam verbracht haben. Zugleich bekam der Unternehmer Zusagen für Fördergelder in Höhe von rund 26 Millionen Euro aus einem Wasserstoffprogramm des Ministeriums. Es geht auch um 72,5 Millionen Euro aus dem Ministerium, mit denen der Unternehmer ein Wasserstoffzentrum in Niederbayern aufbauen soll. 

    Verkehrsminister Wissing lässt den Fall weiter prüfen

    Das Verkehrsministerium prüft den Fall, ein Ergebnis liegt noch nicht vor. „Es ist in unserem ureigensten Interesse, dass wir zu allen Vorwürfen, die im Raum stehen, umfangreich Aufklärung betreiben können, um hier nicht das Bild haften zu lassen, dass hier etwas im Unreinen wäre. Wenn dem so wäre, dann würden selbstverständlich auch die entsprechenden Konsequenzen getroffen“, sagte ein Sprecher. 

    Schreiner erklärte dazu: „Die Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch.“ Offensichtlich gebe es innerhalb des Bundesverkehrsministeriums weiterhin Klärungsbedarf. „Anders ist die laufende Überprüfung des Förderverfahrens nicht zu deuten.“ Aller Voraussicht nach wird sich der Verkehrsausschuss des Bundestages nach der Anfang September endenden Sommerpause mit dem Vorgang befassen. 

    Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte das Ministerium erklärt, seine Korruptionsprävention „maßgeblich gestärkt“ zu haben. Das Verfahren „zur Feststellung besonders korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete im gesamten Geschäftsbereich“ sei neu ausgerichtet und die Fachaufsicht gestärkt worden, hieß es kurz vor der Bundestagswahl. Zuvor hatte der Bundesrechnungshof Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung des Ministeriums gerügt. Offenbar gibt es nun weiteren Handlungsbedarf bezüglich der nachvollziehbaren Vergabe von Steuergeld.

    Verdacht auf Vetterwirtschaft: Parallelen zum Fall Graichen?

    „Der Bundesverkehrsminister muss vollständig und transparent nachweisen, dass persönliche Beziehungen keine Rolle bei der Vergabe von Fördergeldern im Rahmen der Wasserstoffstrategie spielten“, sagte der Abgeordnete Schreiner, der unter anderem Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Bundestages ist. Der Baden-Württemberger erinnerte an den Fall des Staatssekretärs Patrick Graichen, der nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft von seinem Chef Robert Habeck (Grüne) in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. Es dürfe nun „keine Anzeichen mehr von Einflussnahme geben“, sagte Schreiner. „Jeder Verdacht muss umgehend und ohne Lücken durch das jeweilige Ministerium aufgearbeitet werden. Ansonsten droht eine weitere Glaubwürdigkeitskrise gegenüber der Politik und dem Staat insgesamt.“

    Spannend ist vor diesem Hintergrund weiterhin die Frage, auf welcher Grundlage der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband in den Genuss von Steuermitteln gekommen ist. Da geht es unter anderem um 1,4 Millionen Euro für das „Innovationscluster HyMobility“. Es soll ein Netzwerk und eine Innovationsplattform schaffen, um die Wasserstoff-Mobilität voranzutreiben. 

    In der Antwort des Ministeriums heißt es dazu, entsprechende Fördermittel würden im Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) vergeben. In den NIP-Förderrichtlinien ist die Förderung von Lobbyverbänden allerdings überhaupt nicht explizit vorgesehen. Wissings Haus erklärt das in der Antwort auf Schreiners Anfrage so: Die einschlägige Förderrichtlinie sehe vor, „dass grundsätzlich Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, Gebietskörperschaften, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen“ antragsberechtigt seien. Und weiter: Der juristische Begriff „grundsätzlich“ werde immer dann gewählt, „wenn aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und aus sachlichen Erwägungen auch Ausnahmen möglich sein sollen“. Es handele sich hier also um keine abschließende Aufzählung. „Auch die Förderung anderer Akteure ist damit möglich.“ 

    Interessenkonflikt in der Grundsatzabteilung des Verkehrsministeriums?

    Möglicherweise ist auch Wissings Experten inzwischen aufgefallen, dass es sich hier um ein Hintertürchen handelt. „Die Überprüfung dieses Förderverfahrens läuft derzeit“, heißt es. Das Ministerium weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass nach Paragraf 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes „Beschäftigte, bei denen eine Interessenkollision im Sinne dieses Gesetzes vorliegt, in dem jeweiligen Verwaltungsverfahren nicht tätig werden“ dürften. Zuvor hatte ein Ministeriumssprecher bereits eingeräumt, dass das NIP in der Verantwortung der Grundsatzabteilung und ihres Leiters liegt. „Der Mann nimmt Einfluss in seiner Funktion als Abteilungsleiter, was die Ausgestaltung und grundsätzliche Ausrichtung dieser Förderrichtlinien angeht.“ 

    Schreiner wollte zudem von der Regierung wissen, ob sie ausschließen könne, „dass ein möglicher Interessenkonflikt in der Grundsatzabteilung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zum Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband bestand beziehungsweise besteht“. Eine berechtigte, womöglich die entscheidende Frage in diesem Vorgang. Wissings Verkehrsministerium hat sie nicht beantwortet.

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